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Foto: Jan Ehlers

Wahrscheinlich hat schon jeder den von ihm erdachten Werbespot eines Kreditkartenanbieters im Kino oder TV gesehen (den mit den Souvenirs auf der Karibikinsel und der Pointe: „Einfach mal an sich denken?“ „Unbezahlbar.“). Oder zu der von ihm aufgelegten Musik im Gestüt Renz (Wiesbaden), Red Cat (Mainz), Travolta (Frankfurt), dem Darmstädter Schlosskeller, Stella, 603qm, Weststadtcafé, Hillstreet Club oder im Waben getanzt. Oder auf dem von ihm organisierten Musikflohmarkt auf dem Johannesplatz Platten geshoppt. Daniele Iezzi (34) ist ein äußerst aktiver Zeitgenosse – und ein angenehmer und lustiger dazu. Vater Italiener, Mutter Deutsche, lebt er glücklich und zufrieden im Johannesviertel. Nun verbindet er kreative Ader und lokale Szenekenntnis und gibt ein Gutscheinheft heraus, das Darmstadts interessanteste Locations, Orte und Läden gut gestaltet vorstellt. Anlass genug für das P, ihn in die Black Box zu stecken.

 

 

Du arbeitest als Werbetexter. Konsumkritische Zeitgenossen betrachten Werbung als Teufelshandwerk. Kannst Du diese „Konsum-gleich-Scheiße“-Haltung nachvollziehen?

Ja, auf jeden Fall. Das kann ich sehr nachvollziehen. Andererseits: Wenn Menschen denken, sie müssten bei jeder Sache auf die Barrikaden gehen, sollten sie sich erstmal selbst hinterfragen – und damit anfangen, über ihr iPhone nachzudenken. Das wird in China produziert – mit nicht nur guten Mitteln und unter höchstwahrscheinlich schlechten Arbeitsbedingungen. Ich find‘s aber gut, wenn man kritisch ist und Dinge hinterfragt. Ich hab‘ auch schon Jobs abgelehnt, zum Beispiel für die CDU oder für EADS [die European Aeronautic Defence and Space Company, Europas größter Luft- und Raumfahrt- sowie zweitgrößter Rüstungskonzern, Anm. d. Red.]. Die haben lustigerweise argumentiert, es ginge bei der Kampagne um Abwehrsysteme. Aber eine Abwehr ist ja eben auch Krieg. Die schießen ja auch Leute ab mit den Abwehrraketen.

Ist Werbetexter dennoch Dein Traumberuf?

Traumberuf würd‘ ich nicht sagen. Da wär‘ ich immer gern Fußballer geworden – wie jeder kleine Junge. Ich war früher aber zu klein und zierlich. [lacht] Werbetexter ist aber ein Beruf, in dem ich mich sehr wohl fühle. Eine gute Mischung aus Kreativität und Geld verdienen. Das geht auch anderen so – zum Beispiel der Bühnenbildnerin von „Der Pianist“, die bei einem Master-Card-Dreh auf der „Dom Rep“ mit mir am Set im Einsatz war. Werbefilm bedeutet für viele Leute aus der Filmbranche – Regisseure und Schauspieler: innerhalb von kurzer Zeit viel Geld verdienen. Deshalb sprechen Theaterschauspieler sehr viel Werbung – auch viele vom Darmstädter Staatstheater übrigens. Da gibt es an einem Tag oft mehr als im Theater für den ganzen Monat.

Auch in Deiner Freizeit lebst Du Deine Kreativität gerne aus. In den 1990ern warst Du Sänger bei der Hardcore-/Punk-Band Brainage. Während Deines Studiums warst Du Mitglied der Programmgestalter-Gruppe im 603qm. Und seit zehn Jahren legst Du als DJ im ganzen Rhein-Main-Gebiet Platten auf – allerdings aus einer ganz anderen musikalischen Richtung als die, die Deine Jugend geprägt hat. Wie bist Du von Hardcore und Punk zu Funk, Soul und HipHop gekommen?

Mit 17, 18 war es eine coole Sache, in einer Punk-/Hardcore-Band zu singen. Dann kam bei mir ein Schulwechsel, ich kam in der Zwölf aufs GBS [Georg-Büchner-Schule, Anm. d. Red.]. Neue Leute gleich neue Einflüsse … da war HipHop angesagt: Snoop, Dr. Dre, Westcoast. Bei der Musik waren plötzlich DJs dabei, es gab Scratches, Übergänge – das fand ich faszinierend. Von HipHop ging es dann zu House und Breakbeat. Inspiriert haben mich auch die DJs, die damals im Kesselhaus aufgelegt haben: montags und donnerstags bei den House-Abenden sowie freitags im Orbital Jazz Club [Thomas Hammann, Sonix und Kemal, Anm. d. Red.]. So was wollte ich auch machen.

Viele unterschiedliche Einflüsse also … Was zeichnet denn das typische Daniele-DJ-Set aus? 

Das ist ein Melting Pot, ein wilder Mix aus 50 Jahren Musikgeschichte: Soul, Funk, Jazz, Disco, HipHop, Reggae, auch mal Latin oder ein bisschen Swing dabei. Es muss Spaß machen – und auch nicht immer der neueste Shit sein. Es gibt so viele verborgene Perlen oder ältere Sachen, die neu editiert wurden oder aus einem ganz anderen Kontext kommen. Es ist spannend, das zusammenzufügen. Ich fänd’s auch langweilig, nur eine Richtung aufzulegen. Dafür gibt es Spezialisten. Ich sehe mich eher als bunten Hund. [lacht]

Du bist als DJ im ganzen Rhein-Main-Gebiet unterwegs. Feiern Mainzer oder Frankfurter anders als Darmstädter? 

Auf jeden Fall. Ich weiß zwar nicht, ob die Studenten in Mainz alle wirklich Mainzer sind. Aber ich würde sagen: Die Mainzer sind musikalisch offener. Frankfurt ist zwiegespalten: Es gibt eine Snob-/Schicki-Szene, andererseits gibt es viele Underground-Partys (Schwedlersee, Lola Montez). Es gibt viel Subkultur, Frankfurt ist sehr vielschichtig – wie auch Darmstadt. In Darmstadt gibt es viele Nörgler. Manchmal zähle ich mich auch dazu – zum Beispiel, wenn an einem Samstag nur Techno- oder House-Partys sind.

Ansonsten bist Du aber ja schon ein Darmstadt-Liebhaber. Seit 15 Jahren lebst Du in Darmstadt, engagierst Dich auch sozial (Hausaufgabenbetreuung an der Lichtenbergschule). Was macht diese Stadt aus?

Meine Liebe zu Darmstadt wird immer mal wieder gestärkt und geschwächt. Ich find’s toll, wenn sich Leute engagieren, etwas auf die Beine stellen, die Stadt bereichern. Neue Sachen unterstütze ich eigentlich immer gern. Man hat nur manchmal das Gefühl: Wenn ein Projekt zur Erfolgsgeschichte wird, kommt der Gedanke auf: „Klappe zu“ – und die Entwicklung stockt. Oder, um mal ein Problem aus der DJ-Praxis zu nennen: Bei Partys wird oft am Licht und am Sound gespart. Das gilt allerdings nicht nur für Darmstadt. Die überschaubare Größe Darmstadts wiederum ist ein Vorteil: Das mit „Luups“ hätte ich mich in einer an-deren Stadt vielleicht nicht getraut.

Warum braucht Darmstadt „Luups“, es gibt ja schon ähnliche Gutschein-hefte wie „2for1“ oder „City Card“?

„Luups“ ist ein Freizeitführer mit Gutscheinen, der Dich, wenn Du neu in der Stadt bist, an die richtigen Locations bringt. Pflichtsachen wie das Jugendstilbad werden genauso vorgestellt wie Geheimtipps, zum Beispiel die Wurstfontäne oder der Goldene Hirsch. Besonders ist auch, dass es sich rein auf Darmstadt konzentriert – Heppenheim, Eppertshausen oder Kelsterbach sind nicht drin wie in ähnlichen Produkten. Und bei der Gestaltung machen regionale Ilustratoren mit [von denen viele auch fürs P gestalten und illustrieren, Anm. d. Red.]. Die konnten sich so auf diese schöne Art verewigen. Ich hatte „Luups“ vor zwei Jahren das erste Mal in Mainz gesehen. Sieht gut aus, dachte ich mir, hat ein gutes Konzept – da fragte ich mich: Warum gibt es das nicht für Darmstadt?

Vielen Dank für das Gespräch.