Foto: Jan Nouki Ehlers
Foto: Jan Ehlers

Christian Jung ist aus dem Darmstädter Musikkosmos nicht wegzudenken! Belege gefällig? Nicht nur, dass Christian als Musiker dabei half, die Planeten Krakeel und Silverscope zum Strahlen zu bringen, nein, er war und ist auch als Konzertveranstalter maßgeblich an der musikalischen Besiedlung der Planeten Kesselhaus, Linie 9, Goldene Krone („Emma On The Dancefloor“), Künstlerkeller und Centralstation beteiligt. Und bei der alljährlichen „Nacht der Clubs“ versorgt er sogar die Space-Shuttles der Heag mit einem Warp-Antrieb: ein Haufen ungewaschener, schrammelnder Musikastronauten rockt die Busse. Aber weiß unser Captain Kirk eigentlich noch, welche Künstler er im Laufe der Jahre in die Stadt gebeamt hat? Wir werden sehen …

 

Tom Liwa „Britney (Flensburg-Version)“

Der ehemalige Sänger der Flowerpornoes, gern gesehener Gast in Darmstädter Künstlerkellern, singt hier seinen Song über eine Liaison zwischen Elvis und Britney Spears in der charakteristischen Stimme des King of Rock’n’Roll.

Christian: Ich dachte im ersten Moment, es seien die Violent Femmes. Das höre ich zum ersten Mal.

Es ist ein Künstler, den du sehr verehrst – Tom Liwa.

Woher weißt Du denn, wen ich verehre? Tom Liwa ist jedenfalls ein großartiger deutscher Songwriter – nach wie vor.

Im Rolling Stone haben sie ihn jüngst zum Treffen der Songwriter-Generationen geladen, zusammen mit Reinhard Mey und Gisbert zu Knyphausen.

Ja, die sollten mal zu dritt was machen, das wäre bestimmt spannend.

 

Die Türen „Die Welt wird mich von ihrer spießigsten Seite kennen lernen“

Ehemals eher sperrige, inzwischen entspannt swingende Berliner Band – vor einiger Zeit in der Goldenen Krone bei „Emma On The Dancefloor“ zu sehen – mit einem Stück ihres Hit-Albums, das den schönen Titel „Popo“ trägt.

[nach zwei Sekunden]: Das sind natürlich die Türen. Die Platte höre ich nach wie vor sehr gerne. Das war seit Langem mal ein großer Wurf der deutschen Popmusik. Hier werden ernste Themen auf eine sehr „unselbstmitleidige“ Art behandelt. Und das Konzert in der Krone war auch großartig. Die klingen ganz eigen – und sie wollen auch gar nicht wie andere deutsche Bands klingen.

 

Fehlfarben mit Nils Koppruch „Das sind Geschichten“

Altmeister des deutschen Postpunk spielen einen ihrer Klassiker – mit Herrn Koppruch von Fink als Gastsänger, der vor Kurzem erst im Künstlerkeller auftrat.

[hört eine Weile aufmerksam zu]: Fink oder Nils Koppruch! Ich erahne so langsam Deinen Masterplan… Und: Es ist Nils Koppruch, der die Fehlfarben covert.

… mit den Fehlfarben selbst als Backing Band.

Ja, das ist auch eine großartige Band. „Monarchie und Alltag“ war damals [1980, Anm. d. Red.] eine Wahnsinnsplatte.

 

Die Förster vom Silberwald „Grace Haider“

Die Förster aus Schlüchtern und Darmstadt, bei der „Nacht der Clubs“ als Nachtbus-Beschaller unterwegs, thematisieren in einer Falco-esken Diskohymne den Tod eines berühmt-berüchtigten österreichischen Landeshauptmannes.

Könnte Michael Jackson sein. Hmm … wer ist das denn?

Kleiner Tipp: Wer macht denn in der Regel so dadaistische Texte?

The Dass Sägebett? Bormuth?

Nee … eher das Sägebett von Schlüchtern.

Pap’s Blue Ribbon ist es nicht, oder?

Nein, die gesuchte Band hast Du auch schon nach Darmstadt gebracht.

Ach ja, die Förster vom Silberwald! Die habe ich von ihren Bus-Shows in Erinnerung, da treten sie nur mit Wandergitarre auf – und nicht so elektronisch wie bei diesem Song.

 

Bernd Begemann & Die Befreiung „Ich kann Dich nicht kriegen, Katrin“

Einer der begnadetsten deutschen Entertainer (und Songwriter), häufig schon in Darmstadt zu sehen, unter anderem in der Centralstation.

Diese Gitarre ist so einzigartig – Bernd Begemann lässt die Gitarre singen. Ich hab mal gelesen, wie er zu ihr gekommen ist: Das war eine ganz billige Korea-Klampfe, die er im Laden ausprobiert hat, und er war so begeistert von dem Klang, dass er sie nie gegen eine Gibson, Fender oder eine andere getauscht hat. Bernds Platten höre ich gar nicht so gern, aber live ist das immer einzigartig … Seine dreistündigen Shows anzusehen, das ist immer wieder der Wahnsinn. Es gibt noch ’ne andere Anekdote über Bernd Begemann [die erste, die er erzählt hat, hat im P-Magazin nichts zu suchen, wir sind schließlich nicht die Bild!, Anm. d. Red.] Als Bernd in der Centralstation gespielt hat, hatte mal jemand den falschen Stecker gezogen und der komplette Bühnensound war aus. Da hat er gerufen: „Leute, wir müssen jetzt stark sein und zusammenhalten!“ Und hat gemeinsam mit dem Publikum Texte skandiert, bis die Technik wieder lief. Das ist seine große Stärke, auf unerwartete Situationen spontan zu reagieren.

 

Frau Doktor „Babylon’s Burning“

Die inzwischen aufgelöste, allseits beliebte Wiesbadener Ska-Band, vor Jahren schon in der Krone „on the Dancefloor“, mit einer Coverversion des Klassikers von The Ruts.

Sind das The Clash? Wie die in das von mir vermutete Konzept passen, weiß ich aber nicht.

Sind sie auch nicht. Kleiner Tipp: Die singen normalerweise deutsch.

Busters?

Nein. Sie kommen aus einer Nachbarstadt.

Ach so, natürlich! Die habe ich ein paar Mal veranstaltet, in der Krone und in der Linie 9. Das sind Frau Doktor, das ist die Schlachthof- Hausband. Sehr sympathische Jungs, die das Ganze nicht wegen der Gage machen, sondern weil sie Spaß haben. Tolle Band mit einem bescheuerten Bandnamen.

Besser als andersrum …

 

Steakknife „Bad Dressed Hitman“

Letztlich sind auch die Punkrocker mit dem Spermbird Lee Hollis am Gesang eine der Combos, die die „Emma On The Dancefloor“ beehrt haben.

Schön krachig! Steakknife! Das ist auch eine meiner Lieblingsbands. Immer mehr! Die höre ich, wenn ich total schlechte oder total gute Laune habe. Passt bei beidem! Von denen gibt es einen tollen Song: „My Dad’s a Cop“. Mein Vater ist auch Polizist, da gab es in meiner Jugend auch immer heiße Diskussionen – von daher konnte ich diesen Song sehr gut nachvollziehen.

Lee Hollis ist ja eine unglaubliche Rampensau. Ich habe mal ein Konzert gesehen, da hat er sich am Anfang derb den Fuß verknackst und musste auf einem Stuhl sitzend weitermachen.

Rinderwahnsinn [eine in den Neunzigern aktive Punkmetalband aus Frankfurt, Anm. d. Red.] ist das ihrerzeit im Kesselhaus auch mal passiert: Deren riesiger Gitarrist ist dem Sänger aus Versehen auf den Fuß gesprungen – Bänderriss! Aber er hat das Konzert todesmutig zu Ende gespielt.

Da bleibt im Grunde nur eine Frage offen: Was war jetzt mein geheimes Konzept?

Bands aus Deutschland, die ich selbst mal veranstaltet habe. Aber ich muss ganz ehrlich sagen: Wenn man Pop-Booker ist, kennt man auch nicht alles, was gerade aktuell ist. Ich habe auch schon die eine oder andere Band gebucht, von der ich vorher noch nie was gehört hatte.

 

Fazit: Wer so viele Konzerte veranstaltet hat, kennt seine Pappenheimer. Eindeutig! Es ist nur schade, dass Christian es nicht geschafft hat, The Clash nach Darmstadt zu holen, aber das wäre auch selbst für James Tiberius Kirk eine unlösbare Aufgabe gewesen.

 

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