Foto: Jan Ehlers
Foto: Jan Ehlers

Ist es nicht das pure Glück, an einem Frühfrühlingsmittag bei einer guten Tasse Kaffee mit dem Oberbürgermeister in seinem Büro im Neuen Rathaus zu sitzen und von oben auf den Luisenplatz zu blicken – also dorthin, von wo aus die Punks einst einem seiner Vorgänger den Schlachtruf „Oi! Saufen! Prost Metzger!“ zuriefen? Ich denke: Ja!

 

Hugo Montenegro Orchestra „The Good, The Bad And The Ugly“

Klassisches Westernthema aus dem 1966er-Sergio-Leone-Streifen “Zwei glorreiche Halunken”

Partsch: Italo-Western-Musik? Ja? … „Spiel mir das Lied vom Tod“? …Nein? Aber das ist nichts mit Clint Eastwood, oder?

Doch. Der englische Titel ist übrigens bekannter: „The Good, The Bad And The Ugly“. Fühlen Sie sich manchmal wie der einsame Cowboy, der gekommen ist, um in der Stadt aufzuräumen?

Klar, hier wird scharf geschossen! Man muss öfter mal in Deckung gehen – und man braucht gute Verbündete.

 

Dead Kennedys „I Fought The Law”

1965er-Single der US-Rock’n’Roll-Band „Bobby Fuller Four“, gern mal gecovert, am bekanntesten wohl von The Clash. Die Dead Kennedys verarbeiteten in ihrer Version die Ermordung des Schwulenaktivisten Harvey Milk in San Francisco 1978.

Hmm… Achtziger Jahre… irgendwas mit „The Law“. Was ist das?

Das sind die Dead Kennedys. Ihr Co-DJ Nouki bei der „Parole-P“-Veranstaltung letzten Dezember hat uns verraten, dass er Sie immer bremsen musste, damit sie nicht so viele alte Punk-Knaller wie diesen hier spielen. Den Song habe ich ausgesucht, weil ich mir dachte, dass Sie im Fränkischen in den Achtzigern als Grüner doch sicher mal mit dem Gesetz in Konflikt kamen, oder?

Partsch [leicht hüstelnd]: Ich könnte mich nicht erinnern. Alles, was wir damals gemacht haben, war im Rahmen der Gesetze.

Und Sie haben natürlich auch nie inhaliert…

Partsch [mittelschwer hüstelnd]: Wir haben vieles ausprobiert…

Friedrich Merz von der CDU erzählt ja gerne immer wieder, er habe in seiner wilden Zeit Müllcontainer in die Scheibe von Juso-Kneipen geschmissen.

Ach … im Gegensatz zu Friedrich Merz muss ich keine alten Geschichten erzählen. Es gab zwar mal eine wilde Flucht mit dem Motorrad, bei der wir eine Polizeikontrolle durchbrachen und im Maisfeld Deckung suchten, aber das jetzt hier breitzutreten, wäre ja aufschneiderisch… [Och nö, wir wüssten gern mehr … ist ja sicher verjährt, so dass kein Amtsenthebungsverfahren droht?!, Anm. d. Red.]

 

Fehlfarben „Ein Jahr (Es geht voran)“

Sponti-Hit wider Willen von der Band, die ihr Meisterwerk „Monarchie und Alltag“ von 1980 nach eigener Aussage „wie einen Mühlstein um den Hals“ trägt.

Das ist einfach: Fehlfarben, „Es geht voran“. Die spielen übrigens am 27. April in der Centralstation, da geh ich hin. Ich habe ja vor Kurzem eine Rede zur Vernissage der„Schlachtpunk“-Ausstellung in der Kunsthalle gehalten [Der OB war der einzige Redner, bei dem ich den Eindruck hatte, dass er zu Hause mehr als eine Punkplatte im Schrank stehen hat, Anm. d. Verfassers] und mit Freuden gesehen, dass dieses Konzert stattfindet. Ich wusste gar nicht, dass es die noch gibt.

Sie hatten sich aufgelöst, inzwischen gibt es die Band schon seit zehn Jahren wieder. Dann kennen Sie vermutlich auch nicht deren Spätwerke?

Ich kümmere mich nicht so sehr um neue Musikstücke. Wenn mir jemand was in die Hand drückt, dann hör ich mir das auch an. Aber ansonsten bin ich musikalisch hängengeblieben.

 

Arschgebuiden „Demokratie“

Derber Deutschpunksong der ersten Band des Stadtverordneten Jörg Dillmann aus den 1980ern.

Uff … das ist aber heftig. Das ist eher so Slime-beeinflusster Anfang-80er-Punk. Hmmm … ist das der Jörg Dillmann?

In der Tat.

Das ist toll! Der Jörg hat mir gerade was geschenkt, das kann ich hier zwar nicht erzählen, aber es ist klasse.

Seit wann wissen Sie denn, dass der Politiker Dillmann auch in Punkbands spielt?

Das weiß ich seit Mitte der Neunziger, seit ich in Darmstadt bin. Damals gab es diese Uffbasse-Kampagne „Es kann nur einen geben“ im Stil der Highlander-Filme. Auf den Flyern war Jörg zu sehen, wie er die abgeschlagenen Köpfe der anderen Kandidaten in der Hand hielt. Den Humor muss man an sich ranlassen können. Aber der kann ja richtig singen!

 

Alexandra „Mein Freund der Baum“

1968 erschienener Umweltschutz-Song der bald darauf mit ihrem Mercedes tödlich verunglückten Schlagersängerin. Seitdem ranken sich Verschwörungstheorien um diesen Unfall.

Partsch [stutzt]: Das ist Alexandra „Mein Freund der Baum“. Ich dachte mir: Dieses süßlich-harmonische Gedudel – das muss ein End-Sechziger-Schlager sein. Dann eine Frauenstimme, die ich nicht kenne… das muss Alexandra sein. Und als sie dann „Mein Freund“ sang, war alles klar: Die vom P denken sich, da haben wir einen grünen OB, dem spielen wir mal etwas Umwelt-Schmalz vor.

Genau das war mein Hintergedanke …

Ja, Alexandra, die lang verkannte Joan Baez der Bundesrepublik.

Was läuft denn heute auf Grünen-Parteitagen so?

Partsch [von einem melancholischen Hauch durchzogen]: Das kenne ich alles nicht, das ist lauter so neues Zeug. Ich weiß es nicht, ich kenn‘ nur Amy Winehouse – und das auch nur, weil die tot ist. Es ist doch auch traurig, wenn man Musik erst durch solche Anlässe kennen lernt. Bei mir hat’s ja in den Neunzigern aufgehört: Nirvana, Pearl Jam, Chili Peppers – und danach kam ja auch nichts mehr, oder?

 

Pink Floyd „Bike“

Frühwerk der Band, nach der später VW-Golf-Modelle benannt wurden – noch mit dem genial-entrückten Syd Barrett am Gesang.

Das kenn‘ ich nicht.

Das ist Pink Floyd. Den Song habe ich vor allem ausgesucht, um Sie zu fragen, ob sie mit der Radwegesituation in Darmstadt zufrieden sind.

Aaaalso … zufrieden bin ich nicht. Aber wir sind am Investieren und haben in diesem Bereich die Ausgaben erhöht. Und ich muss sagen: Ich komme mit dem Rad überall durch.

Aber wenn man mit dem Rad die Dieburger Straße runter…

Partsch [lenkt geschickt ab]: Äh … ist das die Platte mit dem Liverpool-Song [gemeint ist „Fearless“ vom 1971er-Album „Meddle“, Anm. d. Verfassers]?

Äh, nein, „Bike“ ist auf „The Piper At The Gates Of Dawn“ von 1967.

 

Gerd Müller „Dann macht es Bumm“

In den Siebzigern musste jeder halbwegs bekannte Fußballer mal singen, so auch der „Bomber der Nation“ 1974.

Partsch [mit leuchtenden Augen]: Oh! Ein Fußball-Lied! Das ist Gerd Müller „Dann macht es Bumm“! Da haben wir noch Titel gewonnen, nicht nur die Bayern, auch Deutschland. Gerd Müller: WM-Torschützenkönig 1970, Europameister 1972, Weltmeister 1974, Bayern Europameister der Landesmeister 1974 bis -76. Wissen Sie, in der linken Szene gilt Bayern-Fan-Sein ja als Charakterschwäche … aber ich versichere: Man kann sowohl Bayern- als auch Lilien- und St.-Pauli-Fan sein. [Quatsch, aber es sei ihm verziehen, Anm. d. Red.].

Haben Sie zum Abschluss noch eine Message an die P-Leser da unten auf dem Luisenplatz?

Uff… jetzt auch noch Schlauheiten am Freitagnachmittag ausdenken? Hm… Also gut: Sie sollen ihren Horizont so offen wie möglich, aber Darmstadt immer im Herzen behalten.

Fazit: Und nur wenige Augenblicke später finde ich mich drei Stockwerke tiefer im hektischen Innenstadttreiben wieder, um die Erkenntnisse reicher, dass: 1. Jörg Dillmann gut singen kann, 2. unser OB, da er möglicherweise inhaliert hat, mittels kombinatorischer Gaben Proto-Öko-Schlager erkennen kann und 3. Amy Winehouse post mortem mindestens einen Fan mehr hat. So viel Erkenntnisgewinn bringt auch nicht jedes Hörspiel, gar nicht schlecht für einen musikalisch Hängengebliebenen.