Foto: Laura Morche
Foto: Laura Morche

Als „Ozean des Elends“ beschrieb der „Spiegel“ die neue Staffel von Bohlens „DSDS“. Eine gesunde Skepsis ist immer angebracht, wenn es um das große Pop-Business geht. Entertainment ist das Schlagwort, Musik spielt meist nur am Rande eine Rolle. Es geht um Einschaltquoten, Werbeplatzierungen, Verkaufserlöse. Und um selbstverliebte Selbstdarsteller – unter den Juroren oft mehr als unter den Kandidaten. Es werden Illusionen verkauft, keine Realität. Die meisten Zuschauer wissen das – und wollen es gar nicht anders. Also brauchen wir hier nicht länger zu moralisieren, was auf Dauer eh langweilt. Manchmal findet sich ja wirklich ein Talent – und noch besser: ein glaubwürdigeres Show-Konzept. Wie im Falle der TV-Sendung „Dein Song“, an deren Produktion maßgeblich Darmstädter und Exil-Darmstädter beteiligt sind.

Die Gewinnerin der letzten Staffel von „Dein Song“, Sarah Pisek mit „Endlich frei“, sorgte mit ihrer Bambi-Auszeichnung und dem Auftritt bei Hape Kerkelings „Menschen 2011“ für Aufsehen. Auch Kritiker zeigten sich angetan – von Pisek sowie vom andersartigen Konzept der Casting-Show. „Dein Song“ wird seit dem Jahr 2008 auf „Kika“ ausgestrahlt, dem gemeinsamen Kinderkanal von ARD und ZDF. „Beratung statt persönlicher Kritik, Betreuung statt schadenfreudigem Voyeurismus“, lobte der Weser-Kurier die dritte Staffel. Im März startet die vierte.

Mit steinalten 42 Jahren und ersten grauen Haaren sieht sich der P-Redakteur weit jenseits der Zielgruppe von Kika. Also kurzerhand P-Schülerpraktikantin Jackie Benn (15 Jahre), die sich nur kurz mit einem „In meinem Alter ist Kika eigentlich schon uncool“ wehrt, ins Auto verfrachtet – und ab zum Interview. Wir treffen auf angenehm entspannte Gesprächspartner:
1.) Alfred Bayer – wohnhaft in Darmstadt und Geschäftsführer der renommierten Fernseh-Produktionsfirma „bsb“. Er hat die Show „Dein Song“ miterdacht und entscheidend konzipiert.
2.) Christoph Paulssen – Musiker und mit Anke Schimpf Geschäftsführer der Darmstädter Produktionsfirma Christine Musics – ist mitverantwortlich für die musikalische Produktion der Show.
Und 3.) Ellya Franz, bei Christine Musics für Kommunikation und Organisation zuständig.

Paten für die jungen Songschreiber

„Unsere Show ist kein reiner Gesangs-Wettbewerb“, weist uns Bayer gleich zu Anfang lächelnd zurecht, ‚Dein Song‘ ist ein Songschreiber-Wettbewerb, es geht also genauso um die Komposition, das Arrangement und die Produktion. Und damit sind wir meines Erachtens weltweit einzigartig.“ Die Teilnehmer – in der neuen Staffel zwischen elf und 18 Jahre alt – sind teilweise weit jünger als sonst üblich. Jedem Kandidaten steht ein musikalischer Pate beiseite – und diese Auswahl war in den letzten Jahren mehr als prominent besetzt: Nena, David Garrett, Klaus Doldinger, Samy Deluxe, Boss Hoss, Roger Cicero, Stanfour, Wolfgang Niedecken, DJ Ötzi, Culcha Candela und ein Dutzend weitere. Sicher genügen nicht alle beteiligte Paten den Qualitätsansprüchen der allesbesserwissenden P-Redaktion, aber die Auswahl ist breit über mehrere Genres gefächert und offenbart dadurch deutlich mehr Offenheit und Gespür für die Belange der Kandidaten. „Es ist aber nicht ganz einfach, jeweils die gewünschten Paten zu bekommen. Da haben Managements Bedenken und es gibt seltsame Sonderwünsche“, sagt Bayer. Aber seit dem Erfolg von Sarah Pisek und ihrem Paten, dem „Grafen“ von Unheilig, sei es einfacher geworden.

Mit dem Darmstädter TV-Regisseur Volker Weicker, der schon bei Kanzlerduellen, Klitschko-Boxkämpfen, WM-Endspielen und DSDS-Shows Regie führte, haben die Macher der Sendung einen weiteren gut vernetzten Protagonisten an der Hand. „Wir waren früher gemeinsam im Skiclub Darmstadt-Odenwald“, schmunzelt Bayer, „Weicker verlor eine Wette gegen mich, dass ich nicht genügend Paten für die erste Show bekäme. Dafür muss oder darf er jetzt Regie bei unseren Finals führen.“

Nach einer Vorauswahl aus zuletzt über 2.000 Teilnehmern gelangen zehn Kandidaten in das Komponisten-Camp auf Ibiza und letztlich acht in das Staffel-Finale, das per Telefon-Voting entschieden wird. „Es ist wunderbar zu sehen, wie sich dort Kandidaten und deren Kompositionen entwickeln. Teilweise sind wir wirklich überrascht“, meint Paulssen, der sich zusammen mit Bayer sehr für die Sichtweise von P-Praktikantin Jackie interessiert. Prompt folgen Einladungen an sie zu einer Redaktionskonferenz beim ZDF, einer Vorabbeurteilung des neu produzierten Songs von Sarah Pisek mit Andreas Bourani und einem Besuch beim Staffel-Finale. Die begeisterte Jackie zeigt sich jetzt gar nicht mehr abgeschreckt vom mangelnden „Coolness“-Faktor des Senders Kika. „Wir haben das als Familien-Show konzipiert, was ja auch durch die Auswahl der Paten belegt wird. Da kann man auch gern Kika einschalten“, wirbt Bayer.

Vielleicht wäre es für das ZDF ja an der Zeit, ein nicht nur in Kritikerkreisen angesehenes Show-Konzept mal in den Hauptsender zu verlegen? Bis dahin suche ich schon mal Kika auf meiner Fernbedienung.

 

www.deinsong.kika.de