Fragvicky
Foto: Jan Ehlers

Diesen Monat möchte ich die Erstsemester mit einem großen „hooooray“ begrüßen und ihnen ein paar sehr subjektive Eindrücke über die Technische Universität zu Darmstadt mit auf den Weg geben.

Phylis H. aus W. möchte wissen: „Liebe Vicky, ich bin Ersti und somit neu hier. Was kannst Du über die TU sagen?“

Willkommen in der Metropole am Darmbach und gleichzeitig mein herzlichstes Beileid. Dir stand die Welt offen und Du hast Dich für Darmstadt entschieden. Ich selbst verweile nun schon seit gefühlten tausend Semestern an der Technischen Universität Darmstadt und stehe auch heute noch vor scheinbar unlösbaren Problemen. Es ist schwierig, an dieser Stelle etwas Zusammenfassendes sagen zu können, teilt sich die Uni doch schwerpunktmäßig und architektonisch in mehrere Bereiche. Ich hoffe, liebe Phylis, Du hast Dich für einen technischen Studiengang eingeschrieben – alles andere gewährt Dir keine sonderlich rosige Zukunft. Und damit meine ich nicht die Chancen auf dem Arbeitsmarkt nach Beendigung des Studiums. Aber das sind Dinge, die Dir in den nicht-technischen Fächern schon zu Beginn des Studiums unverblümt vermittelt werden, einige Studiengänge (ich möchte keine Namen nennen) werden gar als „Taxifahrologie“ tituliert.

Obwohl es fast so viele Geistes- und Gesellschaftswissenschaftler wie Maschinenbauer an der TUD gibt, sind Erstere eher die Aussätzigen an der Uni. Vor allem beim Schlemmen in der Mensa, wo sich Studierende aller Fachbereiche vereinen, wird einem die eigene Außenseiter-Rolle schmerzlich bewusst. Häufig hat man das Gefühl, am Nachbartisch wird klingonisch gesprochen. Auch unter den Aussätzigen gehört unser Institut nochmals zu den Outsidern und bekommt vom Drittmittelregen nicht viel ab. Ich glaube, die Pädagogen hat es aber fast genau so schlimm erwischt, sollte ihr Institut doch vor kurzem ganz geschlossen werden – so wie die Anglistik dieses Semester.

Schon die Begrüßung an der Uni fällt ganz unterschiedlich aus. Sieht man zu Beginn des Semesters rudelweise Maschinenbauer, Elektrotechniker und Konsorten, die sich vor allem durch ihren Einheitslook als solche zu erkennen geben und dann grüppchenweise durch die Stadt pilgern, um schon den Beginn des Studiums ordentlich zu begießen. Der Start derjenigen, die eine Führung und den dazugehörigen Kapuzenpullover nicht durch Drittmittel gesponsert bekommen, fällt da eher holprig aus. Zu erkennen sind diejenigen meist am verunsicherten Gang und einem Lageplan der Uni in der Hand. Zugegeben, Orientierungsschwierigkeiten an Hochschulen sind wohl ein internationales Problem und erste Hürde für den gemeinen Erstsemester. Zumal man an dieser Stelle die Orientierungshilfen der TU wirklich mal loben kann und muss, hat doch jedes Gebäude eine große Nummer zur Identifikation des Selbigen. Lobenswert sind allerdings nur die Nummern und nicht die Gebäude selbst.

Darmstadts architektonische Meisterleistungen waren ja schon öfter Thema in dieser Kolumne, die TU-Stadtmitte kann mit anderen architektonischen Ausfallerscheinungen Darmstadts locker mithalten. Ein lustiges Sammelsurium an verschiedensten Baustilen der letzten 150 Jahre ermöglicht Architekturstudenten das Studium „am lebenden Objekt“. Ein weiteres Potpourri an architektonischen Stilelementen findet sich einige Schritte weiter am Schloss (siehe Ausgabe 42). Blickfang ist auch das alte Hauptgebäude und vor allem das an das Hauptgebäude drangeklatsche Etwas (an der dem Herrngarten zugewandten Seite). Verfügt das alte Hauptgebäude nur über drei Etagen, hat der Nachkriegs-Charme versprühende Neubau vier Etagen. Und somit kommt es im Gebäudeinneren durch Zwischen- und Halb-Etagen oft zu Verwirrungen.

Die Goldene Himbeere im Bereich Architektur geht allerdings an die neuen Hörsäle im „Karo 5“. Es scheint plausibel, dass die Aufmerksamkeit der Studierenden erhöht wird, wenn es zu keinerlei Ablenkungen von außen kommt, aber deshalb gleich Lernbunker einrichten? Tageslicht und Frischluftzufuhr sollen ja bekanntlich gut fürs Hirn sein. Frischluft gibt es aber seit einigen Jahren auch in dem befensterten Teil der Uni nur selten – zumindest, wenn einem die Ehre zuteil wird, Kurse im alten Hauptgebäude zur vermeidlich ruhigen Hofseite zu besuchen. Dafür werden die Vorlesungen mit Gesangseinlagen der Bauarbeiter erst richtig interessant.

Summa summarum kann man sagen: Schlimmer geht immer. Doch Dir wird sicher als Ziel klar werden: Schnell Studium abschließen und weg! Vielleicht dienen Lernbunker, ungenießbares Essen und ständger Baulärm gezielt der schnellstmöglichen Absolvierung des Studiums – und gehören somit zu den Bologna-Reformen.

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