Fotos: Linda Breidert
Foto: Linda Breidert

Wie sehen wir unsere Stadt? Wie zeigen wir sie Fremden? Und wo finden wir uns wieder – auch jenseits von Mathildenhöhe, Darmstadtium und Luisenplatz? Darmstadt ist nicht nur Jugendstil- und Wissenschaftstadt, ist nicht nur Heimat des Datterich und Georg Büchners.

Darmstadt besitzt architektonische Ecken und Kanten, städtebauliche Details, die vor Schönheit nur so glänzen – oder durch Hässlichkeit abschrecken. Aber gerade sie prägen das Bild der Stadt. Und auch wir Darmstädter gehen oft an diesen Stellen vorbei, bemerken sie nicht, obwohl sie so bemerkenswert sind. Deshalb haben wir diese Orte gesucht, dokumentiert und stellen sie an dieser Stelle Monat für Monat vor. Frei nach dem Motto „Die Schönheit der Dinge liegt in den Augen des Betrachters“. In diesem Fall: in unseren.

besonders … zentral

Das Darmstädter Schloss, Mittelpunkt der Stadt und der großen Stadtfeste. Ein lebendiger Ort mit zahlreichen Nutzungen. Die bedeutendsten sind: die Universitäts- und Landesbibliothek, geisteswissenschaftliche Institute der TU Darmstadt sowie Polizeistation und Schlossmuseum. Dazu der Schloss- und der Künstlerkeller als kulturelle Anziehungspunkte. Und nicht zu vergessen: Die Innenhöfe sind öffentlicher Fußgängerweg und Verbindung vom Marktplatz zum Friedens- und zum Karolinenplatz.

Die zwei wesentlichen Nutzungen fallen aber spätestens 2011 weg: Die Unibibliothek mit circa 14.000 Quadratmetern Innenfläche und die Polizeistation (rund 500 Quadratmeter) ziehen bis dahin aus. Wie die Räume im barocken Neuschloss danach genutzt werden, ist noch nicht entschieden. Hier ist die TU Darmstadt als Eigentümerin gefragt, ein Konzept vorzulegen, das mit den unterschiedlichen Nutzungen und mit den Bedürfnissen der Stadt und der Heiner harmoniert – eine große Aufgabe und Verantwortung. Es ist zu hoffen, dass hier umsichtiger vorgegangen wird als bei der Entscheidung, das Kongresshotel an den Karolinenplatz und den Herrngarten zu bauen. Durch das neue Eingangsgebäude für die TU wird versucht, die räumliche Enge zwischen Audimax und Hotel aufzubrechen und das Zurückdrängen des Universitätsgebäudes in die zweite Reihe zu überspielen. Neben den räumlichen Aspekten, vor denen unter anderem Architekturprofessoren in einem offenen Brief gewarnt hatten, ist an der Entscheidung, das Hotel an dieser Stelle zu platzieren, besonders schade, dass diese Nutzung für einen Teil des Schlosses verbaut wurde.

Mehr Gefühl für den Zusammenhang von Ort, Raum, Gebäude und Nutzung wäre auch bei der Entscheidung, das Staatsarchiv in den Mollerbau zu setzen, wünschenswert gewesen. Hoffnung, dass der Umgang mit den historischen Bauten sich geändert hat, keimt durch die Entscheidung auf, das Rathaus aus dem Luisencenter und Carree-Block in den Kollegienbau am Luisenplatz umzuziehen. Neben der Veränderung der Nutzung steht die Grundsanierung des Residenzschlosses an. Begonnen wurde bereits im Juni mit der Sanierung der Gründung, also der Fundamente. Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Schloss weitgehend zerstört. Ab 1950 wurde es auf den alten Fundamenten und aus Ruinen wieder aufgebaut.

Der Ursprung des Schlosses ist eine Wasserburg aus dem 13. Jahrhundert, in der heutigen Erscheinung ist es zum großen Teil aber erst 58 Jahre alt. Dies ist auch vor dem Hintergrund der Kontroverse um die Rekonstruktion des Schlosses in Berlin und der Altstadt in Frankfurt bemerkenswert. Würde heute jemand behaupten, die Nachbildung war aus architektonischer Sicht falsch, da an gleicher Stelle ein Gebäude der 50er Jahre hätte gebaut werden müssen, würde er von den meisten nur Unverständnis ernten. Möglicherweise ist es ein Unterschied, ob die Rekonstruktion unmittelbar nach der Zerstörung erfolgt. Oder, ob an gleicher Stelle bereits, wie in Berlin, ein neues, für die jüngere deutsche Geschichte bedeutendes Gebäude wie der Palast der Republik gebaut wurde. Bei den umfassenden Veränderungen im Darmstädter Residenzschloss könnte die Bastion ganzjährig geöffnet und bewirtschaftet werden. „Dagegen würde man sich von Seiten der Uni nicht sperren“, kommentiert Christian Böttler vom zuständigen Dezernat für Bau und Immobilien der TU Darmstadt. Das lässt doch hoffen.