döner
Illustration: Lisa Zeißler

Als mich mein in der Metropole Istanbul lebender Cousin Emre vor einiger Zeit im beschaulichen Darmstadt besuchte, erstaunten ihn nicht nur die nahezu menschenleeren Straßen nachts, sondern auch eine kulinarische Spezialität: der deutsche Döner – mit Knoblauchsoße! So etwas hatte er noch nie gesehen, geschweige denn gegessen.

Die Soße im Kebab-Fladen war nicht die einzige Überraschung. Auch Zwiebeln packt kein „Usta“ (Meister) in der Türkei in den Döner zum Mitnehmen. Und niemals würde er das Fleisch mit einem elektrischen Schneidegerät vom Drehspieß schaben. „Hey, willst Du meine Döner-Usta-Ehre beleidigen, oder was?“

Döner filetiert man mit einem Langmesser – schwertgleich und mit konzentriertem, stolzem Blick – feine Scheibe für Scheibe vom sich drehenden (übersetzt: „döner“) Spieß. Alle paar Minuten wird das Messer lässig-gekonnt – und natürlich eigenhändig – nachgeschliffen. Der echte Döner-Meister trägt immer eine weiße Schürze und ein weißes Schiffchen auf dem Haupt. Er sieht und versteht sich als Koch. Und einen guten Döner im selbst gebackenen (!) Fladen zubereiten kann ohnehin nicht jeder. Das ist hohe Kunst.

Der türkische Döner to go heißt „ekmek arasi döner“, wörtlich übersetzt: „Döner zwischen Brot“. Ergänzend gibt es unzählige Döner-Variationen für Auf-den-Teller, mit Auberginenpüree und Bulgur-Reis beispielsweise oder heißer Tomatensoße und kaltem Joghurt oder … oder … Der Mitnehm-Döner à la Turka, um den es hier ja in erster Linie geht, besticht – im Gegensatz zu seinem deutschen Pendant – durch eine nonchalante Anti-Schnickschnack-Haltung: mageres Dönerfleisch, zumeist Lamm mit ein wenig Hammel, köstlich nach saftigem Fleisch und wenig beigemengter Würze schmeckend. Dazu ein bisschen Kraut, eingelegte, leicht säuerliche Gurkenscheiben, eine Tomatenscheibe und – nicht zu vergessen – drei, vier Pommes-Stifte (!) im nur handtellergroßen Fladen-Paket. Ein bisschen „pul biber“ (getrocknete Paprikaflocken alias „Scharf“) darüber gestreut – das war‘s. „Afiyet olsun“ – guten Appetit!

Im Vergleich dazu kommt der deutsche Döner – mit tendenziell fettigem, völlig überwürztem Fleisch plus Knofi-Mayo-Soße obendrauf – einer Bratwurst mit Remoulade gleich. Figurbewusste Türkinnen schwören übrigens auf die (auch hierzulande immer beliebtere) Döner-Variante mit Hähnchenfleisch. Aber die Lamm-mit-einem- Hauch-Hammel-Fraktion hat in der Türkei nach wie vor die absolute Mehrheit. Und das wird auch noch lange so bleiben. Fazit: Wenn Ihr demnächst an einer der bundesweit etwa 15.000 Dönerbuden „einmal mit viel Scharf und viel Soße“ bestellt, freut Euch gerne weiterhin an der gewohnten Rindfleisch-Knoblauch-Zwiebel-Geschmacksexplosion in Eurem Mund. Glaubt aber nicht, dass Ihr da gerade eine türkische Spezialität oder einen „Kultur-Snack“ verspeist. Es ist und bleibt ein an den deutschen Durchschnitts-Gaumen angepasstes Plagiat!

Mit scharf!

Dieser Artikel wurde von P-Grafikerin Lisa Zeißler gestaltet. Er ist Teil ihrer Diplomarbeit „Mit scharf – Magazin für Dönerkultur“, einer 80 Seiten starken Liebeserklärung ans Drehspieß-Sandwich mit wissenschaftlicher Dönerbestandsanalyse, Dönerballerina- Fotostrecke, Döner-Typ-Test und einer Anleitung zum fachgerechten Dönerverzehr. „Mit scharf“ ist in sechs Monaten harter wie liebevoller Arbeit entstanden. Die gedruckte Auflage bislang: zwei Exemplare. Dabei gehört das Teil an allen 15.000 bundesrepublikanischen Dönerbuden ausgelegt. Lisa hat an der FH Mainz Kommunikationsdesign studiert und ist nun Diplom Designerin. Die 27-jährige Darmstädterin isst selbst kein Fleisch, fand es aber an der Zeit, „dem Döner als Kultspeise und Integrationsprodukt mal eine angemessene Plattform zu geben.“ Ist gelungen! Mehr Infos und das Magazin als pdf unter www.mit-scharf.com