Gestaltung: Sandra Wittwer
Gestaltung: Sandra Wittwer

Im Grunde ist es ganz einfach: freies, kostenloses Internet per WLAN für alle! Ein „Freifunk“ eben. Dafür werden möglichst viele Netzknoten (zum Beispiel ein WLAN-Router) gebraucht, die miteinander verbunden ein lokales Datennetz bilden. Jeder kann mitmachen: ein Kabel mit einem handelsüblichen Router verbinden, freigeben – und los geht’s!

Darmstadt ist seit Anfang des Jahres mit am Start in Sachen Freifunk, einer Initiative, die ihre Wurzeln in Berlin hat. Dabei besinnt man sich auf Urideen des Internets wie freien Zugang, demokratische Strukturen, offenen Informationsaustausch und Ausfallsicherheit durch eine dezentrale Struktur. Die Darmstädter Freifunker haben sich beim Chaos Computer Club eingefunden, der sein Domizil im Johannesviertel hat. In der sogenannten „Trollhöhle“ kann man vorbeischauen und sich zum Selbstkostenpreis (es geht bei 15 Euro los) einen passenden Router organisieren – oder ein passendes Gerät einrichten lassen.

Alle 50 Meter ein funkender Router

Das entstehende lokale Netz – aktuell gebildet von etwa 35 Knoten – kann man sich wie eine vielfältige Walkie-Talkie-Verbindung vorstellen. In Zeiten von Telefon-Flatrates vielleicht nicht so interessant, aber wenn es zu Dingen kommt wie lokale Video- oder Radioübertragungen, ohne Belastung des persönlichen Datenvolumens, dann wird der Nutzen schon greifbarer.

Ziel ist, ganz Darmstadt mit einem freien WLAN-Netz abzudecken. Dazu braucht es alle 50 Meter einen funkenden Router – mögliche Teilstrecken werden zur Zeit über bestehende Internetverbindungen abgefedert. Aber das langfristige Ziel ist ja eine Unabhängigkeit von den kommerziellen Anbietern. Internet als Gemeingut. Lange Strecken können mittels Richtfunktechnik überbrückt werden. Eine denkbare Lösung, um Darmstädter Vororte an das schnelle Internet anzukoppeln oder in Zukunft die verschiedenen Freifunk-Netze zu einem großen bundesweiten Bürgernetz zu verweben (Inter-City VPN); regional passiert das bereits.

Jeder kann Dienste im selbstverwalteten Freifunk-Netz kostenlos benutzen und sogar anbieten. „Durch die dezentrale Struktur des Netzes ist es deutlich resistenter gegen Zensur und Überwachung im Vergleich zu den zentralen Infrastrukturen im Internet. Eine Registrierung mit persönlichen Daten ist dadurch auch nicht nötig, der Zugang kann kostenlos und anonym erfolgen“, erklären Ana Barroso und Christian Röder, zwei von aktuell etwa zehn Darmstädter Freifunkern.

Klingt fast zu gut, um wahr zu sein: Internet überall und ohne Login. Da wird einem jahrelang gepriesen, dass man sein WLAN verbarrikadieren soll und dann kommen da so ein paar Leute her und sagen: „Mach auf!“ oder „Hier! Freies Internet!“. Natürlich sollte man bei privaten Aktionen wie Bestellungen und Online-Banking weiterhin die üblichen Sicherheitsvorschriften beachten. Kniffe, die Sicherheitstechnikerin Ana und Programmierer Christian auch in kostenfreien Kursen vermitteln.

Selbst die Stadt Darmstadt hat jüngst beschlossen prüfen zu lassen, wie es – mit oder ohne Kooperation mit kommerziellen Anbietern – freien Internetzugang im Stadtgebiet geben könnte. Die Idee des frei verfügbaren Internets zieht also weite Kreise.

Kostenlos, selbstverwaltet, rechtlich sicher

Das Hauptproblem (bei freien Netzwerken), die sogenannte Störerhaftung [siehe Infos unten], vermeidet Freifunk durch abhörsichere, also verschlüsselte Verbindungen (VPN) ins große Netz über Länder, die gesellschaftlich und von der Gesetzeslage her bereits einen Schritt weiter sind. Natürlich ist es weiterhin illegal, geschützte Inhalte zu laden, nur ist dafür die ausführende Person haftbar, nicht der Anbieter des freien Zugangs!

Wer übrigens denkt, dass wenigstens in der Darmstädter Innenstadt überall schon schnelle Zugänge vorhanden sind, liegt falsch. Und selbst trendige Quartiere wie das Martinsviertel hinken teilweise hinterher. Hier kann ein Freifunk-Netz Abhilfe schaffen. Das lokale Netz (Meshing) verteilt die Gesamtlast und stellt so ungenutzte Ressourcen zur Verfügung.

Die freiwillige Initiative macht deutlich: Frei zur Verfügung gestelltes Know-how, kostenlose lokale Beratung und soziale Vernetzung sowie klug angewendete vorhandene Technik machen auf lange Sicht die im Vergleich zu hohen Kosten für privat genutzte Internetzugänge obsolet. Es braucht dazu nur den Willen, vor Ort mitzumachen, indem man einen Router einstöpselt.

 

Techie-Glossar

Störerhaftung: Wer privat einen offenen Zugang zum WLAN anbietet, läuft Gefahr, für illegale Aktivitäten anderer Leute geradestehen zu müssen. Freifunk kämpft dagegen und ist mit der angebotenen Struktur und dem politischen Willen unbehelligt.

VPN: Quasi eine abgesicherte Extra-Straße auf dem „Daten-Highway“, die den Internetzugang bis nach Holland und Schweden führt und dort Informationen des Internets bereitstellt. Auch die Übertragungen von Router zu Router sind damit gesichert; nicht jedoch die direkte WLAN-Verbindung zum Computer.

Inter-City VPN: abgesicherte, regionale Verbindungen zwischen den Freifunk-Netzen
Die aktuelle Entwicklung des Darmstädter Freifunk-Netzes lässt sich online in Echtzeit auf einer Karte verfolgen:

Die Freifunk-Initiative Darmstadt trifft sich jeden 1. und 3. Montag im Monat sowie jeden 2. und 4. Mittwoch in den Räumen des Chaos Computer Club Darmstadt in der Wilhelm-Leuschner-Straße 36 (am Ende des Hinterhofs die Metaltreppe nach oben). Das nächste Treffen ist am Montag, 03.11., um 19 Uhr. Aktuelle Termine und weitere Infos unter www.freifunk-darmstadt.de

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