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Foto: Jan Ehlers

Sie sind die Cineasten unter den Darmstädter Bands. Der Name assoziativ, die Musik narrativ, die Shows suggestiv. Und jetzt eine brandneue CD. Die Messer Brüder Florian Malicke und Thomas Buchenauer sind charmante Schlaumeier mit viel Schalk im Nacken. Der eine Sozialpädagoge, Teilzeit-Woog-Riot und Enkel eines berühmten Komödianten, der andere früher Black-Flag-Punk mit langen Haaren, jetzt Deutsch- und Politik-Lehrer ohne Haare. Gleich zu Anfang stellten sie das P bloß: „Wir glauben ja, meist geht’s beim Hörspiel nicht um die, die interviewt werden, sondern um den, der die Musik vorspielt. Der möchte zeigen, was für ’n tollen Durchblick er hat.“ Volltreffer. Deshalb schickten wir auch unseren obersten Klugscheißer zum Showdown, um den beiden Messern die neunmalklugen Zähne zu ziehen.

 

Silver Apples „Dust“

Experimental-Kult aus den 1970ern. Waren so was wie die New Yorker Kraftwerk. Messer Brüder zählen sie im Web-Info zu ihren Einflüssen.

Florian: Ich habe mal was Gruseliges von Death in June gehört, was so ähnlich klang.

Oje, ganz falsche Baustelle. Ihr nennt die Band als Einfluss.

Thomas [verächtlich]: Das hat die Agentur geschrieben. Wird sofort gestrichen.
F: Ach doch, die Silver Apples. Sonst sind die aber rhythmischer.
T: Und ich behaupte immer, ich fände die gut. Die Stimme nervt mich gerade gewaltig.
F: Also mir gefällt es. Jetzt musst Du was für Thomas spielen.
T [skeptisch]: Ja, auch Du stehst hier auf dem Prüfstand, mein Lieber!

 

Kraftwerk „Morgenspaziergang“

Frühe Phase der international wohl wichtigsten deutschen Band ever – komm‘ uns bloß keiner mit den Scorpions. Die Krautrocker standen Pate für Techno, HipHop, Elektro und Post-Rock.

F [das Stück beginnt mit fiesem Fiepsen]: Auf alle Fälle ein Oszillator. [Genervt] Kommt da irgendwann
mal ein anderer Ton? … Ah jetzt. Das ist doch mein Vornamensvetter an der Querflöte, oder?

Florian Schneider, stimmt. Hier nach der Phase ihres Namenswechsels von Organisation zu Kraftwerk.

T [senkt den Kopf]: Oh Gott, Du elender Klugscheißer.

Ey, ich brauch das, ich hab nix gelernt sonst.

 

Syd Barrett „No good trying”

War das Genie in der Frühphase von Pink Floyd. Stieg aus wegen extremer Psychosen und stand auf der dunklen Seite des Mondes, als Pink Floyd Stadien füllten. Drei verträumte Solowerke gab es noch.

T [nach Sekundenbruchteilen]: Und Du meinst wirklich, damit führst Du uns aufs Glatteis. [Das P guckt frustriert aus der Wäsche] Wir können uns auch gern was ausdenken. Das hier sind die ukrainischen Mighty Gulags mit Polka-Ska. Oder vielleicht doch Boogie-Woogie?
F [mitleidig]: Sei nicht so bissig, Thomas. Sonst schreibt der schlecht über uns.
T: Lieber irgendein Image als gar keins. Ich komme aus Rüsselsheim, da überlebt man nur mit einem schlechten Image. Gutes Image und du bist tot.

Was war besser: Pink Floyd mit oder ohne Syd?

T: Beides gut. Ich wurde durch Punkrock sozialisiert. Da musste man früher offiziell die späten Pink Floyd hassen, weil es so aufgeblasen war.
F: Aber gerade die Live-Platte „Pompeii“ ist ein entscheidender Einfluss für uns.

 

ZK „Dosenbier“

Urgesteine des Deutsch-Punk mit dem blutjungen Campino. Heißen heute Die Toten Hosen, waren als ZK aber witziger und frischer.

T: Weiß ich echt nicht. Frühpunk auf alle Fälle. Meine eigenen Bands hießen damals Schweinepest und Boys DC. Und im Proberaum im dritten Untergeschoss eines Altenheims spielten wir Black Flag nach. Bin ja schon 46 Jahre.

Also reif fürs Obergeschoss im Altersheim.

F: Für mich alles zu alt. Bin erst 25.

Ach herrje, Papa und Sohn. Das ist ZK, die Keimzelle der Toten Hosen.

T [verächtlich]: Egal wie, ich fand die immer ziemlich schrecklich.

 

Ennio Morricone „Bad Orchestra“

Der Film-Soundtrack-Papst schlechthin. Nicht nur die Musik zu „Spiel mir das Lied vom Tod“ ist ein Klassiker. Was er komponiert, wird zu Gold in den Ohrmuscheln.

F [nach Nanosekunden]: Großartig, Morricone.

[Das P ernüchtert] Schlimm mit Euch. Elende Schlaumeier.

T: Ennio ist wirklich ein absoluter Melodientyp. Sofort erkennbar. Bei den Silver Apples oder Black Flag wäre das Soundbrei. Für unsere Musik ist diese Art Soundtrack sehr wichtig.

 

Stereolab „We’re not adult orientated”

Britische Indie-Band mit französischer Sängerin. Besonders ihre ersten Alben gelten heute als Klassiker des Indie-Pop.

T [vor dem ersten Ton]: Bing Crosby in seiner Drogenphase. So um 1942 rum.
F [nach dem ersten Ton]: Die hasst Du!
T: Die hasse ich?
F [lacht]: Ja, definitiv.
T: Ich hasse so viel. Das kann ich mir gar nicht alles merken. Stereolab? Oje, schrecklich, die Sängerin klingt wie Blutverlust.
F: Ach Quatsch.

 

Talk Talk „Inheritance“

Erst Charterfolge, dann immer elegischer und entrückter. Blaupause für Bands wie Sigur Rós und Radiohead. Mit das Beste aus den kläglichen 1980ern.

F [die markante Stimme von Mark Hollis setzt ein]: Aja, nur die Frage, ob Talk Talk oder Mark Hollis solo. Würde auf Talk Talk vor 25 Jahren tippen.
T: Mark Hollis solo ist auch super. Da scheppert aber kein Schlagzeug. Ich überlege nur, wo Du den Zusammenhang zu uns siehst.
F: Doch doch, die ganz frühen Messer Brüder klangen schon ähnlich.
T: Na ja, manchmal merkt man gar nicht, wo man klaut.

 

Townes van Zandt „Tecumseh Valley“

Country-Legende, die zu Unrecht immer im Schatten von Johnny Cash und Willie Nelson stand. Drogte sich zu Tode, seine traurigen Lieder aber bleiben.

F: Ach ähm … ähm … Ich meine, das wäre der …
T: Wenn es der ist, dann geht man am Plattenregal bei den Buchstaben eher ganz nach rechts hinten. Townes van Zandt vom ersten Album. Sehr schön jedenfalls.

 

Tortoise „Djed“

Ehemalige Noise-Rocker wälzen Mitte der 1990er alles um und erfinden das Genre Post-Rock mit Einflüssen aus Krautrock, Jazz und Neuer Musik.

F [verschnupft]: Ich steh unter Antibiotika, ich komm nicht drauf … [beim Basslauf] … ach klar, die Schildkröte.
T: Tortoise waren ganz ganz wichtig für mich. Haben mich vom breitbeinigen Rock weggebracht, der irgendwann langweilte. Nur macht den Postrock-Sound jetzt fast jeder.
F: Ich hab die früher gehasst, weil der Schlagzeuger meiner ersten Band die geil fand … und der war ’n Arsch. Auch so ein Klugscheißer.

Wie wer?

 

Fazit: Das randvolle Halbwissen unseres Redakteurs reichte nicht, um den Messer Brüdern das Wasser abzugraben. Nur einen Zahn konnten wir ihnen ziehen. Der Rest war eine Wurzelbehandlung für das P.

 

Facebook-Seite der Messer Brüder