Kiosk-Kultur_P7_Sept2008
Foto: Linda Breidert


Wann warst Du eigentlich das letzte Mal am Kiosk? Nein, nicht an der Frittenbude im Freibad Deines Vertrauens – ich spreche vom Kiosk um die Ecke. Dort, wo man vorne alles kaufen kann, was einen so über den Tag rettet, und hinten eben jenen vergessen kann. Dort, wo Smalltalks noch ernst genommen werden, wo man nach wenigen Besuchen per Du mit dem Menschen hinter der Theke ist und wo man ohne schlechtes Gewissen vormittags um elf mit seinen Leuten einfach mal ein Bierchen trinken kann.

Die Kiosk-Kultur hat ihren eigenen kleinen Kosmos: Auf den einen wirkt sie faszinierend und einladend, auf den anderen wiederum abstoßend und unsympathisch. Jedem das Seine, doch eines ist leider sicher: Sie wird früher oder später aussterben. Überrannt und gefressen von den Tankstellen unserer Stadt, die ihre in Dieseldunst getränkte Krankenhausatmosphäre mit „Supersonderangeboten“ zu übertünchen versuchen und selbst die schlimmsten Verbrechen der Biermischindustrie hemmungs- und gewissenlos auf bunten Reklametafeln anpreisen.

Von kleinem Glück und gemischten Tüten

Anders zeigt sich da der Kiosk: Hier wird die gemischte Tüte noch von Hand zusammengestellt und ins Regal gelegt, wird das Bier (meist nur eine Sorte, weshalb auch mehr?!) noch von der lokalen Brauerei bezogen, wird dem Kunden im Zuge seiner Treue früher oder später (fast) jeder Wunsch von den Lippen abgelesen. Und das Angebot! Dessen wahre Vielfalt offenbart sich erst beim genaueren Blick durch die meist kleine Fensterscheibe. Da tummeln sich Zeitschriften neben der guten alten Capri Sonne, Lakritzschnecken neben Zigarettentabak, Lutscher neben Erdnüssen – wer auf die kleinen Sünden des Lebens steht, der wird hier glücklich. Und wer nett fragt, der bekommt womöglich auch noch die vergriffene Lieblingszeitung nachbestellt. Ja, hier schreibt man Service noch groß, denn die Kundschaft wird rar und die Bindung zu ihr immer wichtiger. Apropos Kundschaft: Wo sonst erlebt man ein solch bunt gemischtes Beisammensein von Menschen jeglicher Altersschichten? Vorne die Schulkinder, die ihr Gespartes in Süßes investieren und nicht selten das Kassenfach für die Fünf-Cent-Münzen sprengen – und hinten die, die gerne unter sich sind und fachsimpeln bis die Batschkapp brennt: „Prost. Wo is’ eigentlisch de Schmiddehorst? Wie ham die Lilie gestern gespielt? Un was hat sich die SPD da schon wieder bei gedacht?!“

Alles sympathische und wichtige Puzzleteile dieses eigenen kleinen Kosmos‘, den ein jeder von uns irgendwann mal auf eigene Faust erkunden sollte. Schmeißt die Vorurteile über Bord, packt Euer Kleingeld in die Hosentasche und macht Euch auf den Weg. Der nächste Kiosk ist nicht weit, das verspreche ich Euch! Wo genau, was Euch vor Ort erwartet, wen man dort trifft und was es sonst noch so Wichtiges darüber zu erzählen gibt: All das erfahrt Ihr in der nächsten Ausgabe, beim großen P-Kiosk-Test. Das günstigste Bier, die größte Süßwarenabteilung, der freundlichste Service, die saubersten Sitzbänke – wir nehmen alles genau unter die Lupe. Bleibt nur noch zu sagen: Einmal weniger zur Tanke gegangen, dafür mal am Kiosk „Hallo“ gesagt. Man wird es Euch danken. In diesem Sinne: „Ne gemischte Tüte für einen Euro, die BILD-Zeitung und ein kühles Pils, bitte.“