Foto: Privat
Foto: Privat

Sechs Darmstädter waren, sind und gehen auf Reisen, um mit Leidenschaft und Liebe an verschiedenen Orten der Welt zu helfen. In sechs Ausgaben des P-Magazins werden die persönlichen Erfahrungen aus sechs verschiedenen Ländern von sechs unterschiedlichen Menschen aus Darmstadt und Umgebung vorgestellt. Helfen ist nicht selbstverständlich und muss deshalb an dieser Stelle unbedingt im P erwähnt werden!

Ein Helfer in gleich mehreren Ländern ist Markus (38 Jahre). Bereits 1997 verbrachte er ein halbes Jahr im ostafrikanischen Ruanda. Dort, in einem Land, das zu den ärmsten Afrikas zählt, leistete er Entwicklungshilfe für Kinder und Jugendliche in einem Jugenddorf namens Umudugudu, zirka 60 Kilometer östlich von Kigali (der Hauptstadt von Ruanda). Markus arbeitete während seines Aufenthalts mit 150 Straßenkindern, die in dem Jugenddorf die Möglichkeit hatten, ihre Schul- und Handwerksausbildung zu machen.

Mit der Gründung des Vereins Kunterbuntewelt e.V. im Jahr 2000 verstärkte Markus sein politisches und pazifistisches Engagement in Krisengebieten dieser Welt. Im September 2002 startete seine bisher größte Mission. Für zwei Wochen fuhr er in die Provinz Kunduz im Nordosten Afghanistans, rund 250 Kilometer nördlich der Hauptstadt Kabul. Mitten im Kriegsgebiet wollte er sich ein authentisches Bild von den Menschen vor Ort machen und seinen späteren Projektpartner Katachel e.V. kennenlernen. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland organisierte Markus mit Kunterbuntewelt e.V. einen Hilfsgüterkonvoi in die Provinz Kunduz. Unter dem Motto „Friedensfahrt nach Afghanistan“ fuhren er und seine Kollegen im Juni 2003 mit ihrem Konvoi nach Afghanistan.

Ziel erreicht – immer noch viel zu tun!

Foto: Privat
Foto: Privat

Die Delegation hielt sich nach ihrer Ankunft in der Provinz Kunduz im Dorf Katachel und dessen Umgebung auf. Sie sahen ihre Aufgabe darin, der durch Krieg und Terrorismus leidenden Bevölkerung wieder eine Zukunftsperspektive zu geben – durch viele Gespräche und durch Hilfe zur Selbsthilfe. Mit den Mitteln des ortsansässigen Katachel e.V. konnte die betriebene Schreinerei in der Gemeinde ausgebaut werden. Die Arbeiter leisteten einen unverzichtbaren Beitrag zum Wiederaufbau der Wohnhäuser in dem Dorf und den umliegenden Gemeinden. Gemeinsam unterstützten Katachel e.V. und Kunterbuntewelt auch die Region Char Darrah westlich der Stadt Kunduz. Dort wurde eine Mädchenschule für 300 Mädchen und eine Jungenschule für 1.300 Jungen fertiggestellt. Mit den mitgebrachten Fußballtrikots und Sportgeräten konnten Markus und sein Team vor allem den Schülern und Schülerinnen eine große Freude machen. „Wie in vielen Ländern ist Fußball auch in Afghanistan eine der beliebtesten Sportarten. Für mich war es immer ein Türöffner, ein großer Fußball-Fan zu sein“, erklärt Markus. Mindestens genauso wichtig war sein Kooperationspartner: „Ohne Katachel e.V. hätten wir das niemals geschafft. Alleine die ganze Bürokratie und die Finanzierung, das wäre unmöglich gewesen.“

Erst Wiederaufbau, dann Desillusionierung

Ein weiterer positiver Effekt des Wiederaufbaus: Die beiden Institutionen boten den mit dem Bau beauftragten Arbeitern die Chance, ihre Existenz mittels einer zivilen Tätigkeit zu sichern. Ein wichtiger Schritt zu einer Bewusstseinsveränderung, hin zu einem friedlichen Leben in Afghanistan. „Natürlich war das nicht einfach, auch ich selbst wurde Zeuge von Gewalt, erlebte Schüsse. Einmal sollte ich sogar entführt werden. Aber mein pazifistisches Gedankengut wurde auch durch tolle Friedensgespräche mit dem Bürgermeister und ehemaligen Kriegskämpfern bestärkt.“ Als jedoch der Deutsche Bundestag beschloss, die Bundeswehr aktiver im Krisengebiet Kunduz einzusetzen und mit der Entwaffnung von Milizen zu beginnen, endete die Friedensreise von Markus.

Foto: Privat
Foto: Privat

Nächstes Abenteuer: Elfenbeinküste

Markus‘ Einsatz in Kunduz blieb auch in Darmstadt nicht unentdeckt: Sein Kumpel Boly erzählte Markus 2005 von seinem Heimatdorf Dedi in Elfenbeinküste – Ausgangspunkt des Hilfe-zur-Selbsthilfe-Projekts von Kunterbuntewelt in dem westafrikanischen Staat fünf Jahre später. Vorher half Markus Boly bei dessen Umschulung zum Solartechniker. Damit konnte Boly selbst aktiv werden und seine sonnenüberflutete Heimat mit Wissen und Tat unterstützen. Damit die ehrenamtliche Hilfe besser koordiniert werden kann, versuchen Markus und Boly mit der Unterstützung von Bolys Familie und Freunden eine nichtstaatliche Partnerorganisation vor Ort zu gründen. Die offizielle Eintragung gestaltet sich allerdings aufgrund von politischen Unruhen schwierig.

Im September 2010 schließlich reist eine kunterbunte Delegation auf eigene Kosten nach Dedi, um zusammen mit den Einwohnern weitere Schritte zu erarbeiten. Markus erinnert sich: „Boly hatte das Heft in der Hand. Er nutzte Kontakte in Dedi, hatte Wissen über Solar-, Strom- und Wasserkraft. So konnte über langfristige Ziele wie den Ausbau des Gemeinwesens verbunden mit dem Aufbau nachhaltiger Strukturen nachgedacht werden. Zum Beispiel wurde über eine Wasserversorgung, eine Krankenstation und einen selbstverwalteten Marktplatz für lokale Produkte gesprochen.“ Ebenfalls ist der Bau eines Jugendzentrums in Planung, dessen Grundstück und Baumaterial Boly und Markus begutachten konnten.

Kakao wie Sand am Meer

Die Region Dedi lebt fast ausschließlich vom Kakao-Anbau. Während der Erntezeit ist die gesamte Dorfgemeinschaft – vom Jüngsten bis zum Ältesten – auf den Plantagen beschäftigt. „’Schokolade oder Bildung‘, heißt es für die Kinder – und das nicht freiwillig. Die Kinder werden von den Bauern gezwungen, auf den Plantagen zu arbeiten, statt zur Schule zu gehen, damit es zu schnellerer Ernte und Verkauf kommt. Alles für den Genuss der kapitalistischen, westlichen Gesellschaft, ohne an eine nachhaltige Ernte zu denken“, so Markus. Laut der Dokumentation „Schmutzige Schokolade“ (auf Youtube zu sehen) werden vierzig Prozent der weltweiten Kakao-Produktion in der Elfenbeinküste hergestellt. „Abnehmer wie Nestlé beuten die Bauern vor Ort aus, weil die es einfach nicht besser wissen“, erklärt Markus kritisch.

Langfristig gesehen soll in Dedi nur fair gehandelter Kakao geerntet werden, der als Fair-Trade-Produkt auf den Markt kommt. Dafür sucht Markus einen seriösen Kooperationspartner in Deutschland. „Vielleicht entsteht sogar eine kleine Schokolaterie in Dedi“, gerät Markus ins Träumen. Ein gesundes Grundwasser- und Stromsystem und vor allem regelmäßige Schulbildung für die Kinder sind existenziellere Wünsche, die Markus mit seinem Freund Boly und der Kunterbuntewelt e.V. angehen möchte.

Viele kennen keine Nächstenliebe

Markus bereist seit nunmehr 16 Jahren Krisenregionen, um zu helfen. Seit 13 Jahren ist er Mitglied von Kunterbuntewelt e.V. und baute den Verein mit auf und aus. „Egal, ob in Ruanda, Afghanistan oder Elfenbeinküste: Die Menschen sind immer verwundert, dass ihnen ein fremder Mann aus Deutschland helfen möchte.“ Dabei sieht Markus sein Engagement nicht als Hilfe an, sondern als gesellschaftlichen Auftrag. „Ich möchte Bildungs- und Aufklärungsarbeit leisten. Ich habe selbst Bildung erfahren, warum soll ich das nicht anderen Menschen weitergeben?! Ich will sie motivieren, zur Demonstration und Veränderung ermutigen und sie aufklären, einen positiven Wandel voranzutreiben.“ Sich selbst sieht Markus als Vermittler und Ideengeber. Er lebt sehr bescheiden und braucht zur Umsetzung seiner Ideen immer Netzwerkpartner. Diese sucht er auch in Darmstadt. Für spannende, kleine Projekte, die ebenfalls Menschen in Afrika unterstützen. Denn Markus hat noch einiges mit Boly und Kunterbuntewelt e.V. in Dedi vor.

 

www.kunterbuntewelt.de