Illustration: Hans-Jörg Brehm
Illustration: Hans-Jörg Brehm

Die Echo-Zeitungen stehen vor einem Aderlass. Branchentypische Probleme erklären die Misere nur teilweise. Jetzt will sich der Verlag auf Qualitätsjournalismus besinnen.

„Des hammer schon immer so gemacht.“ Ein Satz wie ein Monument. Unumstößlich. Manch einer beim Darmstädter Echo hat ihn zum Gesetz erhoben – und damit Diskussionen abgewürgt und Veränderungen ausgebremst. „Das Echo ist ein schwerer Tanker, der bewegt sich nur langsam.“ Noch so ein schulterzuckender Satz, der von manch Altgedientem in der Holzhofallee zu hören war. Im Glauben, der schwere Tanker trotze jedem Sturm, ist mancher in Routine erstarrt. Ende Juni dieses Jahres setzte eine nebelhorngleiche Schlagzeile dem ein Ende: „Tiefgreifende Sanierung bei der Echo-Mediengruppe!“ Wer bis dahin unter Deck auf das Ende des Unwetters gewartet hatte, war nun wach. Eisberg voraus!

Ein Quartal später steht das Ausmaß der Katastrophe fest. Mehr als die Hälfte der Belegschaft muss von Bord. Nur 140 von mehr als 300 Stellen bleiben erhalten. Der leckgeschlagene Tanker geht auf Sparkurs, ohne dass ein sicherer Hafen in Sicht wäre. Im Medienhaus muss mancher sich nun eingestehen, dass der Klimawandel Realität ist und „Hammer schon immer so gemacht“ nicht als Leitsatz für das 21. Jahrhundert taugt.

Dass „beim Echo“ mehr verwaltet als gestaltet wurde, könnte man historisch erklären. 1945 bekam das Blatt – wie andere Regionalzeitungen auch – eine Monopolstellung in die Wiege gelegt. In diesem wettbewerbsarmen Raum verdienten die Verleger jahrzehntelang gutes Geld. Ernst zu nehmende Konkurrenz hatte das Echo mit seinen südhessenweit sechs Ausgaben bis heute nur am Rand seines Verbreitungsgebietes. Erst das Internet kippte Verlage wie die Echo-Medien aus ihrer kommoden Position. Indem es Infos schneller und billiger verfügbar machte, krempelte es die Medienwelt um. Jobs, Wohnungen, Autos – das Anzeigengeschäft der Zeitungen wanderte ins Internet ab. Und große Teile der Leserschaft gleich mit. Das stürzte die Zeitungen in eine beispiellose Krise. Viele Traditionsblätter sterben mit ihren Abonnenten aus.

Auflagenrückgang in der Vor-Internet-Ära

Aber: Die Digitalisierung war für die Malaise weder ursächlich noch ist sie alleinverantwortlich dafür. Schon in der Vor-Internet-Ära sanken die Auflagen. 30 Millionen gedruckte Tageszeitungen in Ost- und Westdeutschland gab es 1983, heute ist es noch gut die Hälfte. Auch die Echo-Zeitungen litten seit 2001 unter erheblichem Auflagenrückgang. Doch begnügte man sich damit, die näher kommenden Einschläge zu beobachten. Die Frankfurter Rundschau traf es hart, zuletzt sogar die FAZ. Die Echo-Kapitäne haben es unterdessen versäumt, sich in dieser Zeit gegen den drohenden Bedeutungsverlust zu wappnen, geschweige denn, eine Gegenoffensive zu starten.

Strukturwandel? Ja. Rasant? Na ja.

Wieso Geld für eine Zeitung zahlen, die nur verzögert liefert, was es online schnell und gratis gibt? Diesen Arbeitsauftrag stellt jeder sich verabschiedende Abonnent den Verantwortlichen in Verlag und Redaktion. Seit Jahren. Die Geschäftsführung der Echo-Medien aber begründet die anstehende Zäsur mit dem „rasanten Strukturwandel in der deutschen Zeitungslandschaft“ und lässt erklären, sie habe „früh reagiert“. Der Wandel ist eher stetig als rasant. An der frühzeitigen Reaktion darauf hat es eben gefehlt. Die Probleme sind damit zu einem Gutteil hausgemacht.

Der fürsorgliche Familienbetrieb von früher ist das Darmstädter Medienhaus längst nicht mehr. Die eigene Druckerei wurde 2010 dichtgemacht, etwa 130 Beschäftigte verloren ihre Arbeit. Doch trotz der stetigen Talfahrt wurde nichts von größerer unternehmerischer oder publizistischer Tragweite entschieden, wurde konzeptionell und personell nur geflickschustert. Eine profunde Strategie, die über das Quartalsgeschäft hinausgewiesen hätte und konsequent verfolgt worden wäre, war nicht zu erkennen. Zu beobachten war nur, dass ein qualitativ nachlassendes Produkt teurer verkauft wurde und frei werdende Stellen unbesetzt blieben.

Qualitätsjournalismus als Kernkompetenz

Jetzt also der Einschnitt. Das Echo ruft eine „neue Strategie für die Zukunft“ aus, in der Qualitätsjournalismus die Kernkompetenz sein soll. Haben die Kapitäne, die nach wie vor die Kommandobrücke besetzen, wirklich eingesehen, dass sie allein durch Sparen nicht wieder auf Kurs kommen? Haben sie verstanden, dass Sanierung nicht Beschneidung der Substanz bedeuten darf, dass Qualität kostet – und dass nicht der Journalismus in der Krise ist, sondern die Verlage?

„Das Echo wird beweglicher, flexibler und innovativer werden. Wir haben die Herausforderung angenommen, eine Zeitungsmarke in die Zukunft zu führen und wir sind bereit neue Wege zu gehen, um dieses Ziel zu erreichen“, heißt es weiter.

Dieses Versprechen geben die Echo-Entscheider der aktuellen Zäsur bei. Sie müssen nun beweisen, dass das nicht nur leere Worthülsen sind. Zukunftschancen gibt es allemal – auch im, auch durch das Internet. Denn die neue Vielfalt verlangt nach gut ausgebildeten Journalisten. Größer denn je ist der Bedarf an sauberer Recherche, am Einordnen von Nachrichten, an Hintergrund und Meinung. Darüber könnte das Echo sich gegen Angebote abheben, denen es an Substanz, eben an Qualität fehlt.

Online ist alternativlos.

Nach 15 Jahren könnte man endlich in einen eigenständigen, voll- und nutzwertigen Online-Auftritt investieren. Mag auch unklar sein, wie und wann sich damit Geld verdienen lässt, so steht doch fest: Online ist alternativlos. Vom bisherigen Beiboot zu erwarten, es könne die Mannschaft alleine aus dem schweren Fahrwasser bringen, wäre jedoch überzogen.

Der größte Trumpf des Echos aber liegt im Lokalen. Hier, wo man als Platzhirsch noch immer schwer angreifbar ist, könnte man Kräfte konzentrieren und sein publizistisches Profil wieder schärfen. Hier könnte man nah an den Lesern sein, ihre Gewohnheiten und Anregungen aufnehmen, ihnen Service bieten, sie einbinden – und binden.

Ob es so (oder so ähnlich) kommen wird, muss man bezweifeln. Vision, Wagemut und Konsequenz waren in der Holzhofallee bislang seltene Gäste. Kahlschlag fällt leichter als Erneuerung. Dabei wäre es die Mühe wert. Darmstadt und die Region brauchen eine unabhängige Tageszeitung. Und wo, wenn nicht hier – in einer der wirtschaftsstärksten Regionen Europas mit hohem Bildungsstand – muss es möglich sein, mit Qualitätsjournalismus Geld zu verdienen?

Viele Weggefährten werden schon fehlen, wenn das Echo 2015 seinen 70. Geburtstag feiert. Gut möglich, dass gerade der letzte Akt gespielt wird und bald auf dem Grabstein steht: „Viel zu früh verstorben.“ – Zuletzt stirbt die Hoffnung: Nur zu gern würden wir Leser von einem Echo überrascht, das im reifen Alter neue Wege beschreitet und durch innovative Inhalte glänzt. Vielleicht segelt ja bald die verkleinerte Echo-Crew im neuen Boot besseren Zeiten entgegen, ungläubig ausrufend: „Des hammer ja noch nie gemacht!“