Foto: Jan Ehlers
Foto: Jan Ehlers

Es ist vollbracht. Als Höhepunkt der Büchner-Gedenkjahre 2012/13 nimmt die Landesausstellung „Georg Büchner – Revolutionär mit Feder und Skalpell“ den gesamten Kosmos dieses herausragenden Dichters, Revolutionärs und Naturwissenschaftlers in den Blick. Anhand der mehr als 400 Exponate hat der Besucher „real vor Augen, was Büchner gesehen hat“, schwärmt Ralf Beil, Direktor des Instituts Mathildenhöhe und Kurator dieser Schau. Fazit nach unserem Rundgang durch die Ausstellung: Die Besucher kommen ganz nah heran an diesen Augen- und Ohrenmenschen, der in sehr kurzer Zeit „ein zwar schmales, aber hoch bedeutendes Werk“ geschaffen hat, wie die Hessische Ministerin für Kunst und Wissenschaft, Eva Kühne-Hörmann, zur Eröffnung betonte.

Gleich zu Beginn wird man mit Büchners Genialität konfrontiert, der seine Geburt am 17. Oktober 1813 mit dem Satz kommentiert: „Es kroch so nackt und weich in die Welt.“ Im Familienzimmer der Büchners dann, das sich seinerzeit in der Grafenstraße 39 in Darmstadt befand, kann man sich auf Biedermeierstühle niederlassen und lesen, was Georg, seine Geschwister und seine Eltern „ohne Ende“, wie Ralf Beil kommentiert, rezitierten: Clemens Brentanos und Achim von Arnims „Des Knaben Wunderhorn“, das zu Büchners Lebzeiten bekannte Volkslied „Weltende“, Shakespeares gesammelte Werke. Fasziniert nimmt man die (eigens für die Ausstellung angefertigte) merkwürdige Tapete unter die Lupe, die zunächst biedermeiermäßig daherkommt, sich beim zweiten Blick aber als kurioses Muster aus Büchners zarter Haarlocke und dem Blutschwammköpfchen offenbart. An der einen Wand hängen – fein gerahmt – Falter und Schmetterlinge, an der anderen ist die Originallocke des Meisters in einem kleinen Rahmen fixiert. Auch eine Napoleonbüste fehlt in diesem nachempfundenen Raum nicht, schwärmte doch Büchners Vater sehr von dem Kaiser der Franzosen. „Georg Büchner ist nicht nur Literatur- und Kulturgeschichte ersten Ranges“, wie Ralf Beil sagt, „Georg Büchner ist Weltwissen.“

Glockengeläut und Kinnbacken

Dieses lässt sich nun im Darmstadtium studieren, wo der Betrachter auf Dinge und Bilder blickt, die Büchner zu Lebzeiten selbst gesehen hat. Und wie dieser damals, bekommt man auch heute noch die Glocken vom Weißen Turm zu hören. Ein besonderes Erlebnis war für den in Goddelau geborenen Schriftsteller, als er zusammen mit seinem Freund Alexis Muston den berühmten riesengroßen Dinotherium-Kinnbacken zu Gesicht bekam – auch diesen können wir nun in der beeindruckenden Schau begutachten. Die Ausstellung, ein aufwändiges Projekt, das rund zwei Millionen Euro kostet, sei eine Liebeserklärung an Darmstadt, bekräftigt Oberbürgermeister Jochen Partsch zur Eröffnung.

Stickiges Darmstadt

Rundherum gibt es Ein- und Ausblicke auf die kleine Großstadt am Woog: Hier lockt ein Modell der eng bebauten Altstadt mit Hinkelsgasse, dort ein alter Stich mit Blick auf Schloss, Marktplatz und Stadtkirche. Ein bisschen eng wurde es dem Revoluzzer dann aber doch in dieser unserer Stadt, die er als „Wüstenei, die Wüste Sahara in allen Köpfen und Herzen“ bezeichnet. Im August 1832 schreibt er, dass er „dieße Luft nicht vertragen“ könne. Als Student in Straßburg, wo er die Freiheit kennenlernt, konstatiert er dagegen, dass ihm diese französische Gewitterluft viel lieber sei.

„Georg Büchner – Revolutionär mit Feder und Skalpell“ bietet eine ganz besondere Entdeckungsreise, die viele Facetten dieses großartigen Menschen beleuchtet, der leider schon 1837 starb.

 

„Georg Büchner – Revolutionär mit Feder und Skalpell“

Fakten: Ausstellungsbudget: 2 Millionen Euro, mehr als 400 Exponate, 1.000 Quadratmeter auf mehreren Ausstellungsebenen (700 qm im Saal ferrum, 300 qm in der Lounge), 612 Seiten dicker Katalog.

Audioguide: „Man muss nur Aug und Ohren dafür haben“, lässt Georg Büchner Lenz im Kunstgespräch sagen. In dieser Ausstellung ist Büchner mit allen Sinnen zu erleben. Der Audioguide mit 128 Text- und Toneinspielungen – Klängen, die Büchners Leben begleiteten, sowie Büchners Originaltexten, gelesen unter anderem vom Schauspieler Max von Pufendorf und Helge Heynold in Zusammenarbeit mit hr2-kultur und produziert von tonwelt, Berlin.

www.mathildenhoehe.info

[Die Ausstellung ist mittlerweile beendet, Anm. d. Red.]

Video ansehen