Sandip_Shah
Foto: Jan Ehlers

Wohnzimmer ist der zentrale Raum in jeder Wohnung. Hier sitzt man zusammen mit Familie oder Freunden, schaut fern oder entspannt allein nach einem beschwer-lichen Arbeitstag. Die meisten fühlen sich dabei am wohlsten, wenn sie die Vorhänge zuziehen können und unbeobachtet sind. Doch bei Sandip Shah ist das anders: Sein Wohnzimmer ist nicht durch die eigenen vier Wände von der Außenwelt getrennt. Die vierte Wand ist bei ihm ein großes Schaufenster aus Glas und somit ist sein Wohnzimmer für jeden, der durch das Martinsviertel flaniert, einsehbar.

Seit April 2002 wohnt der 35-jährige Künstler halböffentlich in der bewohnten Kunstinstallation“, kurz „bKi“, in der Lauteschlägerstraße 5a. Die Idee zu diesem außergewöhnlichem Projekt kam dem Absolventen der Frankfurter Städelschule beim Anblick des Raums. Ein Jahr dauerte es, bis er seine neue Wohnung, einen ehemaligen Copyshop, beziehen konnte. In dieser Zeit entwickelte er das Projekt „bewohnte Kunst Installation“, das er selbst als sein „Versuchslabor“ bezeichnet. Als Gegenpol zur Abgeschiedenheit und Intimität eines Ateliers im Hinterhof ist dieser Raum ein öffentlicher Platz. „Man gewöhnt sich an die Beobachtung“, bekennt er.

Doch auch neben Sandip Shahs Alltag gibt es viel zu entdecken in der „bKi“. Denn anders als beim typisch deutschen Wohnzimmer, für das eine gediegene Couchgarnitur plus Tisch, Schrankwand und Fernseher essenziell sind, verändert sich sein Mobiliar alle paar Monate: Bei ihm zuhause wird auch ausgestellt. Die Kunst steht hier anders als im Museum oder in einer Galerie immer im Kontext des Raums. Unter dem Projektnamen „Wohnzimmer“ und „Salon“ stellte Sandip Shah eigene Malereien aus. Im „Kinderzimmer“ waren die Werke der Künstlerinnen (und Mütter) Dorothea Bido und Ute Döring, umgeben von allerlei Spielzeug, zu sehen. Danach wurde der Raum zum „Esszimmer“, mit Fotografien der kulinarischen Werke verschiedener Künstler und einem Esstisch in der Mitte des Raums. Für das Projekt „Lesezimmer“ wurde er mit Regalen, Sesseln und Büchern ausgestattet, dazwischen fanden literaturbezogene Kunstwerke von Paul-Hermann Gruner und Hannes Pohle Platz. Und wenn sich Besuch von außerhalb ankündigt, wird das Wohnzimmer mit Bett und Schrank kurzerhand zum „Gästezimmer“. So bezog das Künstlerpaar Bea Emsbach und Edwin Schäfer gemeinsam mit ihren Zeichnungen für acht Tage die „bKi“.

Doch nach welchen Kriterien werden die Ausstellenden, mit deren Arbeit Sandip Shah leben muss, ausgewählt? „Ich muss ihre Kunst ‚aushalten’ und sie muss mir eine anhaltende Auseinandersetzung wert sein“, erklärt der Bewohner und schränkt so den Kreis der in Frage kommenden Künstler ganz subjektiv ein.

Besucher können der Kunst in der „bKi“ jeden Sonntag von 14.00 bis 17.00 Uhr etwas näher kommen. Und so auch mal Beobachter und zugleich Beobachteter sein noch bis Ende Mai in einem „Jagdzimmer“: Im Schein des flackernden TV-Kamins stellt die Frankfurterin Eva Schwab zwischen Geweihen und einem Bärenfell nostalgische Acrylarbeiten auf wachsgetränkten Leinwänden aus. Inspiriert durch Fotografien aus ihrer Kindheit entdeckt sie malerisch ihre Vergangenheit neu. Nach dieser Ausstellung ist das Projekt „Sicherheitsbüro“ mit Sandip Shahs eigener Malerei und Videoinstallationen geplant.

Im Anschluss ziehen die Frankfurter Künstler Florian Heincke und Dennis Alt in ein neues „Gästezimmer“ ein. Wie das dann eingerichtet sein wird, ist noch unklar. Man darf gespannt sein.

www.bewohntekunstinstallation.de