Perspektive vom Schloß Kopie 1
Entwurf: Büro Werkstatt, 2007

Der Friedensplatz, eine ungeliebte Ecke der Innenstadt, ist über die letzten Jahre unerwartet zu einem Kondensationspunkt für Stadtvisionen geworden. Anrainer und Nutzer bildeten die Interessensgruppe „Freundinnen und Freunde des Friedensplatzes“‚ unterstützt von Initiativen wie „Kreative Darmstadt“, „Utopisten“, „Kulturelle Mitte“, Centralstation, Earlstreet, Architektursommer und „Let’s talk about Darmstadt“ sowie Studierenden der Hochschule und der TU Darmstadt. Es wurde diskutiert, geforscht und veranstaltet – und Schritt für Schritt ein vielfältiges Menü von Gestaltungsvorschlägen zusammengestellt: beispielsweise einen (Spiel-) Ort für Kinder, einladende Raumqualitäten, die Koexistenz (scheinbar) unverträglicher Nutzungen, Treffpunkte und Gelegenheit zur Mitgestaltung. Hier geht es nicht so sehr um das Aussehen des Platzes, sondern um sie Stadt als Lebens- und Kulturraum: Wie könnte der Friedensplatz weit gefächerte Nutzergruppen und eine dementsprechend hohe Nutzungsvielfalt beherbergen?

Für diesen Sommer waren ein Treffpunkt mit Gesprächsreihe und Zukunftswerkstatt zur partizipationsfördernden Weiterentwicklung des Platzes geplant: Ein Nachbarschaftscafé und Vereinshaus der „Kreative Darmstadt“ im ehemaligen Eis-Friedel-Pavillon; ein Stadtstammtisch mit einer kuratierten Gesprächsreihe zu Themen wie Utopie, Shared Ground und Miteinander sowie eine Zukunftswerkstatt um ein großformatiges Modell, an dem Nutzungsvorschläge mit Studierenden gleich räumlich geprüft werden könnten. Alles auf kleinstem Budget, aber mit Herz und Engagement. Die Stimmung war gut und endlich zeigte sich auch die politisch verantwortliche Baudezernentin Brigitte Lindscheid (Die Grünen) interessiert, denn schließlich postulieren die Grünen auf Bundesebene: „Die BürgerInnen sind nicht nur BewohnerInnen, sondern vor allem GestalterInnen ihrer Stadt. Die Grüne Stadt der Zukunft lebt von der Bürgerbeteiligung. Kommunikativ gestaltete öffentliche Räume laden zum Verweilen und zur Teilhabe ein.“ Alles nur Theorie?

Denn kurze Zeit später – Anfang Juni 2013 – lädt Baudezernentin Lindscheid zu einer Pressekonferenz ein und teilt mit, dass plötzlich Gelder für eine Neugestaltung des Friedensplatzes gefunden wurden – und ein vom Magistrat abgesegneter Entwurf des Darmstädter Architekturbüros „WerkStadt“ von 2007, in einer Schreibtischschublade. Es könnte (und soll) also gleich losgehen.

Budenzauber statt Aufenthaltsqualität

Dieser Entwurf aus dem Jahr 2007 sieht vor, den Platz weitestgehend leer zu räumen zugunsten einer Sichtachse zwischen den angrenzenden, historischen Gebäuden (Landesmuseum bis Weißer Turm) sowie höherer Flexibilität für Veranstaltungen wie Märkte, Heinerfest oder Schlossgrabenfest. Lediglich an der Westseite des Platzes sind auf einem erhöhten Podest ein paar Bäume und Bänke und etwas Spielgerät vorgesehen, die wie ein gestalterisches Feigenblatt wirken. Aufenthaltsqualitäten werden hier marginalisiert und unbehindertem, ganzjährigen Budenzauber sowie historischen Sichtachsen unterstellt.

Auf diese Kritik wird gerne geantwortet, dass leerer Raum doch der Raum sei, den man sich am einfachsten aneignen kann. Dies mag auf den Schaustellerverband zutreffen, nicht aber auf Kleinkinder, Senioren, Boulespieler, Tai-Chi-Gruppen, Community-Gärtner oder frisch Verliebte. Das veranschaulicht etwa der gleich nebenan gelegene Karolinenplatz.

Wo bleibt die Idee von der „grünen Stadt der Zukunft“?

Der Friedensplatz wird also nicht zu einem Fenster mit Blick darauf, wie Darmstadt vielfältiger, nachhaltiger und spannender werden könnte, wie die Potenziale der Stadt und des Ortes genutzt werden könnten, um einen Ort zu schaffen, an dem auch ein neues Selbstverständnis von Zivilgesellschaft entsteht. An dieser Stelle wird das Darmstadt von morgen höchstens das Darmstadt von gestern sein.

Nun kann man enttäuscht sein, dass sich die Partei, die auf Bundesebene eine lebendige, lebenswerte, alters- und klimagerechte Stadt fordert, sich hier pragmatisch für konservative Ideenlosigkeit entscheidet und nicht für das über Jahre gewachsene Projekt der Freundinnen und Freunde des Friedensplatzes mit viel Potenzial gerade für Nutzbarkeit und Pluralität. Man kann auch bedauern, dass in Zeiten knapper öffentlicher Kassen nicht in Nutzbarkeit und eine „Stadt für alle“, sondern in Bodenbelag investiert wird. Aber Stadt ist nie fertig, Stadt wird ständig verändert, nicht nur von den politisch Verantwortlichen, sondern auch von uns. Wir sollten Stadt nicht als Substantiv, sondern als Verb verstehen und die hier entstandenen Ideen und Netzwerke nicht am Friedensplatz begraben, sondern sie als Anstoß für ein Darmstadt sehen, das von seinen Bewohnern mitgestaltet wird.

Eine von historischem Dekor gerahmte Stellfläche sollte uns als Stadtraum nicht genügen; sie wird unserem Wunsch nach Vielfalt nicht gerecht. Der öffentliche Raum Darmstadts sollte stattdessen repräsentativ sein für das engagierte und vielschichtige Miteinander, das ich an Darmstadt schätzen gelernt habe.

Stadt, das ist doch der Ort, an dem das Unerwartete passiert, an dem neue Verbindungen geschlossen werden, an dem Gesellschaft sich konstituiert. Auch für diese Art Stadt gibt es in Darmstadt schon Beispiele, wie etwa den Riegerplatz. Für so eine Stadt lohnt es sich doch weiterzureden. Let’s talk about Darmstadt!

 

www.letstalkaboutdarmstadt.de