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Illustration: Hans-Jörg Brehm

Als ständige Begleiter der Kultur dieser Stadt müssen wir etwas ernüchtert feststellen: Das Darmstädter Nachtleben befindet sich derzeit in einer mittelschweren Krise. Oder positiv gedeutet: in einer selbstregulativen Umbruchphase, aus der auch Neues hervorgehen kann.

Verlässliche Konstanten wie Goldene Krone, der Schlosskeller oder die wieder recht aktive Oetinger Villa täuschen nicht darüber hinweg, dass es in der Clubkultur dieser Stadt zunehmend an Vielfalt und überregionaler Strahlkraft (wie noch im vergangenen Jahrzehnt) mangelt. Mit den teils sehr guten, aber ewig gleichen lokalen DJs schmort man im eigenen Saft. Es mangelt an Befruchtung von außerhalb, um nicht endgültig provinziell zu versinken. Kleinst-Clubs, Off-Locations und spontane „Pop up“-Partys deuten die kreative Kraft an, die in der Szene herrscht und vom dürstenden Publikum dankbar goutiert wird.

Das offizielle Nachtleben dümpelt aber ohne große Überraschungsmomente vor sich hin … oder schließt gar die Pforten (Magenta, 603qm, Nachtcafé, Kingz Club), da die Rahmenbedingungen zunehmend schwieriger werden: steigende Kosten, neue Gema-Gebühren, vermehrte Lärmbeschwerden und kaum noch sinnvoll realisierbare Auflagen von Seiten des Ordnungsamtes. Dabei wäre eine aktive und attraktive Clubkultur auch ein wichtiger Standortfaktor für unsere Universitätsstadt. Aber auch ein verändertes und vermindertes „Ausgeh“-Verhalten des großen Studenten-Anteils ist spürbar, was vielleicht an den verschärften Studienbedingungen liegt. Eine Krise bedeutet jedoch auch Chancen – für neue Ideen, Konzepte und Orte. Ein Club-Update zum Wohl und Wehe des Nachtlebens.

 

DAS BLUMEN

Das Orga-Team des „Blumen“ blickt auf eine erfolgreiche Sommersaison zurück – und sucht gleichzeitig nach einer neuen Bleibe.

Durch teilweise altersbedingte Wechsel innerhalb der Gruppe habe sich das Team wie auch das ganze Konzept insgesamt verjüngt, so die neuen Macher. So hielt frischer Wind für neue Ideen und Veranstaltungen Einzug [wir haben in unserer April-Ausgabe 2013 berichtet]. „Es lief besser denn je! Vieles Bewährte wurde aufgewertet – und Neues kam hinzu“, berichtet Florian Huber, der zum alten und auch zum neuen Orga-Team des „Blumen“ zählt. Neue Studenten, insbesondere aus dem Designbereich, seien zum Team gestoßen, was „wirklich eine gute Mischung ergab“.

Auch die neuen Öffnungszeiten kämen gut bei den Gästen an: „Dienstags ist das Blumen mittlerweile wirklich gut besucht. Wir haben uns dahingehend etabliert“, schildert Florian. Es gab diverse Ausstellungen und Veranstaltungen, etliche mehr seien geplant, darunter Improtheater-Abende und eine Wiederholung der Freestyle-Battle-Nacht. Zwei Highlights des Sommers waren sicherlich die Aufführung des „Ungesehen Theater“ aus Bulgarien – einem Ensemble, bestehend aus blinden Darstellern – und die Eroberung der Plattenteller durch das Robert Johnson.

Umso überraschender und schmerzlicher ist da die Neuigkeit, dass „Das Blumen“ wohl bald umziehen muss. Weil auf dem jetzigen Areal neue Mehrfamilienhäuser gebaut werden sollen (der Bauantrag laufe aktuell noch), müsse schleunigst eine neue Location gefunden werden. „Vermutlich müssen wir gegen Ende November raus, vielleicht wird es auch Dezember. Aber wir freuen uns über jeden Hinweis und jede Hilfe bei der Suche nach einer neuen, passenden Location. Schließlich haben wir noch viel vor“, erklärt Florian mit positivem Blick auf die kommenden Monate. Wer Ideen hat, bitte melden: info@dasblumen.de

 

DAS STEINBRUCH-THEATER

Am Rande Darmstadts gelegen, ähnlich wie die Krone über 30 Jahre auf dem Buckel und schon manch Durststrecke gemeistert: Das Steinbruch-Theater wagt ab Oktober einen Relaunch seines Programms.

„Geändertes Ausgehverhalten hat uns bewogen, alles zu überdenken“, sagt der ehemalige Steinbruch-DJ Dennis Duchow, der nach langjähriger Abstinenz als Programm-Gestalter quasi reaktiviert wurde. „In den alten ‚Bruch‘-Zeiten waren wir musikalisch bunter aufgestellt. Daran orientieren wir uns.“ Das werde insbesondere die meisten Wochenendtage betreffen, es solle aber nicht „back to the roots“ gehen, eher „zurück zu Neuem“. Die freitägliche Veranstaltung „Time Warp“ bleibt, die zuletzt etwas glanzlose „Underground Evolution“ fällt weg, dafür wird zum Beispiel samstags die neue Reihe „Circus“ mit wechselnden Themen platziert. Die traditionellen Schwerpunkte Metal, Hardrock und Dark Wave werde es weiterhin geben, allerdings sollen Indie, Alternative, Punk und 80er-Musik das Spektrum deutlich erweitern. Und für zwei Samstage im Monat können die Besucher vorab auf Facebook das „DJ-Paket“ bestimmen. Spezielle Abende für Skater (mit aufgebauter Halfpipe) sowie der Versuch, donnerstags eine Art „Kneipenabend“ zu etablieren, runden den Relaunch ab. „Konzerte wie zuletzt Sepultura wird es aber natürlich weiter geben“, so Duchow abschließend.

 

DER PONYHOF

Die Pferdchen ins Trockene gebracht. Bereits im Februar dieses Jahres bezog der „Ponyhof“ neue Räumlichkeiten in der Mainzer Straße [wir haben in unserer April-Ausgabe 2013 berichtet] – und man blickte gespannt auf den ersten Sommer in der neuen Location. Nach einigen heißen Tagen und Nächten kann das Ponyhof-Team nun sagen: Umzug geglückt!

„Wir sind super zufrieden, wie alles gelaufen ist“, erklärt Alex Kloss, einer der beiden Geschäftsführer des Ponyhofs. Auch wenn es im Hochsommer schwieriger sei, die Leute in die Clubs zu bekommen, sei man hier besonders mit der „Kaminzimmer“-Serie sehr gut aufgestellt gewesen. „Zudem hatten wir bei den beiden ‚Seepferdchen‘-Open-Air-Partys im Anglerpark Weiterstadt richtig Glück mit dem Wetter. Das waren unsere definitiven Highlights des Sommers, und da werden im nächsten Jahr auch noch ein paar Paukenschläge kommen“, resümiert Alex. Ein bisschen Pech habe man wetterbedingt bei der Veranstaltung „Es geschieht am hellichten Tag“ am Oberwaldhaus gehabt, was den Rückblick insgesamt aber nicht trüben könne.

In den nächsten Wochen stehe auch bereits wieder Einiges an, so zum Beispiel eine „Privataudienz“ mit Tiefschwarz und Oliver Schories, sagt Alex. Die Ponyhof-Macher scheinen also den nächsten Schritt zu wagen und deutlich namhaftere Bookings ins Programm zu nehmen. Durchaus riskant, aber im Erfolgsfalle umso attraktiver für Darmstadt.

 

WEITERE NEWS

Das Magenta schloss für viele sehr überraschend im Juli seine Pforten. „Die recht plötzliche Schließung war ein längerer Prozess, der natürlich im Hintergrund ablief und im Endeffekt auf das Desinteresse der Besucher und das daraus entstehende Desinteresse meinerseits zurückzuführen ist“, erklärt Programmgestalter Steffen Kunz (DJ Steff). Sein ernüchterndes Resümee aus der Magenta-Zeit lautet: „Aus Fehlern lernt man.“ Das lässt einiges an Fragen offen und ist schade, da das Magenta konzeptuell und atmosphärisch mehr Erfolg verdient gehabt hätte.

Die Probleme der Centralstation werden mittlerweile öffentlich diskutiert und die Geschäftsführung kritisiert. Bei der Frage nach bugdet-deckenden Zuschüssen stellt sich aber vielmehr auch die Frage, welches inhaltliche Programm künftig geboten werden kann [siehe unsere Blackbox vom Juli/August 2011].

Das mittlerweile im Elektroniksektor gut etablierte – und oft gut besuchte – Level 6 (Kasinostraße 60) kämpft derweil mit vermehrten Lärmbeschwerden von Anwohnern. Daher befinde man sich in intensiven Gespräche, wolle aber noch nichts verlautbaren, um die Verhandlungen nicht zu stören. Hoffen wir mal, dass wenigstens dieser Club Darmstadt erhalten bleibt. Sobald etwas konkret wird, werden wir im P darüber berichten.

Das Sumpf – nur ein paar Meter weiter, in der Kasinostraße 105 – darf aufgrund von Lärmbeschwerden seit dem Frühjahr keine DJ-Nächte (zum Beispiel Topshake) mehr veranstalten. Auf der Webseite des Nachtcafé im Carree heißt es: „vorübergehend geschlossen“. Aus dem Kingz Club (ehemals: „Neutral“) in der Holzstraße 7 gibt es seit Monaten kein Lebenszeichen mehr. Der Nice People Club in der Eissporthalle erklärt am Telefon knapp, es liefe nicht gut, man müsse alles überdenken. Und für das weiterhin geschlossene Plan B im Viva El Sol (ehemals: „Waben“) fehlt anscheinend noch Plan A.

Nur die Mullbinde hat wieder auf: Nach mehrwöchiger Karibik-Tour, bei der die Einnahmen versoffen wurden, geht der Wahnsinn im verstecktesten Club Darmstadts weiter. Angeblich jetzt mit Indoor-Swimming-Pool und einmal im Monat Nackttanzen. Wir haben ein bisschen Angst davor.