Illustration: Hans-Jörg Brehm

Nach der Wahl geht es für unseren Oberbürgermeister Jochen Partsch wieder ans Tagesgeschäft, um die Versäumnisse der vergangenen Legislatur aufzuholen. Zu Wünschen übrig gelassen hat da vor allem die von seiner Partei, den Grünen, stets so hochgehaltene Bürgerbeteiligung. Doch mit einem neuen Infobike soll jetzt alles besser werden.

Die Bürgerbeteiligung kommt auf dem Fahrrad angefahren. Wie auch sonst bei einer grünen Stadtregierung. Dass Darmstadt jedoch auch tiefschwarz ist, zeigte sich, als das Ordnungsamt bei der Premiere des Infobikes die – allerdings fehlende – Genehmigung sehen wollte. Diese Posse war zumindest dem Darmstädter Echo zu entnehmen. Der Autor dieser Zeilen weilte zu den beiden Inforad-Terminen Anfang Frühling leider nicht in der Stadt. Und weitere Bürgeraufsuchungen sind bislang nicht geplant, aber laut Pressestelle immerhin „möglich“. So richtig engagiert kann man diese Form der Bürgerbeteiligung nicht nennen.

Aber genug von Form, weiter zum Inhalt der Aktion. Die Stadt hat einen Ideenwettbewerb zur Verbesserung der Innenstadt ausgerufen. Das ist natürlich löblich. Und tatsächlich arbeiten bereits schon viele Akteure an diesem Ziel, ohne die Ergebnisse des Wettbewerbs abzuwarten. Wobei das Preisgericht die Gewinner auch erst im September küren soll. So haben sich die Punks in „ihrer“ Bank am Ausgang des Luisencenters zur Wilhelminenstraße schon seit geraumer Zeit fest eingerichtet und ihre Freiluft-Herberge umfänglich mit Graffiti dekoriert. Zumindest ist ihre Urheberschaft doch stark zu vermuten, da der Rest der Straße von weiteren Schmierereien weitestgehend verschont geblieben ist.

Großflächig hingegen hat die Plakatfirma Ströer ihre Dekorationsinitiative angelegt. Immerhin 37 neue Werbetafeln hat sie seit Januar in der Innenstadt aufgestellt. Ob man jetzt das kapitalistische oder das anarchistische Mitteilungsbedürfnis mehr verurteilen möchte, darf jeder für sich selbst entscheiden. Wirklich sympathisch ist keines von beiden. Die Punks und ihre Ausdrucksmittel aus dem Stadtbild zu entfernen, ist im Sinne einer lebendigen und vielfältigen Zivilgesellschaft beim Ideenwettbewerb allerdings auch nicht vorzuschlagen. Und dass die Stadt die Werbetafeln auf Bürgerwunsch wieder abmontiert, ist allein deshalb schon aussichtslos, da der Vertrag mit Ströer bis 2028 läuft. Außerdem handelt es sich nach Auskunft der Pressestelle zum Teil auch um Stadtinformationsanlagen, die „zahlreichen Besucheranfragen“ folgend mit einem Stadtplan ausgestattet sind.

Der hässliche Stiefbruder der Bürgerbeteiligung ist übrigens die Bürgerinitiative. Sie folgt traditionell auf Versäumnisse bei der Bürgerbeteiligung. In Darmstadt allerdings wird mittlerweile grundsätzlich jedes Bauprojekt, mag es noch so sinnvoll und notwendig sein, von einer bürgerlichen Interessengemeinschaft begleitet. Das ist grundsätzlich zu begrüßen, wenn auch mancher Fundamentalopposition nur mit Kopfschütteln begegnet werden kann. So behaupten einige Gegner der geplanten Lichtwiesenbahn nicht nur irreführend, sie seien Anwohner, wobei an dem wenige hundert Meter langen Streifen einer Hundekot-Wiese, über den die Bahn führen soll, gar niemand wohnt. Die Kritiker versteigen sich überdies auch noch in so weltfremde Argumente wie, dass die Bahn einen Großteil des Jahres, nämlich den Semesterferien, ja gar nicht gebraucht werde. Nun muss man ja nicht Student sein, um zu wissen, dass Semesterferien schon seit vielen Jahren nur noch auf dem Papier existieren. Auch Anwohner sollten den ganzjährigen Betrieb an der Lichtwiese eigentlich mitbekommen.

Unmut regt sich auch an der Frankfurter Straße, die nicht nur bei Merck, sondern bald auch stadteinwärts zwischen Rhönring und Willy-Brandt-Platz aufwändig kanalsaniert und umgestaltet wird. Die jüngst gegründete „Interessengemeinschaft Frankfurter Straße“ blickt den Plänen für den Umbau von 2020 bis 2024 jedenfalls skeptisch entgegen. Und tatsächlich birgt das Unterfangen einiges Konfliktpotential. Immerhin müssen auf wenigen Metern Straßenbreite zwei Bahngleise, Fahrrad- und Fußgängerwege sowie Parkplätze (die in Zukunft auch noch richtig Geld kosten sollen) untergebracht werden. Wenn dann auch noch Bäume gefällt werden müssen, ist die Familienpackung für Wutbürger natürlich voll.

Die Interessengemeinschaft verhält sich noch zurückhaltend und scheint zuversichtlich, bei der Stadt mit ihren Anliegen Gehör zu finden. Ob die grün-schwarze Stadtführung die Chance nutzt, die Gemüter der Anwohner zu beruhigen, manche sinnvolle Anregungen in die Pläne aufnimmt und die unlösbaren Probleme verständlich erklärt, wird sich zeigen. Die Anfrage des P-Magazin zu den geplanten Baumaßnahmen ließ die städtische Pressestelle jedenfalls unbeantwortet.

 

Lokalpolitik-Kolumne im P

Sebastian Weissgerber hat bis 2009 für die Frankfurter Rundschau aus dem Darmstädter Stadtparlament berichtet. Im P schreibt er seit Februar 2017 als „Vierte Säule“ über die hiesige Politik.