Foto: Jan Nouki Ehlers
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Der Darmstädter März steht im Zeichen der Oberbürgermeisterwahl. Unser Stadtbild erzählt von den Amtszeiten eines jeden Oberhaupts. In unserer Rubrik „besonders … Darmstadt – der Baukultur auf der Spur“ entdecken wir die Amtszeit-Denkmäler der (ehemaligen) Oberbürgermeister noch einmal neu.

Von 1822 bis heute regierten 19 verschiedene Oberbürgermeister die Stadt. Der eine hat weniger, der andere umso mehr die städtebauliche Entwicklung Darmstadts geprägt, gefördert – oder versaubeutelt. Dabei waren viele Entscheidungen natürlich abhängig von den politischen, sozialen und wirtschaftlichen Hintergründen der jeweiligen Amtszeit.

Besonders nennenswert erscheint uns in der Historie Adolf Morneweg , dessen Wirken als Stadtoberhaupt in die Zeit von 1892 bis 1909 fiel. Morneweg galt als Wegbereiter der Bereiche Verkehr, Kultur, Wirtschaft und Bildung. In seine Amtszeit fiel beispielsweise die Inbetriebnahme der elektrischen Straßenbahn. Zudem gab Morneweg die Mathildenhöhe zur Bebauung frei und ebnete damit den Weg zur Künstlerkolonie und zum Weltruf Darmstadts als Stadt des Jugendstils.

Einer seiner weiteren Verdienste im Bereich Stadtentwicklung war die Umsiedelung des Standorts der Firma Merck aus der Innenstadt an die heutige Position. Außerdem wurden während seiner Amtszeit acht neue Schulen gebaut. Eine von ihnen wurde 1926 nach ihm benannt: 2004 feierte die Mornewegschule ihr 100-jähriges Bestehen.

Foto: Jan Ehlers
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Ludwig Metzger (1945 bis -50) und Ludwig Engel (1950 bis -70) waren nach dem Zweiten Weltkrieg prägende Mitgestalter beim Wiederaufbau Darmstadts. In der verheerenden Brandnacht am 11. September 1944 war die Stadt fast vollständig zerstört worden.

In kurzer Zeit musste möglichst viel Wohnraum wieder hergestellt und Wirtschaftskraft nach Darmstadt geholt werden, indem sich neue Firmen ansiedelten. In dieser Zeit entstanden viele Bauten, die bis heute nichts von ihrem Charme verloren haben, wie zum Beispiel die Darmstädter Meisterbauten.  Doch Ende der 1960er Jahre wurden Objekte verwirklicht, die bis heute Kritik hervorrufen: Seelenlose Wohnsilos schossen in Neu-Kranichstein empor – und bilden zusammen mit Eberstadt Süd noch immer die sozialen Brennpunkte der Stadt.

Unter dem Oberbürgermeister Heinz Winfried Sabais , einem Kunst- und Kulturliebhaber und Freund des großen Schriftstellers Thomas Mann, wurde weiter geklotzt und nicht gekleckert: 1972 wird der Neubau des Staatstheaters eingeweiht, 1975 beginnt die Großbaumaßnahme Cityring, 1977 öffnet das Luisencenter und zum Stadtjubiläum 1980 wird das letzte Teilstück der „neuen Holzstraße“ fertig gestellt. Die damalige Umgestaltung des Luisenplatzes mit Tunnel und Einkaufscenter stößt bis heute auf heftige Kritik.

Von 1981 bis 1993 ist Ludwig Metzgers Enkel Günther Metzger neuer Oberbürgermeister. 1984 eröffnet das Hessische Landesmuseum seinen Neubau für die Kunst des 20. Jahrhunderts und das Alte Pädagog wird wieder aufgebaut. Drei Jahre später erhält die Akademie für Tonkunst einen Neubau, 1988 legt man den städtischen Schlachthof still. Im gleichen Jahr weiht Metzger die neue Synagoge in der Wilhelm-Glässing-Straße ein.

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Zwölf Jahre lang regierte anschließend Oberbürgermeister Peter Benz unsere Stadt (von 1993 bis 2005) und machte aus ihr die „Wissenschaftsstadt“. Benz hat Stadtentwicklung „als Aufbruch zu einer neuen Identität“ verstanden, lobte ihn die Frankfurter Allgemeine Zeitung nach seinem Abgang im Jahr 2005. Daraus hervorgegangen ist beispielsweise die Entwicklung der Weststadt als neuer Standort innovativer Wirtschaft.

Weiterhin zeichnet sich Darmstadt heute durch eine hohe Dichte unterschiedlichster wissenschaftlicher Einrichtungen aus. Das kulturelle Interesse und Engagement des Politikers Benz trägt zu weiteren städtebaulichen Entwicklungen bei: So tragen das neu gestaltete Carree, das kulturelle Konzept für die HEAG-Halle B (heute „Centralstation“), das Hundertwasserhaus, die Sanierung des Hauptbahnhofs und die Planung eines neuen Wissenschafts- und Kongresszentrums an der Alexanderstraße seine stadtplanerische Handschrift.

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Foto: Jan Ehlers

Seinem Nachfolger Walter Hoffmann hinterließ er aber auch zahlreiche „Baustellen“, die dieser zu vollenden oder mit deren defizitärem Erbe er umzugehen hatte.

Diese Baustellen bleiben auch dem Oberbürgermeister der kommenden Amtszeit nicht erspart: Das „Darmstadtium“ wird seit seiner Einweihung 2007 als kostenfressende „Schepp Schachtel“ beschimpft, das Projekt „Knellgelände“ – ein groß angelegtes Städtebauprojekt, das letztlich an der „Seveso-II-Richtlinie“ (praktisch: fehlender Sicherheitsabstand von Wohngebiet zu Merck) scheiterte – sieht nun selbst so aus, als hätte sich dort ein Chemie-Unglück ereignet.

Ob, in welcher Art und Weise und wie lange Darmstadt noch durch den amtierenden Oberbürgermeister Walter Hoffmann städtebaulich geprägt wird, entscheiden die Bürgerinnen und Bürger bei der Wahl. Ein vielversprechendes Stadtentwicklungsprojekt, das unter seiner Amtszeit begonnen wurde, ist der Konversionsprozess der leerstehenden ehemaligen US-Kasernengelände. Die Bürger sollen dabei aktiv beteiligt werden.

Dieses Projekt gelungen umzusetzen, wird für den kommenden Oberbürgermeister in jedem Fall eine Herausforderung. Er wird aber auch die Chance haben zu zeigen, was er aus den Leistungen seiner Vorgänger gelernt hat (oder auch nicht).