Earlstreet 1
Foto: Earlstreet

Aufregende, nützliche oder schöne neue Produkte haben einen weiten Weg von der Idee bis in den Laden hinter sich. Wir kennen alle die Bionade-Story mit jahrelangen Rückschlägen, Beinahe-Pleite und ergebnislosem Klinkenputzen bei Getränkekonzernen. Und auch wer nicht vorhat, einen ganzen Industriezweig zu revolutionieren, sondern lediglich seinen kreativen Beitrag zu einem besseren Leben unters Volk zu bringen, hat viel Zeit und Geld investiert, bis das erste Exemplar des Produkts den letzten Feinschliff auf der Werkbank hinter sich hat. Und dann steht es da im Raum, zusammen mit der bangen Frage, ob nicht irgendwo auf der Erde jemand gerade die gleiche Idee hat.

In Darmstadt kann jetzt jeder ohne große Marketing-Offensive seine Kreation einem breiten Publikum präsentieren. Feedback einholen, Entwicklungskosten einspielen und vor allem einen Gebrauchsmusterschutz durch zeitlich dokumentierte Veröffentlichung erreichen. Und dann haben es Produktpiraten schwer!

Neue Ideen braucht die Stadt!

Das Earlstreet in der Grafenstraße 35 war bis zum vergangenen Monat ein leerstehender Klamottenladen, sehr gute und sehr teure Lage, eine weitere Zahnlücke in der von Leerständen und Billigläden leider immer noch gezeichneten Fratze unserer Innenstadt. Seit Ende des Umbaus im September können dort alle Menschen ihre in Produktform greifbaren Ideen in einem Rahmen präsentieren, den sich sonst keiner von ihnen leisten könnte. Dank der Zusammenarbeit des Rutan Studio for Design mit dem Immobilienunternehmer Dirk Baumüller, der die Räumlichkeiten mietfrei zur Verfügung stellt, sind alle neuen Produkte dem Publikum an prominenter Stelle zugänglich. Damit der Laden spannend bleibt, beschränkt sich die Verweildauer jedes einzelnen Produkts, angelehnt an die Adresse, auf  35 Tage. Produkt-Wechsel-Tag ist Dienstag.

Die einzige Gegenleistung, die von den Ausstellenden erwartet wird, ist die wechselweise Betreuung des Ladenverkaufs täglich von circa 10 Uhr bis 20 Uhr. Was den Vorteil hat, dass man als Kunde immer direkt mit dem Hersteller sprechen, sich Details erklären lassen und Hintergrundwissen wie Entstehungsgeschichte oder Produktionsweise erfahren kann.

Bei Redaktionsschluss stellten acht Leute aus gestalterischen Berufen, vier von ihnen Absolventen einer Darmstädter Hochschule, ihre innovativen Ideen zum Verkauf. Von aus Beton gegossenen Gebrauchsgegenständen über T-Shirt-Unikate bis zum Bio-Energydrink – alles geht, Hauptsache anders und neu. Johannes Gonné, Diplom-Designer und bis 2008 Student für Industriedesign an der Hochschule Darmstadt, sieht sein Engagement als „Arbeit an der Schnittstelle zwischen Kunst und Produkt“. Er präsentiert zwei aus der Arbeit seines Büros „parasiten“ entstandene Ideen im Laden. Das Kruzifix mit eingebautem Uhrwerk zeigt den Sinn einer parasitären Zusammenarbeit zweier Systeme zum gegenseitigen Nutzen, und auch die in Kunstharz Schmuckringe eingegossenen Haarsträhnen verbinden Materialmix mit Bedeutungsvielfalt: Man kann nämlich sowohl die Haare eines geliebten Menschen zu Erinnerungszwecken bei sich tragen – oder auch die eigene DNA zum Zweck der späteren Wiederherstellung konservieren.

Neue Verkaufsobjekte sind jederzeit willkommen, einfach im Laden reinschauen oder im Internet unter www.earlstreet.org Kontakt aufnehmen, dort findet man auch alle Produkte mit der Anzeige der jeweiligen Restverkaufsdauer.

 

Update: Das Earlstreet ist mittlerweile in die Pallaswiesenstraße 25 in Darmstadt umgezogen. Außerdem betreibt man die Dauer-Schaufenster-Galerie „Earlstreet 5“ in der Schulstraße 5.