Foto: NS-Dokumentationszentrum Rheinland-Pfalz/Gedenkstätte KZ Osthofen
Foto: NS-Dokumentationszentrum Rheinland-Pfalz/Gedenkstätte KZ Osthofen

Stolpersteine, Gedenktafeln und Mahnmale erinnern auch in Darmstadt an die Opfer der Nazi-Herrschaft. Doch diese Form der Erinnerung ist irgendwie abstrakt. Wer waren die Menschen, die in unserer Stadt verfolgt oder gar ermordet wurden? Welche Schicksale stecken hinter Namen und Daten? 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erzählt das P die Geschichten einiger dieser Darmstädter.

Am 6. September 1944 verhandelte der Volksgerichtshof in Darmstadt gegen Georg Fröba und vier seiner Mitstreiter. Sie waren wegen des versuchten Aufbaus einer kommunistischen Organisation in Darmstadt angeklagt – nach Nazi-Recht ein hochverräterisches Unternehmen. Vier der Angeklagten wurden zu hohen Zuchthausstrafen, Fröba jedoch als „unverbesserlicher Staatsfeind“ zum Tode verurteilt und nur wenige Woche später, am 27. Oktober, im Strafgefängnis Frankfurt-Preungesheim hingerichtet.

Der gelernte Schneidermeister Fröba – 1896 geboren, 1920 Mitgründer der Darmstädter KPD (Kommunistische Partei Deutschlands), bald deren Vorsitzender und Leiter des Unterbezirks, Vorsitzender der Textilgewerkschaft in Darmstadt – war bis 1933 Stadtratsmitglied. Nach dem Machtantritt der Nazis wurde er wie viele hessische Antifaschisten im KZ Osthofen bei Worms inhaftiert und noch 1933 wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ verurteilt. 1935 wieder frei, organisierte er ein bis Anfang 1943 funktionierendes Widerstandsnetz, das aus kleinen Wohngebiets- und Betriebsgruppen bestand, bis eine Denunziation und ein Gestapo-Spitzel das Ende brachten.

Die nach der Befreiung 1945 zunächst selbstverständliche öffentliche Ehrung der Opfer des Naziregimes in Hessen und Darmstadt durch die Stadt und die Landesregierung galt auch Georg Fröba. Seine Asche wurde 1947 auf dem Alten Friedhof feierlich bestattet, eine Wohnanlage an der Odenwaldbrücke nach ihm benannt. Wenige Jahre später folgte der Darmstädter Magistrat jedoch dem politisch herrschenden Antikommunismus und ließ die Anlage Anfang der sechziger Jahre umbenennen, sie heißt heute noch Buxbaum-Anlage. Fröbas Name verschwand also zunächst aus der öffentlichen Erinnerung, auch wenn seit Ende der achtziger Jahre in der Darmstädter Heimstättensiedlung ein bescheidener Fröbaweg existiert. Dort, fern vom Stadtzentrum und weit weg von einer der Darmstädter Verkehrsachsen, die beispielsweise den Namen Hindenburgs, des Steigbügelhalters Hitlers, immer noch ehrt, am Stadtrand also, erinnern wenigstens einige Straßen an die Namen von Opfern des Naziregimes, die mit Darmstadt verbunden sind: an Elisabeth Schumacher und Elisabeth Kern zum Beispiel, auch an Gertrud Ulmann.

Das offizielle Darmstadt wollte vom ermordeten Widerstandskämpfer Fröba lange nichts wissen. Dies begann sich nach fünfzig Jahren des Schweigens am 20. Juli 2014 zu ändern, als Oberbürgermeister Jochen Partsch neben den seit Jahren zu Recht geehrten Sozialdemokraten um Wilhelm Leuschner auch den Kommunisten Fröba würdigte. Am 70. Todestag Fröbas, dem 27. Oktober 2014, legte Partsch für die Wissenschaftsstadt Darmstadt an dessen Grabstätte einen Kranz nieder und würdigte den Antifaschisten in eindrucksvoller Weise. Das politisch gewollte Vergessen ist nach Jahrzehnten der Ächtung beendet und Georg Fröba wird in Darmstadt endlich die Ehre zuteil, die ihm als mutigen Kämpfer gegen den Nationalsozialismus gebührt.

Seit April 2015 erinnert vor dem Haus Dieburger Straße 36, in dem Fröba bis zu seiner Verhaftung 1943 gewohnt und seine Schneiderwerkstatt hatte, ein Stolperstein an den Widerstandskämpfer, der seinen Mut und seine politische Haltung mit dem Leben bezahlt hat.

 

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