Foto: Jan Ehlers
Foto: Jan Ehlers

Das Hessische Landesmuseum ist zurzeit verpackt. Nicht vom Künstler Christo, sondern als Baustelle mit Gerüst und Zäunen. Die prächtigen Löwen im Eingangsportal sind in hölzernen Käfigen gefangen. Lediglich eine bunt inszenierter Bauzaunreihe erinnert an die Kunst, die voraussichtlich erst 2012 wieder in Darmstadt zu sehen sein wird.

Bis dahin zeigt man die prächtigen Sammlungen und Stücke anderswo auf Wanderausstellungen, da man sie der Öffentlichkeit nicht vorenthalten möchte und die Kunst auf Wanderschaft sich eignet, um für Darmstadt und sein in etwa zwei Jahren neu eröffnendes Landesmuseum Werbung zu machen. Knapp eine Million Ausstellungsstücke wurden 2009 verpackt und ausgelagert. Zahlreiche Exponate sind unter anderem in Norwegen, Frankreich, den USA und Niederlanden sowie in einigen deutschen Museen zu Gast.

Bagger in den Innenhöfen

Aktuell befindet sich das Darmstädter Museum in einem Übergangszustand, der voller spannender Momentaufnahmen steckt. Sie zeugen vom Zauber der Kunst und ihrer Historie. Das P wagt einen Blick in die von außen kaum wahrnehmbare Baustelle: Bagger kurven durch die Innenhöfe, die nach Fertigstellung öffentlich zugänglich und mit Kultur bespielbar sein werden. Eine eigens für den „Fettstuhl“ von Joseph Beuys installierte Klimaanlage sorgt dafür, dass keine 28 Grad Celsius erreicht werden, die das Kunstwerk zerfließen lassen würden. Die Bauarbeiten förderten einen kongenialen Luftschutzbunker mit meterdicken Betonwänden aus den Jahren 1938/40 zutage, der einst auch als geheime Schatzkammer mit Ausstellungsnischen vorgesehen war.

Museumsdirektor Theo Jülich entdeckte im Kellerarchiv des Museums eine Kiste mit über 100 alten Siegeln. Es stellte sich heraus, dass diese eine Leihgabe des Staatsarchivs waren und, weil sie als „im Krieg verschollen“ galten, aus dem Bestand gestrichen wurden. Als die historischen Vitrinen im Erdgeschoss weggeräumt wurden, fanden sich Spuren der Brandnacht vom 11. September 1944 an den dahinter liegenden Wänden.

Das Hessische Landesmuseum ist eines der letzten Universalmuseen Europas. „Außer U-Booten haben wir hier fast alles“, erläutert Jülich bei unserem Rundgang durch die Baustelle des Museums mit seiner bald 200-jährigen Geschichte. Die umfangreiche Kunst- und Naturaliensammlung geht auf eine Schenkung des Großherzogs Ludwig I. von Hessen-Darmstadt an den Staat zurück. 1897 beauftragte Großherzog Ludwig den damals bekannten Architekten Alfred Messel mit dem Bau eines passenden Museums und einer Ausstellungskonzeption.

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Foto: Jan Ehlers

Einheit von Kunst und Naturwissenschaft

Messel widmete jeder Sammlung einen eigenen Gebäudebereich und schuf damit eine Einheit von Kunst und Naturwissenschaft in einem Museum. Kunstwerke aus dem 16. bis 18. Jahrhundert neben ausgestopften Tieren aus Mitteleuropa, Räume wie der „romanische Gang“, die gotische Kirche neben dem mittelalterlichen Hof sowie der herrliche Barocksaal zeigen anschaulich historische Zusammenhänge.

Derzeit wird das Bauwerk von innen enthüllt. Bei unserem geführten Spaziergang durch das entkernte Innere begegnen wir einer Architektur, die auf archäologische Weise – analog zu den vielen, zum Teil aus Ausgrabungen stammenden Kunstschätzen – freigelegt wird und dadurch gewissermaßen die Idee Messels wieder sichtbar und spürbar werden lässt. Abgehängte Decken, Wandverkleidungen und Bodenbeläge wurden entfernt, zum Vorschein treten nun herrliche Gewölbedecken, Stuckaturen und Nischen, die sich bestens zur Inszenierung der verschiedenartigen Sammlungen eignen, so zum Beispiel einer alten ägyptischen Mumie, die bisher im dunklen Depot versteckt wurde.

Geöffnete Höfe und ein Restaurant

Auch die alten Höfe werden wieder revitalisiert und eignen sich künftig hervorragend für künstlerische Veranstaltungen wie kleine Konzerte, Open-Air-Kino, Lesungen – oder, um ein Glas Wein vor historischer Kulisse zu trinken. Schön ist die Idee, die Höfe auch außerhalb der Öffnungszeiten zugänglich zu machen. Das Gleiche gilt für ein in die Gewölbe eingebettetes Restaurant. Besucher können also dann auch „nachts im Museum“ sein – und vielleicht das ein oder andere Urpferdchen durch die Gänge galoppieren sehen.

Der aus einem Architekturwettbewerb hervorgegangene geplante Neubau an Stelle des sogenannten Kargelbaus wird aus Kostengründen vorläufig nicht umgesetzt. Er sollte den dringend benötigten Platz schaffen und würde das Museumskonzept Messels konsequent weiterführen. Geplant war ein sachlich moderner Solitär, der den Neubau zum Museumsvorplatz nach Westen zur Schleiermacherstraße hin schließt und durch seinen Abstand zum Altbau einen breiten Korridor zum Herrngarten lässt, und der ein bespielbarer, belebter Außenraum des Museums hätte werden können. Ein solcher Neubau wäre auch insbesondere im Hinblick auf die dringend erforderliche Neugestaltung des Friedensplatzes wünschenswert gewesen.

Es bleibt zu hoffen, dass die Kunstwerke Darmstadts wie geplant bis zum Jahresende 2012 wieder in die Stadt und an ihren angestammten Ort zurückkehren können. Wenn sich Stadt und Land irgendwann auf die Kunst zurückbesinnen, kann vielleicht auch der Neubau für das Hessische Landesmuseum in ein paar Jahren realisiert und „enthüllt“ werden.

 

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