Foto: Lina Frank
Foto: Lina Frank

Urban Beekeeping, übersetzt: Stadt-Imkern – in Metropolen wie Berlin oder London ist das Hobby schwer angesagt, besonders unter Studenten. Denn sie haben die Wichtigkeit der Biene erkannt: Für unsere Nahrungskette und das Ökosystem ist sie unverzichtbar. Sei es für die Bestäubung des Apfelbaums nebenan oder die des Klees auf der Weide, von dem sich Rinder ernähren. Wie Bienen in Städten gehalten werden, worauf Anfänger achten müssen und warum regionaler Honig so wertvoll ist, das und vieles mehr erklärt die Darmstädter Stadt-Imkerin Sigrid Schuster im Interview.

Laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft steigt die Zahl der Jung-Imker in letzter Zeit an. Merken Sie das auch in Darmstadt?

Ja, eine steigende Tendenz ist auch hier zu erkennen, wir haben jetzt 25 Mitglieder im Imkerverein Darmstadt und Umgebung. Aber auch die Vereine in Weiterstadt und Roßdorf haben in den letzten fünf Jahren um 50 bis 60 Prozent an Mitgliedern zugenommen.

Rund 70 bis 80 Prozent des in Deutschland konsumierten Honigs stammt aus Importen. Sie hingegen sind eine regionsbewusste Stadt-Imkerin. Was ist das Besondere am Honig aus der Region?

Der Honig enthält nicht nur den Nektar, sondern auch Pollen. Er enthält also einen Teil der Umwelt. Viele Menschen haben Allergien gegen verschiedenste Pollen. Wenn ich das ganze Jahr den Honig aus der Region esse, dann desensibilisiere ich meinen Körper. Für Allergiker eignet sich der regionale Honig also besonders, da der Körper diese Pollen aufnimmt und sich dann damit beschäftigt.

Wie sind Sie zum Imkern gekommen?

Mein Nachbar in Reinheim hatte ein Bienenvolk in seinem Garten. Das war Anfang 1980, ich war da etwa 40 Jahre alt. Ich sagte zu ihm, dass ich auch einmal Bienen halten möchte, aber erst, wenn meine Töchter größer sind. Ich habe dann 1985 angefangen. Seit 30 Jahren bin ich Stadt-Imkerin.

Was fasziniert Sie immer noch daran?

Grundsätzlich liebe ich den Garten, die Blumen und die Umwelt. Als Kind habe ich den ersten Schwarm in einem Baum hängen sehen und hatte keine Angst. Also habe ich mich weiter mit Bienen beschäftigt. Sie faszinieren mich, weil ich bei ihnen so viel Ruhe bewahren muss. Man muss sanft mit ihnen umgehen. Imkern ist für mich ein Stück weit Erholung, denn nervös oder hektisch sein darf ich nicht, sonst stechen die Bienen zu.

Wie hat sich Ihr Ernährungsverhalten durch das Engagement für die Bienen verändert? Essen Sie selbst noch gern Honig?


Ja, ich esse jeden Tag Honig. Seit 30 Jahren. Er tut meinem Körper gut. Denn man sagt dem Honig Heilwirkungen nach, zum Beispiel hilft er bei Arthrose und unterstützt die Darmflora. Verändert hat es mein Ernährungsverhalten aber nicht grundlegend. Dennoch gebe ich zu, dass ich erst durch meine Bienen angefangen habe, Honig zu essen.

Was genau ist Ihre Aufgabe beim Imkerverein Darmstadt und Umgebung e. V.?

Ich bin hauptsächlich Ansprechpartnerin für Neu-Imker. Mit den langjährigen Imkern treffen wir uns regelmäßig. Wir sprechen uns auch mit dem Lehrinstitut für Bienen in Kirchhain in Nordhessen ab. Ich vermittle zwischen dem Institut und den Imkern, wenn es zum Beispiel Neuigkeiten wie etwa neue Methoden oder Erkenntnisse gibt. Aber auch, wenn Fragen aufkommen.

Mal angenommen, ich möchte in meiner Freizeit einen Bienenstock halten. Kann ich den Stock einfach auf meinen Balkon stellen?

Soweit die Nachbarn nichts dagegen haben, kann man problemlos ein Bienenvolk auf dem Balkon halten. Natürlich muss Rücksicht auf Allergiker in der Nachbarschaft genommen werden. Denn wenn jemand allergisch auf Bienengift reagiert, würde ich davon abraten.

Worauf sollte ich achten, wenn ich ein Bienenvolk halten möchte?

Grundsätzlich ist es von Vorteil, sich in einem Imker-Verein zu engagieren. Langjährige Imker können ihr Wissen weitergeben und bei den ersten Schritten helfen. An unsere Neu-Imker verschenke ich auch Völker. Im Sommer sind die Völker oft so groß, dass ich problemlos aus einem zwei Völker machen kann. Für Bienenstöcke in der Stadt muss es aber genug Blütenbestände im gesamten Sommer geben.

Wie kostspielig und zeitaufwendig ist das Imkern, gerade für Anfänger?

Die professionelle Kleidung kostet etwa 50 bis 60 Euro. Die Erstanschaffung eines leeren Bienenstocks liegt bei 180 Euro. Im Schnitt kann man in Darmstadt 20 bis 25 Kilogramm Honig ernten. Bei fünf Euro pro Glas sind die Kosten für das erste Jahr gedeckt. Die Hauptarbeit beschränkt sich auf den Frühling und den Sommer. Im Winter ist nicht viel zu tun, da kann ich den Honig nur verkaufen. Erst ab Mitte April bis Mitte August schaue ich jede Woche einmal in die Bienenvölker.

Wie viel Honig produziert ein voll entwickelter Bienenstock im Jahr?

Die Menge des Honigs ist von der Größe des Volkes und vom Standort abhängig. Wenig Blüten oder Waldbestand in der nahen Umgebung haben auch eine geringe Honigproduktion zur Folge. Im Schnitt sind es etwa 15 bis 75 Kilo im Jahr – Letzteres schaffen aber nur die Erwerbs-Imker. Viele von ihnen wandern mit ihren Völkern in den Schwarzwald, weil sich dort zum Beispiel gerade Tannenhonig ernten lässt. Oder sie stellen sie in Rapsfelder, um die Ernte-Erträge zu erhöhen.

Lohnt sich der Honigverkauf?

Es ist ein Hobby. Man könnte sagen, dass es ein Hobby mit einer schwarzen Null ist. Jedes Hobby kostet Geld. Ein Fahrradliebhaber braucht ein teures Fahrrad, ein Fußballspieler seine Ausrüstung. Durch den Honigverkauf decke ich die Ausgaben und finanziere mein Hobby.

Seit einigen Jahren wird weltweit ein Bienensterben beobachtet. Eine akute Bedrohung, ausgelöst durch den Verlust vieler Bienenweiden.

Ja, man spricht von diesen Verlusten. Die Erwerbs-Imker merken das vielleicht und wandern in die entsprechenden Trachtgebiete ab. Ein Klein-Imker wie ich ist aber natürlich auf das angewiesen, was rundherum blüht. Die Nektar-Versorgung hängt auch von der Witterung ab. Vergangenes Jahr waren Anfang Mai die Nächte kalt, und es gab wenig Niederschlag. Und wenn es nicht regnet, produziert die Pflanze auch weniger Nektar. Zu starke Sonneneinstrahlung trocknet den Nektar ebenfalls aus. Im schlimmsten Fall ernte ich weniger Honig.

Wie kann man selbst als Nicht-Imker gegen das Bienensterben helfen? Halten Sie es für sinnvoll, blütenstarke Samenpackungen zu kaufen und auszusähen?

Ja, natürlich. Voraussetzungen sind genügend Anbaufläche und eine ausreichende Wasserversorgung. Zum Beispiel werden diese Samen von größeren Gärtnereien verkauft. Es wäre auch schön, wenn unsere Bauern solche Pflanzen auf ihren stillgelegten Feldern oder Feldrandstreifen anpflanzen würden. Allerdings verstehe ich die Einwände, dass diese Blumen Unkraut mit sich bringen. Dessen Entsorgung bedeutet wiederum viel Arbeitsaufwand, wenn Felder wieder landwirtschaftlich genutzt werden sollen.

 

bienen-imkern
Foto: Mirijam Friedrich

Werde Jungimker!

Sigrid Schuster, Imkerin aus Leidenschaft und Vorsitzende des Imkervereins Darmstadt und Umgebung e.V., betreut selbst neun Bienenvölker. Außerdem ist sie Ansprechpartnerin für potentielle neue Bienenkönige – frische Jungimker sind immer gesucht! Die 72 Jahre alte Rentnerin ist jeden Samstag von 13 bis 16 Uhr im Kleingartenverein „An den Golfplätzen“, Böllenfalltorweg, Garten Nummer 69, anzutreffen (oder telefonisch erreichbar unter 06155 76274).

www.imkerverein-darmstadt.de

 

Rock’n’Roll-Honig

Robert Herz ist stadtbekannter Musiker, aber wusstet Ihr, dass der Okta-Logue-Drummer seit zehn Jahren auch passionierter Imker ist? Ganze 18 Bienenvölker befinden sich in seiner Obhut und stellen in Griesheim köstlichen Honig her. Ende Mai füllt Robert Herz wieder seine Gläser mit dem klebrig-süßen Gold (die Vorjahresernte ist komplett ausverkauft) – und er bietet Interessierten auch Führungen durch sein Waben-Imperium an. Kontakt: herz-robert@web.de.

Robert Herz | Foto: Pan Springer
Robert Herz | Foto: Pan Springer