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Foto: Albrecht Haag

„Viele, viele bunte Smarties“, summe ich und schaue beeindruckt nach oben auf das 17 Meter hohe, orange­gelbe, künstliche Felsmassiv mit den kunterbunten Griffen, die mich an jene Schokolinsen erinnern.

Im März eröffnete das Alpin- und Kletterzentrum Darmstadt und nun treffe ich Stefan Reisinger, Vorstandsmitglied des Alpenvereins Darmstadt-Starkenburg, und Johannes Altner, Referent für Sport- und Wettkampfklettern, auf der Gastronomie-Empore zum Interview. Gemeinsam schauen wir nach oben auf die Kletterwand. Jede Grifffarbe steht für eine bestimmte Route mit einem Schwierigkeitsgrad zwischen 3 und 11 – wobei die 11er Route nicht viele schaffen, erfahre ich. Auch die Kommentare im ausliegenden Hallenbuch zeugen von der Begeisterung nationaler und internationaler Klettergrößen. 17 Meter – das ist höher als in vielen anderen Hallen.

1.331 Quadratmeter Kletterwand bieten Herausfor-derungen. An einem Seil baumelt mitten im Raum eine freudig quietschende 3-Jährige, der vom sichernden Vater jegliche Tendenz zur Höhenangst ausgetrieben wird. Zwei Speed-Kletterer trainieren konzentriert. Eine Gruppe junger Kletterer im trendigen Outfit hat eine Menge Spaß, ihre weißen Chalk-Fingerabdrücke auf den schwarzen Griffen der 11er Route zu hinterlassen. Das alles hat jedoch wenig mit säuerlich duftenden Naturburschen und gar nichts mit chaotischen Lagerplätzen am Fuße einer echten Felswand zu tun.

Ist Klettern nicht outdoor? Seilt man sich nicht lieber in einen Steinbruch ab, zumal im Sommer? „Hallenklettern ist quasi eine eigene Sportart“, erklärt Johannes Altner. Ohne Risiken oder unangenehme Überraschungen kann hier jeder in jede Route einsteigen, ohne irgendwo stecken zu bleiben. „Hallenklettern ist konsumierendes Klettern, mit schnellen Erfolgserlebnissen“, fasst Stefan Reisinger zusammen. Das sehe ich. Obwohl die Gruppe im trendigen Outfit eher herumspaßt, denn ernsthaft klettert, erreicht sie beachtliche Höhen. „Außerdem ist es sauber, keiner wird hier dreckig“, ergänzt Johannes Altner.

So kann auch der Stadtmensch, der gemeinhin eher ungern durch Erde, Schlamm und Staub kriecht, den Klettergurt umschnallen und für zwei Stunden in die künstliche Wand einsteigen. Die nötige Ausrüstung ist im Eingangsbereich auszuleihen. Ich vermeine in diesem Zusammenhang das Wort „Plastikkletterer“ zu hören. Aber auch auf diese wird gezählt.

Denn um alle Kosten zu decken, sind 300.000 Euro Einnahmen pro Jahr nötig, das entspricht etwa 80 Besuchern täglich. Doch hier gibt der Name den Hinweis zum ehrgeizigen Ziel: Keine schnöde Kletterhalle irgendwo in grauem Industriegebiet wurde errichtet, sondern ein Alpin- und Kletterzentrum im Grünen. Finanzielle Hürden und interne Querelen – nicht jedes Mitglied des Alpenvereins klettert, viele wandern – mussten überwunden werden. Ehrenamtliche Helfer leisteten ungezählte Stunden, doch nun steht die Anlage, oben an der Lichtwiese, auf einem per Pachtvertrag dem Deutschen Alpenverein (DAV) überlassenen Grundstück der Technischen Universität Darmstadt – und verspricht Sport und Spaß für jeden.

Das Zentrum bietet Schnupper- und Anfängerkurse, Sport- und Wettkampfklettern, Kindergeburtstage und Ferienprogramme. Dafür stehen die 125 Routen der Wand und ein vier Meter hoher Boulderraum, in dem man ohne Seil seinen Weg sucht, zur Verfügung. Es gibt Angebote im Bereich Prävention und Rehabilitation, einen Outdoor-Laden, Seminarräume für Ausbildungslehrgänge und eine Bücherei mit Wanderkartenverleih. Zudem ist das Zentrum Geschäftsstelle Darmstadt-Starkenburg und damit zentraler Anlaufpunkt des DAV. Zusätzlich besteht eine Kooperation mit dem benachbarten Unifit, der „Fitnessanlage für Studierende“. In den anhängenden Räumlichkeiten werden Yoga-Kurse und Fitness für Kletterer und Wanderer angeboten. Auch die Sauna darf von den DAV-Mitgliedern genutzt werden. „Diese Vielseitigkeit des Zentrums muss sich bei den älteren, zumeist wandernden Vereinsmitgliedern noch herumsprechen“, betont Stefan Reisinger.

Am 28. und 29. November dieses Jahres werden im Alpin- und Kletterzentrum Darmstadt die Deutschen Meisterschaften und die Deutschen Jugendmeisterschaften im Sportklettern ausgerichtet – die Top Events des deutschen Klettersports. „Eine enorme Motivation“, sagt Johannes Altner, „in der Halle finden Spitzen- und Breitensport nebeneinander statt. Anfänger, Fortgeschrittene und prominente Profis hängen in der Wand und benutzen die gleichen Griffe.“

Am Ende des Rundgangs stehen wir hinter der Halle. Die Sonne strahlt, es riecht nach warmem Gras, Vögel zwitschern, dahinter beginnt der Wald. Einen Bier­garten gibt es hier. Und auch an die Außenwand der Halle sollen irgendwann Griffe montiert werden. Für sauberes Klettern im Freien.
DAV-Kletterzentrum Darmstadt

Lichtwiesenweg 15
Telefon: (06151) 1596661

Öffnungszeiten:
Montag: 14 bis 23 Uhr
Dienstag bis Samstag: 10 bis 23 Uhr
Sonn- und feiertags: 10 bis 21 Uhr

Tageskarte für Erwachsene (Gäste): 13,50 Euro
Kletterseil, -gurt und -schuhe sind leihbar und kosten extra.

www.kletterzentrum-darmstadt.de