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Foto: Archivfoto TUD

Darmstadt besitzt zwar keinen ICE-Bahnhof, dafür aber einen Flugplatz. Dieser macht Darmstadt neben dem historischen Flugplatz Berlin-Johannisthal zu einer der Pionierstädte der deutschen Luftfahrt.

Südlich der Verbindungsstraße B26 zwischen Darmstadt und Griesheim liegt der 65 Hektar große August-Euler-Flugplatz im sogenannten „Griesheimer Sand“, bis ins 19. Jahrhundert ein Sanddünengebiet, danach Truppenübungsplatz. Der legendäre Flieger August Euler gründete 1908 diesen Flugplatz, auf dem Flugzeuggeschichte geschrieben wurde. Flugpionier Euler errichtete dort die erste Fabrik für Flugzeugbau und ließ bis zum Ende des Ersten Weltkrieges mehr als 40 Flugzeugtypen und 500 Flugzeuge produzieren.

Darmstadt entwickelte sich so zu einem Zentrum der Luftfahrtechnik: Es wurden Flugzeuge gebaut, Doppeldecker gestartet und die ersten deutschen Piloten ausgebildet – unter ihnen Prinz Heinrich von Preußen. 1910 stellte Euler auf seinem Flugplatz den Dauerflug-Weltrekord mit drei Stunden, sechs Minuten und 18 Sekunden auf. 1912 wurde die erste Luftpost über Darmstadt ausgeflogen.

Kurz nach der Jahrhundertwende wandten sich in Darmstadt noch andere Enthusiasten der Fliegerei zu und agierten anfangs unabhängig voneinander: Euler baute erfolgreich motorisierte Flugzeuge, begeisterte Oberschüler unternahmen Gleitflugexperimente im Darmstädter Holzhof, die Technische Hochschule (TH) bot erste Vorlesungen über Flugtechnik an und errichtete 1913 den ersten ordentlichen Lehrstuhl in Deutschland für Flugtechnik. Nach dem Ersten Weltkrieg durften die deutschen Flieger gemäß dem Versailler Vertrag nicht mehr motorisiert in die Lüfte steigen und so setzte die TH alles auf Segelflugtechnik.

Die Akaflieg, die Rhön-Rossitten-Gesellschaft (später: Deutsche Forschungsanstalt für Segelflug, DFS) entstanden und etablierten sich in Darmstadt. Die DFS übernahm auf dem Fluggelände die noch bestehenden Kasernengebäude aus den 1890er Jahren. Anfang der dreißiger Jahre wurden außerdem Werkstätten und Werfthallen sowie ein Windkanal errichtet. 1938 wurde Segelfliegen olympische Disziplin und die „DFS-Meise“ erhielt den Zuschlag als offizielles Olympia-Flugzeug.

Foto: Jan Ehlers
Foto: Jan Ehlers

Mit der Lufthansa nach Darmstadt

Bereits vier Jahre zuvor allerdings war die Konkurrenz des neuen Flug und Luftschiffhafens Rhein-Main bei Frankfurt zu groß und der Flugbetrieb nach Darmstadt eingestellt worden. Zehn Jahre lang hatte die Lufthansa bis dato Darmstadt angeflogen. Der alte Euler-Flugplatz blieb Ausbildungs- und Forschungsstätte, bis die amerikanischen Truppen 1945 einzogen. Als Deutschland 1955 seine Lufthoheit zurückerhielt, beschlossen ehemalige Darmstädter Piloten die Tradition wieder aufzunehmen und gründeten 1969 die „Hessen-Flieger“. Mit Genehmigung der Amerikaner durften sie das Gelände als Start- und Landeplatz nutzen, bis 1992 die US-Streitkräfte den Flugplatz aufgaben. Sie hinterließen neben den zahlreichen Bauten aus dem späten 19. Jahrhundert und den dreißiger Jahren heute denkmalgeschützte Gebäude im typischen Stil der fünfziger Jahre: Tower, Kontrollturm und Raketenbasen.

Vom Airport zum Natur-Biotop

Doch wo einst die „Delta-Nurflügelfluggeräte“, die „DFS-Meise“ oder der „DFS-Habicht“ im Anflug waren, landen heute andere Flugobjekte: Steinschmätzer, Italienische Schönschrecke, Weinhähnchen oder Wolfsmilchschwärmer heißen die seltenen Vogel- und Insektenarten, die hier zu finden sind. Denn Darmstadts ehemaliger Airport ist heute ein Natur-Biotop, auf dem seltene Tierarten leben. Durch die langjährige, rein militärische Nutzung des „Sandökosystems“ blieb die Vegetation weitestgehend erhalten. So konnte sich eine besondere Artenvielfalt entwickeln und durchsetzen, die für die Forschung von großem Interesse ist.

Die Technische Universität Darmstadt (TUD), die 2005 das Areal erworben hat, nutzt den August-Euler-Flugplatz heute für unterschiedlichste Forschungsdisziplinen: Fahrzeugtechnik, Aerodynamik und Strömungslehre oder Kurvenverhalten werden auf dem Gelände erprobt, Lichttechniker, Geologen und auch Botaniker erweitern hier ihr Wissen..Zukunftsvision der TUD, der Wissenschaftsstadt Darmstadt und des Förderverein August-Euler-Luftfahrtmuseum e.V. ist es, gemeinsam ein August-Euler-Museum am Flugplatz zu errichten und zu betreiben. Ein begeisterter Gast forderte stattdessen beim 100-jährigen Jubiläum des Flugplatzes im Jahr 2008 im Gästebuch: „Diesen Airport sollte man ausbauen und Egelsbach stilllegen.“