Foto: Johanna Hilbig
Foto: Johanna Hilbig

Inklusion – was bedeutet das eigentlich? Wörtlich übersetzt heißt es „die gleichberechtigte Teilhabe an Etwas“. In unserer Gesellschaft bezieht sich der Begriff vor allem auf Menschen mit Handicap – ob körperlich oder geistig. Inklusion hat das Ziel, es allen zu ermöglichen, überall mitzumachen, überall teilzunehmen. Auch in Darmstadt findet man das Thema Inklusion wieder. Vom 05. bis 17. Mai wird sogar ein ganzes Kultur-Festival unter dem Motto „Alles inklusive?!“ veranstaltet (Einzelheiten in der Infobox am Ende des Artikels).

Auch in der Darmstädter Theaterszene hat Inklusion eine besondere Bedeutung gewonnen. Prominentes Beispiel dafür ist Samuel Koch, der nach seinem Unfall bei „Wetten, dass …?“ trotz Querschnittslähmung seinen Abschluss an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover machte und seitdem am Staatstheater Darmstadt zum festen Ensemble gehört. Das Vorzeigebeispiel für inklusives Theater in Darmstadt ist allerdings das Theaterlabor, das seit 15 Jahren Aufführungen „für Junge und Junggebliebene“ inszeniert. Seit 2011 arbeitet man in Kooperation mit der Lebenshilfe Dieburg und ist das einzige professionelle, ganzheitlich inklusive Theater Hessens. Unter der Leitung von Max Augenfeld und Nadja Soukup werden Darsteller mit und ohne Handicap auf der Bühne zusammengeführt.

Nadja Soukup will als Schauspielerin den Menschen verstehen. Diese Motivation zieht sich durch ihren Lebenslauf wie ein roter Faden. Die aus dem früheren Jugoslawien stammende Wahl-Darmstädterin zeigt starke Präsenz auf der Bühne. „Aber ich war nie der Mensch, der von sich gesagt hat: Theater ist meine Bestimmung“, erklärt sie. „Warum tickt jemand, wie tickt er und wieso ist das so?“ Das sind die Fragen, die Nadja Soukup beantworten möchte. Dabei schlägt das Herz der Künstlerin für das Theater und die Bühne. Tatsächlich seien die Stücke, die sie gemeinsam mit behinderten Menschen aufführt, besonders intensiv und deshalb ihre künstlerische Heimat.

„Menschlich sind sie so warm und man lernt so viel von ihnen. Es ist tatsächlich ein Leben, was man von ihnen lernt“, findet Soukup. Höhepunkt in ihrer Arbeit sei immer wieder, wenn die Darsteller mit Handicap einem bewusst machen, was es heißt, zu sich zu stehen. Oder wenn sie mal wieder etwas komplett Überraschendes machen: „So eine Probe mit behinderten Menschen ist immer wieder anders, weil Absprachen nicht eingehalten werden: Der eine heult, weil er Hunger hat, der andere muss auf Toilette. Das geht eben gar nicht, aber irgendwie geht es doch!“ Ihre Schauspielkollegen von der Lebenshilfe seien Menschen, die ganz bedingungslos das tun, was sie tun möchten. „Genau das strahlt eine einzigartige Präsenz aus.“

„Man lernt ein Leben von ihnen.“

Im Theaterlabor wird Inklusion und Gleichheit gelebt, eine erfreuliche Entwicklung. Unsere Gesellschaft steht bei dem Thema allerdings noch immer vor einer großen Herausforderung. Soukup erzählt von Freunden, die ein Kind mit Down-Syndrom großziehen und deswegen immer wieder mit Vorwürfen zu kämpfen haben: „Du wirst als Elternteil schräg angeguckt und bekommst gesagt: Du hättest doch abtreiben können!“ Gerade deswegen findet die Schauspielerin die Arbeit mit ihren Kollegen mit Handicap so aufregend und spannend: „Für die Kinder und Jugendlichen wäre es so wertvoll, mit behinderten Menschen zusammen zur Schule zu gehen und zu arbeiten.“ Das Miteinander würde viele und Ängste abbauen, das weiß Soukup aus eigener Erfahrung.

Zu Beginn ihres Engagements hatte sie nämlich selbst Bedenken. Die Arbeit mit Behinderten konnte sie sich nur schwer vorstellen: „Ich hatte Angst. Ich fand es gruselig, als wir das erste Mal zur Lebenshilfe hingefahren sind.“ Dort bekamen sie von der schon bestehenden Theatergruppe ein Stück gezeigt. „Das war schauspielerisch keine Glanzleistung, aber was sie uns gezeigt haben, war supergeil“, erinnert sich Soukop. Daraufhin übernahm sie mit Max Augenfeld die Gruppe und brachte ihre eigenen Ideen ein. Die Arbeit mit behinderten Menschen war und ist für die Leiter des Theaterlabors immer wieder eine ganz neue und außergewöhnliche Erfahrung. Mit der Zeit entstand ein abwechslungsreiches, anspruchsvolles und zugleich humorvolles Theaterstück. Im November vergangenen Jahres stand die Premiere für das neue Stück „IHR(R) – WIR(R)-Exzesse des WIR Gefühls“ auf dem Programm. Hier wird das Selbstbild von geistig und körperlich behinderten Menschen künstlerisch dargestellt und frische Gesellschaftskritik geübt.

www.nadjasoukup.de

www.theaterlabor-darmstadt.com

 

Foto: Johanna Hilbig
Foto: Johanna Hilbig

Alles inklusive?! Ein Darmstädter Festival

Inklusion ist eine gesellschaftliche Herausforderung, auch in Darmstadt. Zentrale Fragen des Themas will das Festival „Alles inklusive?“ vom 05. bis 17. Mai stellen. Mit Konzerten, Theater, Partys, Podiumsdiskussionen, Filmen, Lesungen und Workshops präsentieren die Initiatoren ein spannendes und vor allem barrierefreies Programm, das Begegnung und Bewusstsein schaffen, aber auch zum Diskurs anregen soll.

Die Hoffnung der Veranstalter – Centralstation, Staatstheater, Evangelische Hochschule und Wissenschaftsstadt Darmstadt – ist es, mit kulturellen und wissenschaftlichen Veranstaltungen eine zwingend nötige öffentliche Debatte in unserer Stadt anzustoßen, die alle Darmstädter mit einbezieht und Perspektiven für neue Formen des Miteinanders eröffnet.

Der Startschuss für die inklusiven Festtage fällt am Dienstag, 05.05., 19 Uhr mit einer bunten Auftaktveranstaltung mit Musik, Theater und Kurzvorträgen in der Centralstation. Zu den weiteren Höhepunkten zählen:

das Konzert der inklusiven Elektro-Pop-Band Station 17 aus Hamburg in der Centralstation am Mittwoch, 06.05., 20 Uhr,

die Inszenierung „DADA Frauen“ des Theaterlabors am Donnerstag, 07.05. (bis 10.05.), 20.30 Uhr im Familienbad am Woog,

die inklusive Disco am Freitag, 08.05., um 18 Uhr in der Centralstation,

Samuel Kochs musikalische Lesung zu seinem Buch „Zwei Leben“ in der Aula der Evangelischen Hochschule am Freitag, 15.05., 20.30 Uhr,

der Markt der Inklusion (gemeinsames Kochen, Musik, „Lilien“-Spieler) am Samstag, 16.05., von 11 bis 16 Uhr, auf der Carree-Piazza

und die große Podiumsdiskussion „Menschenbilder“ im Staatstheater am Finaltag, Sonntag, 17.05., 12 Uhr.

Das gesamte, äußert vielfältige Programm findet Ihr unter www.alles-inklusive-darmstadt.de

 

Nadja Soukup und das Theaterlabor Darmstadt

Nadja Soukup ist Schauspielerin, Coach und Leiterin des Theaterlabors in Darmstadt. Erst durch eine Freundin kam sie zufällig zur Schauspielerei, für die sie ihr Medizinstudium abbrach. Mit 18 Jahren begann Soukup ihre Ausbildung an einer Züricher Schauspielschule. Inzwischen stand sie schon in einigen deutschen Städten auf der Bühne und huschte in den Fernsehserie „Verbotene Liebe“ und der Krimireihe „Ein Fall für Zwei“ über den Bildschirm. Nebenbei arbeitet sie noch als Coach und hilft Menschen ihr Selbstbewusstsein zu stärken.

www.nadjasoukup.de

Das Theaterlabor ist seit 2011 in Kooperation mit der Lebenshilfe Dieburg das einzige professionelle, inklusive Theater Hessens. Unter der Leitung von Max Augenfeld und Nadja Soukup werden Darsteller mit und ohne Handicap auf der Bühne zusammengeführt. Einen Blick hinter die Kulissen, Eindrücke von den Proben, Interviews, Podcasts und Fotos der Darsteller findet Ihr online unter www.hochschulprojekt.wordpress.com.

Infos zum aktuellen Programm und Termine unter: www.theaterlabor-darmstadt.com