Foto: Jan Ehlers
Foto: Jan Ehlers

Obdachlosen und Bedürftigen helfen in Darmstadt. Ein Leben, fern von Luxusproblemen und gesellschaftlichen Normen. Mit der Artikel-Serie „Uff de Gass“ wird ein Thema aufgegriffen, das praktisch „auf der Straße liegt“, aber oftmals übersehen wird. Augen auf, heißt die Devise! Wir möchten einen Anstoß geben, die kreativen, zuweilen wundersamen und sympathischen Menschen, die – fern von organisiertem Betteltum – in Darmstadt auf der Straße leben, stärker (und vielleicht auch wohlwollender) wahrzunehmen.

In Deutschland leben 280.000 Menschen auf der Straße, Tendenz: steigend. In Darmstadt sind es um die 200 Menschen, überwiegend Männer. „Wenn du auf der Straße lebst, sind es – noch mehr als in der bürgerlichen Gesellschaft – die kleinen Dinge im Leben, die es lebenswert machen“, erklärt Dieter Panus alias „Kona Rainbow“ oder „Rainbow Dieter“, wie er sich selbst nennt. Er tingelt zwischen Heidelberg und Darmstadt und ist ein erstaunlich kreativer Geist mit einem besonderen Talent zu malen (mehr über „Rainbow Dieter“ in der nächsten Ausgabe).

Doch wie geht ein Mensch damit um, wenn die „kleinen Dinge“ – ein gutes Gespräch, ein warmer Kaffee, ein Stück Apfelkuchen – nicht alltäglich sind? Und ihr Fehlen einerseits ein Gefühl von Leere vermittelt, andererseits die Freiheit gibt, die sich so manch Normalbürger in seinem durchgetakteten Leben zwischen Job, sozialen Medien und ständiger Erreichbarkeit naiv wünscht? Ist der Weg zurück ins bürgerliche Leben also überhaupt erstrebenswert?

Face it! Offenheit ohne Berührungsängste

Dass Menschen nicht gleich genauer hinsehen und darauf eingehen, wenn ihnen ein auf der Straße lebender Mensch begegnet und nach Kleingeld bittet, bedeutet nicht, dass es ihnen zwangsläufig egal ist. Oft liegt es darin begründet, dass sie in der Hektik des eigenen Alltags die Situation der auf der Straße lebenden Menschen nicht begreifen und sich selbst nie in solch einer Situation sehen können. Nach dem Motto: „Mir würde das nie passieren.“

Eine Frau in Darmstadt, die sich in die obdachlosen und bedürftigen Menschen in Darmstadt hineinversetzen kann, ist Tina Benz. Sie rief die Aktion „Obdachlosen und Bedürftigen helfen in Darmstadt“ ins Leben und steht seit Dezember 2013 jeden Sonntag zwischen 13 und 15 Uhr mit den weiteren ehrenamtlichen Helferinnen Annett Bauer-Kesberger, Conny Eroina, Raffaela Prencipe und Heidi Peters am Europaplatz. Dort treffen sie auf Menschen, die wenig bis nichts besitzen und sich über „die kleinen Dinge im Leben“ und die Tatsache, ganz unvoreingenommen behandelt zu werden, freuen. Das meistern die ehrenamtlichen Helferinnen ohne Scheu, aber auch mit der manchmal nötigen Distanz.

Ehrenamtliche Hilfe – fernab von Egoshooting und Selbstbereicherung

Tina Benz und ihre Helferinnen organisieren sich über die gleichnamige Facebook-Gruppe „Obdachlosen und Bedürftigen helfen in Darmstadt“. Jeden Montag wird innerhalb der Gruppe für den darauffolgenden Sonntag eine Liste mit den nötigsten Dingen zusammengestellt, die das Leben der Menschen Uff de Gass angenehmer werden lassen: Duschgel, Rasierer, ein Haarschnitt von einem ehrenamtlichen Friseur, Kleidung, Hundefutter und natürlich Lebensmittel – auch frisch gekochte Mahlzeiten. Schicksale werden thematisiert, Ideen zur Hilfestellung gebündelt und Lösungen benannt, um weitere Notwendigkeiten in die Wege zu leiten.

Der persönliche Dialog mit den Menschen vor Ort ist dafür die Voraussetzung. Eine ältere Dame freute sich einmal besonders über den Besuch eines Sohnes der Engagierten, der sie, wie sie selbst sagte, an ihre Enkelkinder erinnere. Zu diesen habe sie leider schon längere Zeit keinen Kontakt mehr. Warum, das lässt sich nur vermuten. Denn hinter all diesen Menschen stehen individuelle Lebensgeschichten und Schicksale. Ihre Geschichten erzählen wir in unseren nächsten Ausgaben.

 

Illustration: Hans-Jörg Brehm
Illustration: Hans-Jörg Brehm

Empathie gibt es nicht im App Store

Du möchtest helfen? Dann komm in die Gruppe „Obdachlosen und Bedürftigen helfen in Darmstadt“ auf Facebook und werde ein Teil der Gemeinschaft. Helfen ist kein großer Aufwand und frei von Zwang und ständiger Anwesenheit. Schon eine Kleinigkeit aus Deinem Kleiderschrank kann ein Lächeln zaubern, ein selbst gebackener Kuchen den Magen füllen und dabei viel Wärme geben. Gerade in der nun nahenden kalten Jahreszeit sind Kleiderspenden für kältere Tage immer gerne gesehen.

Was: Obdachlosen und Bedürftigen helfen in Darmstadt

Wo: Europaplatz Darmstadt am Hauptbahnhof

Wann: Jeden Sonntag von 13 bis 15 Uhr

www.facebook.com/groups/Odachlosen.helfen/

 

Betreuung von Obdachlosen in Darmstadt

In Darmstadt gibt es folgende Wohnheime für Obdachlose:

Das Wohn- und Übernachtungswohnheim der Diakonie: Das Übernachtungsheim der Diakonie Darmstadt im Zweifalltorweg 14 bietet eine 24-Stunden-Anlaufstelle für obdachlose Menschen (hauptsächlich Männer). Bereits 2001 wurde in Darmstadt ein Team geschaffen, das sich in Zusammenarbeit mit verschiedenen Einrichtungen und Verbänden um die Betreuung von Obdachlosen kümmert. Dazu gehört auch die Akutversorgung.

Das Frauenübergangswohnheim, Diakonie Darmstadt in der Otto-Röhm-Straße 26 hilft auch obdachlosen Frauen in Not.

Der Verein Horizont e. V. hat Unterbringungsmöglichkeiten in der Rheinstraße 312, in der Bismarckstraße 100 und für obdachlose Familien in der Nieder-Ramstädter-Straße 61.

Das Büro für Sozial- und Wohnberatung am Steubenplatz 2 betreut die Wohn-Container in der Gräfenhäuser Straße 157. Unter der Telefonnummer (06151) 133277 ist die Obdachlosenstelle beim Amt für Soziales und Prävention erreichbar. Außerhalb der Dienstzeiten kann man sich an das Diakonische Werk, Zweifalltorweg 14 unter (06151) 926250 wenden.

An all diese Adressen können sich auch Bürgerinnen und Bürger wenden, die den Eindruck haben, ein Obdachloser brauche Hilfe. Oder direkt an die örtliche Polizeidienststelle – in Darmstadt: das 1. Polizeirevier unter (06151) 969 3610.

Mehr Informationen zu diesem Thema erhaltet Ihr in > diesem Artikel auf unserer Website.