Foto: Jan Ehlers
Foto: Jan Ehlers

Die Diskussion um den Neubau des Museums Sander ebbt nicht ab. Jüngst wird als neuer Standort die direkte Nachbarschaft zur Goldenen Krone gehandelt: das Saladin-Eck. Im Zuge dessen gibt es in Darmstadt einen neuen architektonischen Gewinner, der künftig eine wesentliche Hauptrolle im kulturellen Stadtbild spielen wird: der Hartung-Brunnen. Er ist als herausragendes historisches Zeugnis – auch im Zuge der Bewerbung der Künstlerkolonie Mathildenhöhe um die Auszeichnung als UNESCO-Weltkulturerbe – von großer Bedeutung. Und obendrein hat sich Darmstadt nun auch ein Marketing-Konzept überlegt, welches das Potential hat, den städtischen Haushalt zu sanieren. Bei der Stadt ist quasi „der Groschen gefallen“ – und zwar in den Brunnen. So wie in Rom.

Der Vergleich mit Italiens Hauptstadt liegt auch aus stadtplanerischen Gründen auf der Hand: Der in den Hang eingegrabene Hartung-Brunnen mit seiner Relief-Rückwand erinnert unweigerlich an den Trevi-Brunnen in Rom. Beide Brunnen liegen auf ansteigendem Niveau – sowohl auf der Piazza Trevi als auch auf der Mathildenhöhe erlebt man die kleinen Bauwerke somit aus verschiedenen Blickwinkeln. In beider Nähe befindet sich jeweils eine Kirche mit ungewöhnlicher Fassade. Doch während sich in Rom Meeresgestalten auf einer Felslandschaft tummeln und der Brunnen aus Travertin und Marmor gestaltet wurde, ist das Darmstädter Pendant aus Waschbeton gefertigt.

Der Hartung-Brunnen

Der Hartung-Brunnen war zentraler Teil des „Quellenraumes“, den der Architekt Otto Bartning zusammen mit dem Berliner Bildhauer Karl Hartung entwarf, um auf der Brüsseler Weltausstellung 1958 im Untergeschoss des Deutschen Pavillons für die deutschen Heilbäder zu werben. Zudem galt der Brunnen, der Wasser als Lebensquell symbolisiert, manchem als Sinnbild eines neuen Deutschlands. Nicht zufällig wurde das architektonisch-bildhauerische Kunstwerk im Anschluss an die Ausstellung – ohne die bauliche Überdachung mit einer runden Lichtöffnung in der Mitte – auf dem Südhang der Mathildenhöhe abgeladen, an Stelle der kurz zuvor abgerissenen Ruine des Hauses Christiansen. Umso mehr ist nachzuvollziehen, dass die Sander-Gegner diesen Brunnen (der am 25.11.1965 zu Ehren des Großherzogs Ernst-Ludwig übrigens den Namen Ernst-Ludwig-Brunnen erhielt) als einen Grund für ihre Abneigung zum Museumsneubau anführten. Hätte der historisch bedeutende Brunnen doch hierfür seinen Standort wechseln müssen.

Zurück zum Rom-Vergleich. Schon bald soll es noch eine weitere Darmstädter Parallele geben: Im Trevi-Brunnen landen jährlich zirka 600.000 Euro an Kleingeld, das von Touristen dort hineingeworfen und für einen guten Zweck gespendet wird. Vor allem durch die bekannte Filmszene aus Fellinis „La Dolce Vita“ mit Marcello Mastroianni und Anita Ekberg aus dem Jahr 1960, in der die beiden ein nächtliches Bad im Brunnen nehmen, erlangte der Trevi-Brunnen weltweite Popularität. In Darmstadt ist Ähnliches denkbar: Mit dem Hartung-Brunnen als Touristenattraktion wird man – spätestens dann, wenn die Mathildenhöhe zum Weltkulturerbe erklärt worden ist – mit Münzwürfen in Höhe von rund 500.000 Euro jährlich rechnen können. Damit sind Bau und Unterhaltung eines neuen Museums für die Darmstädter Kunst gesichert. Und zwar nicht durch Mäzene, sondern durch Touristen aus der ganzen Welt.

Dieser finanzpolitische Schachzug der grün-schwarzen Stadtegierung soll noch in der laufenden Legislaturperiode Wirklichkeit werden – die mediale Neuinszenierung des Hartung-Brunnens wurde schon in Angriff genommen: Verhandlungen mit mehreren Filmproduktionsfirmen aus der Metropolregion Rhein-Main laufen, die Schauspieler Sebastian Koch („Das Leben der Anderen“, lange Zeit am hiesigen Staatstheater engagiert) sowie Jessica Schwarz („Das Parfum“, „Romy“) wurden für die Hauptrollen der Darmstädter „Dolce Vita“-Verfilmung angefragt. „Und es sieht gut aus“, verlautet aus dem Umfeld des Kulturdezernenten und Oberbürgermeisters Jochen Partsch.

Die kreativen Ideen sprudeln noch weiter: Auch über die Lage des neuen Museums sowie dessen Architektur soll im zweiten Schritt zeitgemäß und weltbürgerlich entschieden werden: mittels der neuen Casting-Show „SOS – Darmstadt sucht den Stararchitekt“, die per Livestream auf www.darmstadt.de übertragen wird. Die direkte Bürgerbeteiligung wird über ein Telefon-Voting mit Blitztabelle garantiert (pro Anruf 50 Cent). Während Architektenwettbewerbe bisher Geld kosteten, kann damit nicht nur ein sofortiger Konsens hergestellt, sondern auch Geld verdient werden. Zehn renommierte Architekten werden zur Show geladen, ihre Entwurfsfindung und die Juryentscheidung über den Siegerentwurf sind direkt, unmissverständlich und sauber dokumentiert. Die Bürgerinitiative „SOS Mathildenhöhe“ hat bereits Interesse angemeldet, in der Jury mitzuwirken.