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Herzlich willkommen in der Gerry-Wrede-Noise-Schule! Während Namensvetter Gerry Ehrmann aus seiner Lauterer Torwartschule einen muskelbepackten Keeper nach dem anderen in die große weite Fußballwelt ausspeit, tut dies der feine Herr Wrede in gleicher Frequenz mit CDs, Kassetten, Doppel-Ten-Inch-Vinyl-Spezialausgaben und Disketten avantgardistischster Formationen wie derStahljustiz, dem Bormuth oder dem Autoquartett. Das Mutterschiff und die Speerspitze der Bewegung ist und bleibt aber seit nunmehr guten 20 Jahren das ominöse Sägebett. Ihrem Drummer Gerry haben sich fürs Hörspiel dankenswerterweise Gitarrist Oliver Kischel und Basser Daniel Albig angeschlossen (es fehlt: Frontmann Hardy Zech). Los geht’s!

 

Die Goldenen Zitronen „Des Landeshauptmann’s letzter Weg”

Das gute Gewissen der Hamburger Schule um die mittlerweile in der Hochkultur angekommenen „Für immer Punks“ Schorsch Kamerun und Ted Gaier mit ihrem Song über Jörg Haiders Ende.

Gerry: Klingt wie wir zwei [er schaut auf Daniel] in Besser.
Daniel: Zitronen oder was?

Ja, genau. Ist das die adäquate Form für einen Song über Haider?

Oliver: Braucht man dazu noch einen Song? Der hat sich doch selbst erledigt, oder?
Gerry: Mich hätte gewundert, wenn auf dieser Platte kein Song über Haider gewesen wäre.

 

Knarf Rellöm Trinity „AKD“

Noch ein Hamburger, der sich in diesem Song über die „armen kleinen Deutschen“ lustig macht.

Gerry: Das ist doch der Walding. Ja, so nennt man ihn.
Gerry: „This is the heavy heavy No Deutschland Sound“ … das ist typisch für ihn – der macht immer Zitate.

Wie war denn seine Geburtstagsfeier, auf der ihr 1994 gespielt habt?

Gerry: Da war unter anderem der Tocotronic-Mann, der ist der schüchternste Mensch der Welt.
Daniel: Und der Distelmeyer hat versucht, meine Polen-Gitarre zu stimmen. Und dann hat noch eine Zwei-Frauen-Band gespielt … Die Sieben Pferde!
Gerry: Nee … Die Braut haut ins Auge. Und die anwesenden Hamburger haben beschlossen, dass unser Vortrag „dorfschön“ wäre und sie als „sophisticated people“ nicht mehr zuhören müssten. Und Waldi wirft mir heut noch vor, dass ich nicht wusste, wann das Ende sein sollte.

Abschließendes Urteil zur Knarf-Rellöm-Trinity?

Gerry: Wir hätten nicht so viel reden und mehr zuhören sollen …

 

Slime „Ich hasse”

Schon wieder Hamburg, diesmal die Ur-Deutschpunks, die sich über „Springers Nazi-Wahn“ ereifern. Demnächst wieder auf deutschen Bühnen zu sehen.

Daniel [vor Einsetzen des Gesangs]: Auch was Deutsches, oder?
Gerry: Das sind aber keine hochprofessionellen Musiker…

Gleiche Stadt wie der Knarf …

Gerry: Keine Ahnung, wir sind nicht so die Punk-Heinis …

Das sind Slime.

Gerry: Ach, schade, dass der Hardy nicht da ist, der hätte gesagt, dass das das klebrige Zeugs aus den Supermärkten der 70er Jahre war.
Oliver: Ich hätte die Stimme erkennen können …

Und was meint Ihr zu Slime?

Gerry: Total wichtige Band, von der ich noch nie was gehört habe … Wenn ich alte Punkrocker brauch’, muss ich mir nur die Fratzen von den Sägebett-Jungs anschau’n. Is mir auch lieber.

 

Howard Carpendale „In the Ghetto“

Von Hamburg nach Südafrika … der ewige „Hauieh“ gibt den Sozialkritik-King!

Daniel: Das ist was Christliches, definitiv …
Gerry: Andreas Jürgens!
Daniel: Das ist doch Elvis – auf Christenrock!
Gerry: Nee, das ist Howard Carpendale als Elvis verkleidet. Der soll doch den Song für die Deutsche Nationalmannschaft für die WM machen – oder Roger Whittaker … oder ein Duett der beiden?
Oliver: Dann werden wir in der Vorrunde ausscheiden …
Daniel: Und Heino?
Gerry: Für den ist’s am besten, wenn er in Baumärkten auftritt. Regalsysteme gibt’s dann in drei Farben: Schwarz, Braun, Haselnuss.

 

Jochen Distelmeyer „Wohin mit dem Hass?”

Oh, wir müssen dringend zurück nach Hamburg, zu dem umstrittenen Ex-Blumfeld-Sänger Distelmeyer.

Daniel: „Mutter“? So ein bisschen?
Gerry: Ich hoffe, dass „Mutter“ nie so ’ne Schlagzeug-Produktion haben werden!
Daniel: Das ist der Mensch von Blumfeld, oder?

Ja.

Gerry: Der ist mir schon immer auf den Sack gegangen. Der hat sich im Kesselhaus auf die Bühne gestellt und „Hell’s Bells“ gespielt und erklärt, warum das ein guter Song ist!
Daniel: Also, ich find’s jetzt nicht so schlecht.
Oliver: Guter Musiker, langweilige Musik.
Gerry [kommt langsam auf Betriebstemperatur]: Beim Abiball der Hamburger Schule kann man sowas spielen, aber die Slime-Jungs sollen dem mal so richtig vor die Haustür scheißen.
Daniel: Also, „Mutter“ machen sowas in gut.
Gerry: Wir haben im Kesselhaus immer gerufen: „Reparier’ mir die Licht-Maschine“ … wegen seiner „Ich-Maschine“.

 

Der Plan „Zurück in die Atmosphäre“

Neue-Deutsche-Welle-Ikonen aus Düsseldorf mit einem Agit-Pop-Schlager aus dem Jahre 1981.

Daniel: Das ist der Plan natürlich … unsere ganz großen Helden.
Gerry: Obwohl, das ist eines ihrer schwächsten Lieder, leider. Ist das nicht der ultimative Polit-Song? Aus Protest in die Atmosphäre auswandern?
Gerry: Da fand ich aber „Generäle essen gerne Erdbeereis“ um Längen besser. Wir haben die damals [1993, Anm. d. Red.] ja besucht in Düsseldorf, um uns anzupreisen.
Daniel: Aber wir lieben die immer noch. Die hör’ ich immer im Auto.

 

Kraftwerk „Computer World“

Und zum Abschluss noch die anderen Ikonen aus Düsseldorf, hier mit dem Song, der den Studi-Vz-Datenskandal bereits 1981 voraus ahnte.

Daniel: Das klingt Dorau-artig.
Gerry: nee … das ist Kraftwerk-artig. „computerwelt“ … ich hab alle meine Kraftwerk-CDs jemandem ausgeliehen und nicht zurück gekriegt … und ich weiß gar nicht, wem.

Da kannst du ja jetzt übers P einen Aufruf starten.

Gerry: Also, wer sie hat: Bitte zurückgeben, ich würde mich erleichtert geben …

Und Eure Meinung zum Song? Waren sie mit ihrer Warnung vor dem Datenmissbrauch nicht ihrer Zeit voraus?

Gerry: Das sind schlaue Deutsche gewesen, die wussten schon alles vorher. Heute fährt der Fahrrad-Idiot [Kraftwerk-Gründer Florian Schneider ist bekennender Radsport-Enthusiast, Anm. d. Red.] nur noch nackt Fahrrad, mit dem kannst du gar keine Platten mehr machen, hat mir der andere, Ralf, erzählt. Der schaut sich lieber ’ne Shimano-Schaltung an, als dass er den Rechner anschmeißt und einen Song macht. Und die spielen wirklich live, und Fahrrad-Heini macht die ganzen Geräusche – super!

Inzwischen ist er aber bei Kraftwerk ausgestiegen. Er wurde durch einen gewissen Stefan Pfaffe ersetzt.

Gerry: Stefan Pfaffe soll sich verpissen!

 

Fazit:
The Dass Sägebett haben Plan. Dafür hassen zumindest nicht unbeträchtliche Teile der Band Jochen Distelmeyer und Stefan Pfaffe, was im Laufe des Abends noch durch den einen oder anderen abfälligen Kommentar bekräftigt wurde. Dass der große, heimliche Leitfaden dieses Hörspiels das sozialkritische Lied war, wurde übrigens auch erkannt, von daher ist zu verschmerzen, dass die Drei alle Andrea-Jürgens-, Roger-Whittaker-, Heino- und Howie-Fans dieser Welt verprellt haben.

 

www.myspace.com/saegebett