Foto: Jan Ehlers
Foto: Jan Ehlers

Die stolzen Kandelaber vor dem Eingang sind von Albin Müller. Das Portal und die Reliefs im Foyer hat Heinrich Jobst gemeißelt. Und die Leuchter im alten Herrenbad sind exakte Repliken der Kunstwerke, die Peter Behrens einst gestaltet hat. Die Popstars des Jugendstils haben ihre Spuren hinterlassen. Posthum verleihen sie dem vor wenigen Tagen eröffneten Jugendstilbad am Alten Messplatz seinen besonderen Charme.

Unter anderem. Denn auch im Innern des neuen Darmstädter Badetempels, der zwischen 1907 und 1909 von Stadtbaumeister, Architekt und Jugendstil-Gegner (!) August Buxbaum errichtet wurde, ist die namensgebende, von Großherzog Ernst Ludwig geförderte Epoche omnipräsent. „Toll, wie mit Malerei Architektur gemacht werden kann“, ist selbst der städtische Denkmalpfleger Nikolaus Heiss beeindruckt. Überall im alten Herrenbad zieren handgemalte Jugendstil-Ornamente mit Motiven aus der Wasser-  und Badewelt die Wände und Decken: Wellen, Fische, Kraken, Seesterne – und immer wieder der Oktopus, der zum Logo des Jugendstilbades wurde. Dazu Terrazzoböden, Stukkolustro, Sgraffito, goldfarbene Friese, Intarsienarbeiten, Mosaike – und eine leuchtende Farbenpracht, die wohl nur wenige Innenarchitekten unserer Zeit so gewagt, aber gekonnt kombinieren würden.

Das sieht auch Nikolaus Heiss so. In den vergangenen zwei Jahren war er der „Veto-Spieler“, begleitete die Sanierung und Restaurierung des denkmalgeschützten alten Herrenbades mit Argusaugen. Und Heiss war auch ein bisschen der Robin Hood des Jugendstilbades: Der Familie Merck konnte er für die Rekonstruktion der markanten Turmhaube des neobarocken Buxbaum-Bades eine Spende in Höhe von 100.000 Euro entlocken. Weitere 46.480 Euro hat Heiss von Darmstädter Bürgern, dem Altstadtverein und dem Verein Freunde und Förderer des Alten Hallenbades gesammelt, um das Bad liebevoll authentisch zu restaurieren. Von den Leuchtern über die Türklinken bis hin zu den leuchtenden Originalfarben der Wände, die teilweise erst zum Vorschein kamen, nachdem sie mit Hilfe von Skalpellen, Lupen und Marderhaarpinseln unter millimeterdicker weißer Farbe freigelegt worden sind. „Die Restauratoren haben so was von sensibel gearbeitet. Sie verstehen das, was sie machen – und schaffen Dinge, die Bestand haben“, schwärmt der 64 Jahre alte Denkmalpfleger.

Das sanierte Jugendstilbad erstrahlt im Glanz von 1909

Im neu angebauten Teil des Bades an der Lindenhofstraße trifft Jugendstil auf Moderne: Hier befindet sich der Wellness- und Saunabereich. Nach außen hin bildet er die Silhouette des 1944 weggebombten Damenbades perfekt nach, innen jedoch wird mit den weichen Formen nebenan gebrochen: Hier dominieren klare Linien, bunt schillernde Mosaik-Fayencen und dezente Holzlamellen an den Fenstern. Ein Kinderplanschbecken gibt es hier, ein Becken mit Unterwassermusik und Lichtprojektionen, ein Außenbecken und eine Rasen-Liegefläche mit Blick auf die alte Stadtmauer sowie einen Wellness-Bereich mit Kneipp, Jod-Selen- und Solethermalbecken.

Die Saunawelt (mit Rhassoul- und Onsen-Bad, Hamam, Rosenholz -, Bio-, Kräuter- und einer separaten, kleinen Damensauna) erstreckt sich über drei Stockwerke des neuen Gebäudeteils. Wunderschön ist der Blick von der Dachterrasse aus über die Stadt.

22 Millionen Euro haben Sanierung und Neubau den Besitzer, die Wissenschaftsstadt Darmstadt, gekostet. Elf Becken mit 850 Quadratmeter Wasserfläche stehen den jährlich erhofften rund 300.000 Gästen zur Verfügung. Betrieben wird das Bad von der Firma Aquapark (Münster).

Ein Herz für die rund 27.500 Darmstädter Studenten (Stand: März 2008) hat der Betreiber allem Anschein nach nicht. Studierende zahlen – im Gegensatz zu Rentnern, Behinderten, Familien, Kindern und Jugendlichen – den vollen Eintrittspreis: 5 Euro (für zwei Stunden Schwimmen), 13,50 Euro (vier Stunden Schwimmen,  Wellness und Sauna) sowie 16 Euro für ein ganztägiges Bade- und Wellnessprogramm (Stand: März 2008). Das Jugendstilbad hat täglich von 10 bis 22 Uhr geöffnet. Die Gastronomie wird laut Aquapark neben Pommes frites mit Hähnchennuggets auch frische Salate, Pasta, Fleischgerichte und regionale Küche anbieten.

„Ich genieße es schon, dass jetzt alles fertig ist“, sagt Nikolaus Heiss. In ein Loch werde er aber nicht fallen, schmunzelt Heiss. Im Früsommer will der professionelle Fotograf einen Bildband über das Jugendstilbad herausbringen. Seit Januar ist er außerdem „Mathildenhöhen-Koordinator“ und kümmert sich um die Bewerbung der Jugendstil-Stadt Darmstadt als UNESCO-Weltkulturerbe. Auch der neue Badetempel am Alten Messplatz spielt dabei eine gewichtige Rolle.

 

Öffnungszeiten: Täglich von 10.00 bis 22.00 Uhr

Anreise: Bus- und Straßenbahn-Haltestelle „Jugendstilbad“ vor dem Haupteingang / circa 5 Gehminuten zur Innenstadt

Parkmöglichkeit: Tiefgarage „Jugendstilbad“

Infos zu Kursen und aktuellen Aktionen:

www.jugendstilbad.de