Foto: Jan Nouki Ehlers
Foto: Jan Ehlers

Eine exzellente Debütsingle („Kopf oder Zahl“), ein formidabler fünfter Platz bei Stefan Raabs „Bundesvision Song Contest“, sowie ein 1a-Chart-Entry des Debütalbums „Ins offene Messer“ lassen das Gerücht zur Gewissheit werden, dass die Berliner Band Jennifer Rostock direkt durch die Decke geht. Mittendrin: Der Schlagzeuger Chris „Baku“ Kohl (26), einstmals mit den Darmstädter Lokalmatadoren Everest in die Hauptstadt gezogen, dem es trotz Deckendurchstoß an Bodenhaftung nicht zu mangeln scheint. Der gute „Baku“ in der P-Black Box über die Berliner Musikszene, den Manager als Freund und seinen Bezug zu Aserbaidschan.


P: Im Mai 2004 war auf der Website Deiner damaligen Band Everest zu lesen, dass Ihr als Band gemeinsam nach Berlin ziehen werdet, um näher am „Rockgeschehen“ zu sein. Das klang damals auch für viele Darmstädter nicht unlogisch: Ihr wart regional enorm erfolgreich, habt aber auch bundesweit bereits zig Konzerte gespielt; es hieß, die Majorplattenfirmen rissen sich um Euch. Doch kurz nach Eurer Ankunft in Berlin schien alles nicht mehr ganz so glatt gelaufen zu sein: Euer Album „Demons for Company“ erschien auf einem anderen, wesentlich kleineren Label und auch nicht wirklich so erfolgreich wie gewünscht. Was war passiert?

Chris: Puh, das ist ja schon eine ganze Weile her. Wir sind damals nach Berlin, weil wir dachten, dass man dort einfach näher an allen wichtigen Leuten und Firmen dran ist, was auch tatsächlich so war und heute sogar noch stärker der Fall ist. Es lief zunächst auch wirklich gut an, Majordeal fast schon in der Tasche, ab ins Studio. Doch dann fing das Label zunehmend an, uns reinzureden. „Macht das mal anders“, „singt doch mal was auf Deutsch“, und so weiter. Das lief zunehmend aus dem Ruder, also haben wir uns entschlossen, das Album selbst zu veröffentlichen. Leider lief das dann aber nicht so gut, wie wir uns das gewünscht hatten. Tja, und Berlin ist ’ne große Stadt. Da gab es eine Menge anderer Einflüsse, mit der Zeit hatten wir uns dann aus den Augen verloren.

Everest liegt mittlerweile auf Eis. Allerdings habt Ihr auch weiterhin mit Musik zu tun: Du trommelst bei Jennifer Rostock, Sänger Hans arbeitet als Tourmanager unter anderem für die Jolly Goods und Gitarrist Erik Laser, der mittlerweile Jennifer Rostock managed, war lange Jahre als Product Manager bei Motor Music. Ist es eigentlich einfacher, in Berlin im Musikbiz unterzukommen? In Darmstadt oder Frankfurt hätte wahrscheinlich jeder von Euch wieder studiert oder ähnliches…

Ist auf jeden Fall einfacher, würde ich sagen. In Berlin sitzen ja wirklich alle Firmen und da hier jeder zweite Hansel irgendwas mit Musik oder sonst wie mit Kunst zu tun hat, bieten sich viele Möglichkeiten, irgendwo jobmäßig unterzukommen.

Wie fühlt sich das eigentlich an, von einem früheren Bandkollegen gemanaged zu werden? Lange Jahre alles auf Augenhöhe und nun bist nur noch Du für den Rock’n’Roll zuständig und Erik kümmert sich ums Business…

Erik hat sich ja auch schon bei Everest immer ums Business gekümmert, da ist er wirklich prädestiniert für. Aber wir hatten bis vor kurzem auch noch in einer anderen Band zusammengespielt, er ist also auch nach wie vor Rock’n’Roll.

Apropos Business: Jennifer Rostock erwecken den Eindruck, dass es da so etwas wie einen Masterplan gibt. Ich meine, dieser ganze Retro-Look, der „Ideal“-Sound… wirklich „neu“ seid Ihr nicht, oder? Momentan passt das ja exakt in unsere Zeit. Was aber, wenn das mal passé sein sollte?

Das ist ja immer in Bewegung. Ich meine, die aktuellen Songs auf der Platte sind ja auch schon vor ein, zwei Jahren geschrieben worden. Jennifer und Joe, die unsere Songs schreiben, sind erst vor kurzem aus Zinnowitz, eine kleinem Kaff, nach Berlin gezogen. Das ist ein ziemlich krasser Sprung, der sich natürlich auch auf die Inspiration und das Songwriting auswirkt. Wir haben einfach unser Ding gefunden, und ich denke nicht, dass wir auf der nächsten Platte plötzlich Stonerrock machen, nur weil das dann vielleicht hip ist. Und auch die blöden engen Hosen werden wir uns sicher nicht abschwatzen lassen.

Nicht wenige halten Jennifer Rostock für eine waschechte Berliner Band, dabei besteht die Gruppe ja überwiegend aus Zugezogenen. Jennifer und Joe stammen ursprünglich von der Insel Usedom, Du bist aus Darmstadt. Ist das eigentlich typisch für eine Berliner Band? Man hat mitunter ohnehin den Eindruck, in Berlin leben nur Zugezogene?

Das kann ich nur bestätigen! Ich kenne gerade mal eine Handvoll „echte“ Berliner. Hier leben wirklich größtenteils Zugezogene… vielleicht kommt das ja auch cool rüber, so als „Berliner Band“.

Ihr habt Euch auch als Liveband einen exzellenten Ruf erspielt, den Ihr 2008 anscheinend untermauern möchtet: Ihr spielt dieses Jahr noch annähernd 80 Konzerte. Bleibt da eigentlich noch Zeit, neue Songs zu schreiben und ins Studio zu gehen? Wie sieht es mit einem neuen Album aus? Wie geht’s weiter?

Also, wirklich Zeit für Studioarbeit finden wir im Moment nicht. Jennifer und Joe haben zwar wohl schon einige neue Songs vorbereitet, aber wann es da ans Aufnehmen geht, steht noch überhaupt nicht fest. Aber wir brauchen auch noch nicht wirklich eine neue Platte, jetzt sind erst mal die Konzerte dran.

Wie war es eigentlich für Dich, auf dem Schlossgrabenfest zu spielen? Zur Primetime auf der Hauptbühne und dann noch im strömenden Regen…

Schön war’s! Trotz des Regens lief es sehr, sehr gut. Irgendwie hat aber das Keyboard was abbekommen und klang furchtbar verstimmt. Die Leute im Publikum haben das aber nicht so richtig mitbekommen… zum Glück! Aber es war auf jeden Fall geil! Wenn man aus Darmstadt kommt, ist es schon echt ’ne Ehre da auf der großen Bühne zu spielen, so vor der ganzen Family und den Freunden.

Zum Abschluss mal die Frage zu Deinem Namen: Wie wurde aus Chris Kohl „Baku“? Wo rührt denn, bitteschön, Dein Link zur Aserbaidschanischen Hauptstadt her?

Mit Baku in Aserbaidschan hat das eigentlich gar nichts zu tun. Wir waren zu Everest-Zeiten mal mit Useless ID, einer israelischen Band, auf Tour. Wir hießen ja alle Chris, Christopher, Christian und so. Das war den Israelis dann zu blöd, und da ich die Jungs an ihren Freund Baku aus Israel erinnerte, war das fortan mein Spitzname auf der Tour. Mittlerweile hat sich das eingebürgert, und obwohl ich echt schon einige Versuche unternommen habe da gegenzusteuern, werde ich den Namen einfach nicht los. Chris ist mir aber definitiv lieber…

Vielen Dank für das Gespräch.

www.jennifer-rostock.de