Foto: Jan Nouki Ehlers
Foto: Jan Ehlers

Selbst dran Schuld. Bei „Melodien für Millionen“, dem alljährlichen Coverversionen-Weihnachtsfest der Darmstädter Musikszene, stellte sich Frank Koslowski, besser bekannt als Kossi, mit seinen Punk Urgesteinen Kackophonia auf die Bühne der Bessunger Knabenschule und feuerte einen deutschen Schlager nach dem anderen ab. Highlight des Abends war dann neben Roland Kaisers „Sieben Fässer Wein“ doch tatsächlich eine Version des Nicole-Grand-Prix-Killers „Ein bisschen Frieden“. Wenn das kein Grund ist, den gestandenen Punkrocker – er spielt derzeit unter anderem Schlagzeug bei den wiedervereinten Narsaak und eben Bass bei Kackophonia- zum großen Schlagertest bitten…

 

Cindy & Bert „Der Hund von Baskerville“ (Black Sabbath „Paranoid“)

Diesen Song erkennt Kossi natürlich nach wenigen Sekunden, ja, er weiß sogar schon vor dem Einsatz des Gesanges, dass es sich um die Version des 70er-Traumpaars Cindy & Bert handelt. Schließlich hat Kossi zusammen mit den Bastard Kings gerade die Fun-Band „Schwarzer Sabber“ gegründet, die sich dem „Sludge Rock oder wie auch immer Du es nennen willst“ verschrieben hat und vor allem „Große-Bruder-Bands“, insbesondere eben Black Sabbath, covert. Die Idee, Kossi den Ozzy geben zu lassen, wurde dann noch auf die  Spitze getrieben, indem eben jenes „Paranoid“ mit dem grenzdebilen Deutschen Text gesungen wurde.

Kossi: Wir waren uns schon einig: wenn schon, dann in einer völlig bescheuerten Version. Von so Rock-Klassikern gibt’s ja ziemlich viele bekloppte Versionen, zum Beispiel „Paint it Black“ von Karel Gott…

…womit Kossi der erste ist, der Beim Hörspiel dieses Magazins einen Song erkannt hat, bevor dieser gespielt wurde. Denn natürlich lag genau dieses Stück, Krone der tschechisch-deutsch-englischen Völkerverständigung (aus einer Zeit, als die Rolling Stones noch Keine Telekom-Werbung untermalten), als nächstes auf.

 

Karel Gott „Die rote Tür“ (The Rolling Stones „Paint it Black”)

Coole Sache… im Bucovina-Style, obwohl es damals noch gar keinen Bucovina-Club gab. Und man Ende – Wie er abgeht!! Deutsche Schlager sind übrigens ziemlich oft geklaut. „Schöne Maid“ von Tony Marshall Zum Beispiel ist ein Begrüßungslied Der Maori, also eigentlich Kulturgut, und Produzent Jack White hat’s geklaut, Sauerei!

 

Manfred Krug „Wenn der Urlaub kommt“

Nun wird es Zeit für einen Leckerbissen: Gegeben wird das funky Highlight von Manfred Krugs viertem Album aus dem Jahr 1975, als er noch den DDR-Robbie-Williams gab. Kossi hört aufmerksam zu.
„Stell’ Dir die Stimme mal 30 Jahre älter vor.“

[nach einer Minute Ratlosigkeit]: Manfred Krug?? Ja? Na, wenn man ihn dann vorm geistigen Auge hat… Krug erzählt uns zu einer grandiosen Fusion-Bigband-Begleitung, dass er mit seinem Mädchen nach Kamtschatka in den Urlaub fahren wollte, aber aus Ermangelung an Devisen mit der Ostsee vorlieb nehmen musste. Die sind ja ganz schön am Rumömmele… Ob der das neulich im Staatstheater auch gespielt hat?

Das war der erste Stolperstein, der zweite folgt sogleich:

 

Marianne Mendt „wie a Glock’n“

Marianne Mendt mit dem wohl einzigen Northern-Soul-Klassiker, der aus Österreich stammt, der Titelmelodie einer TV-Serie von 1970.

[nach wenigen Sekunden]: Das kenn’ ich! Das kriegt man bei jeder Nathalie-Bar um die Ohren gehauen… das ist doch die Gitte Henning… nein, das ist „A Glock’n“. Ist das Bayrisch? oder Schwyzer-dütsch?

Nein, Österreicherisch. Die Frau heißt Marianne Mendt.

Die kenn’ ich! Aber das ist schon 35 Jahre her. Ich maan, die wär’ öfter mal im Fernseh’n gewesen. Das hab’ ich schon e paar Mal gehört. Da hab ich mich immer weggelacht: „Eine Glocke, die 24 Stunden läutet“! Hat die net bei „Dalli Dalli“ in der Jury gehockt und die Punkte zusammengezählt?

Nein, das war Marianne Koch. [Wobei das auch nicht stimmt. Die war bei „Was bin ich“. Die Österreicherin bei „Dalli Dalli“ hieß Mady Riehl, Anm. d. Red.]

Die hat doch Werbung gemacht für Ado-Gardinen mit der Goldkante (Das stimmt allerdings!). Und war Zweite bei der Miss World.

Nein, das war Christine Kaufmann. [Nein, das war Petra Schührmann, und die war nicht die Zweite, sondern Erste, also Miss World 1956, Anm. d. Red.]

Die, die ein Kind mit dem Tony Curtis hat?

Ja, Jamie Lee Curtis, glaube ich. Wobei ich nicht weiß, ob die die Tochter von Christine Kaufmann ist. [Nein, Jamie Lee Curtis ist die Tochter von Janet Leigh. Von Christine Kaufmann ist Allegra Curtis, Anm. d. Red.]

Na egal, der hat wahrscheinlich eh rumgehurt wie ne’ Drecksau.

 

Stein Ingersen „Es regnet nie in Kalifornien“ (Albert Hammond „It Never Rains in Southern California“)

[schon nach fünf Sekunden] Das ist Albert Hammond… “It Never Rains in Southern California”. Aber von wem ist diese Version? Michael Holm?

Nein, Stein Ingersen. Den muss man nicht kennen.

Das Original war ja ursprünglich als Filmmusik gedacht, wie auch „Free Electric Band“ [ebenfalls von Albert Hammond, Anm. d. Red.]. Der Film wurde nie realisiert, aber die Musik kam an wie Drecksau. Was war denn noch von Albert Hammond?

„I’m a Train“. Musste ich aber auch erstmal googeln. Der Sohn von Albert Hammond ist übrigens der Gitarrist von den Strokes, Albert Hammond Jr.

Ach, Strokes kenn’ ich net so. Ich weiß zwar, dass es die gibt, hab’ aber keine Platte. Nächste Nummer!

 

Ralf Bendix „Der große Treck nach Idaho“ (Johnny Cash „Ring of Fire“)

[sofort nach dem ersten Ton]: Ja, „Ring of Fire, aber wahrscheinlich auch wieder so eine abgefahrene Version…

Ralf Bendix macht aus Cashs Klassiker eine kitschige Siedlerballade, in der es um die Verherrlichung
des Titelgebenden Wildwest-Trecks geht.

Wer singt das? Bert Kaempfert? Horst Wendtland? Net, oh…?? Scheiße, ich komm’ net auf den Namen. Bruce Low? Peter Rubin?

Der hatte einen großen Hit, in dem es um Babys ging.

De „Babysitter Boogie“! Wie hieß der? Sag mir’s!!!!

Ralf Bendix.

Ach, wenn man’s weiß, fällt’s einem wie Schuppe’ aus de Haar’!

Bist du eigentlich Johnny-Cash-Fan?

Ich mein’, er hat sein Ding gemacht. Ich hab’ auch den Film „Walk the Line“ gesehen, aber ich verehr’ ihn nicht so…

 

Stefan Waggershausen „Herz aus Gold“ (Neil Young „Heart of Gold“)

Zum Abschluss noch ein Fall von musikalischer Körperverletzung. Der spätere Deutschrocker Stefan Waggershausen war sich zu Beginn seiner Karriere noch nicht zu gut, einen großen Song von Neil Young zu einer schmierigen Öko-Ballade umzufunktionieren: „Man sagt, die Erde hat ein Herz aus Gold – Doch es schlägt nicht mehr“.

Das ist von Neil Young. Aber der Gesang… [schmerzverzerrtes Gesicht beim Einsatz des Gesangs, Kossi leidet sichtlich]. Wer ist  das? Stefan Waggershausen? Mein Nachbar aus Kranichstein hörte immer Stefan Waggershausen- „Nachtcafe“. Und ich dachte immer nur: Was? Macht Kaffee? Mit wem hatte der denn seinen großen Hit?

Alice.

Oh ja: „Zu nah am Feuer, zu nah am Tabu“. Alle fragten sich damals: Wo ist das „Tabu“?

 

Fazit:
Wie nicht anders zu erwarten, ist Kossi nichts Menschliches fremd, wenn es um die Populärkultur der Siebziger geht. Oder wie er es ausdrückt: „Alles was irgendwie schrääsch is’ find’ ich gut.“ Und diese Detailkenntnis… Hut ab, Kossi! Ursprünglich war übrigens geplant, dass Kackophonia-Sänger Jörg Dillmann Kossi bei seiner schweren Aufgabe unterstützen sollte. Aber leider hatte er einen heftigen Motorradunfall. Laut Kossi befindet er sich schon auf dem Weg der Besserung. Das P wünscht gute Genesung