Illustration: Rocky Beach Studio
Illustration: Rocky Beach Studio

In der Rubrik „Schulterblick“ blicken Exil-Darmstädter auf die Zeit in ihrer ehemaligen Heimatstadt zurück. Diese Rück-Sicht ist nicht immer rosarot gefärbt, auch mal rücksichtslos, und die wenigsten P-„Schulterblicker“ können sich vorstellen, irgendwann einmal wieder in Darmstadt zu leben. Aber es gibt sie: ehemalige Exil-Heiner, die sich aus den unterschiedlichsten Gründen wieder für Darmstadt entschieden haben! Auch die Autorinnen dieses Artikels sind wieder zurückgekehrt – und waren der Annahme, dass es auch anderen so ergangen sein könnte. Darum haben sie sich auf die Suche nach weiteren Rückkehrern gemacht. Und sie gefunden.

Flo, im Sonderzug von Pankow nach DA:
„In Berlin war ich knapp eineinhalb Jahre und habe dort gearbeitet. Da die Fernbeziehung zu belastend war, musste ich zwischen Job oder Beziehung wählen. ich habe mich für die liebe entschieden. Außer meiner alten Wohnung gab es für mich keinen bestimmten Ort in DA, den ich besonders vermisst habe. Vielmehr hat mir die Kompaktheit und Vertrautheit von Darmstadt gefehlt. im Unterschied zu DA ist Berlin riesig und kaum mit Darmstadt zu vergleichen. Wenn Du in Darmstadt vor der Entscheidung zwischen zwei Dingen stehst, hast du in Berlin mindestens 20 zur Auswahl. Aber ein Überangebot muss nicht immer gut oder besser sein, deshalb auch meine kleine Sehnsucht nach Kompaktheit und Übersichtlichkeit.“

Inga, im Nachtzug von Lissabon nach DA:
„Ich war für ein Semester in Lissabon und bin seit Juli 2009 wieder zurück, um mein Studium in Darmstadt zu beenden. Bin auf jeden Fall jetzt noch ein Jahr bis zum Diplom hier. Danach will ich wieder weg… nicht unbedingt ins Ausland, aber eine größere Stadt muss schon sein. Zu den Orten in Darmstadt, nach denen ich mich in Portugal sehnte, gehört der Herrngarten. Es gab zwar auch Parks in Lissabon, aber nirgends kann man sich im Sommer die Zeit so gut vertreiben wie im Herrngarten. Der entscheidende Unterschied zwischen Darmstadt und Lissabon ist natürlich das Meer und der Strand vor der Tür. Abends nach der Uni noch mal schnell ans Meer fahren und den Sonnenuntergang beobachten… da fehlt mir in Darmstadt das Wasser -und da kann der Woog einfach nicht mithalten!“

Jens, checkout Tokio Hotel, next stop DA:
„Nach meinem Studium habe ich in Tokio ein Praktikum absolviert, dort für sieben Monate gelebt und bin seit Weihnachten 2008 wieder zurück. Der neue Job war der Grund dafür, wieder nach Darmstadt zu kommen. Wobei es Zufall war, dass ich bei all den deutschlandweiten Bewerbungen letztendlich wieder hier gelandet bin! Für wie lange ich in Darmstadt bleiben werde? hm, jobmäßig gerne lange, den Rest weiß nur der Wind… An einen bestimmten Ort in DA habe ich mich nicht gesehnt. Es hat mir in Japan einfach so gut gefallen. Freunde und Familie hätte ich hingegen gerne mal schnell besucht oder einfliegen lassen, um ihnen Tokio zu zeigen. Aber was mir immer wieder gut gefällt, ist das Hundertwasserhaus mit dem Café im obersten Stock. Dort habe ich auch vor meinem Abschied nach Japan noch mal mit meinen Freunden gefeiert. Der entscheidende Unterschied zwischen Tokio und DA ist offensichtlich: zum einen die spannenden kulturellen hintergründe und zum anderen die Anzahl der Menschen. in Darmstadt leben ungefähr 0,004% der Einwohnerzahl, welche im Raum Tokio wohnen. Was wir hier landläufig als volle Straßen beurteilen,  bedeutet dort quasi leer.“(Liebe P-Leser, Eure Hausaufgabe bis zum Februar: Wie oft passt Darmstadt flächenmäßig in Tokio rein?)

Skadoo, mit der Luftgitarre im Gepäck nach DA:
„Durch das Studium bin ich hier vor sieben Jahren gelandet. Öfters war ich weg, aber nie länger als sechs Monate. Der letzte längere Aufenthalt außerhalb DA war in meiner Heimat, im herzen des fränkischen Seenlandes, aber ohne gelegentliche Besuche in der Wahlheimat DA ging es nicht. Wäre das Studium aber nicht gewesen, hätten DA und ich uns wohl nie kennen gelernt. Zurückgeholt haben mich nicht nur die Arbeit, sondern vor allem Freunde und die Aussicht, hier als Luftgitarrengöttin ganz groß Karriere machen zu können. Weitere unschlagbare Vorteile von Darmstadt? Darmstadt ist klein, das merkt man auf dem Rad, das merkt man beim Ausgehen und das merkt man, wenn man mal raus will aus der Stadt – wandern, Rad fahren, verreisen. Am meisten vermisst habe ich den Wald hinterm Böllenfalltor und mit einem „Spritz“ in der hand in der Weststadtcafé-Hollywood-Schaukel zusammen mit Freundinnen in die Sonne zu blinzeln. Was den Unterschied zwischen meiner fränkischen Heimat und DA ausmacht? Da fällt mir das heimatliche Bier ein. Doch fahre ich regelmäßig heim und bringe kästenweise Gerstensaft mit. Und natürlich der Wassernotstand. Klar kann man hier auch in den Gruben und Bädern in und um DA schwimmen, aber so ein größerer See oder gar ein richtiger Fluss durch die Stadt, das hat unheimlich Charme. Dafür ist das Publikum in Darmstadt wesentlich internationaler und die Lebensstile sind alternativer – na, und meine Freunde, klar, die sind nur hier und werden auch wieder immer mehr (die Rückkehr-Welle rollt!)!“

Es gibt sie also doch, die Rückkehrer nach Darmstadt, ganz gleich aus welchen Gründen sie keine Exil-Darmstädter mehr sind. Ob es für immer ist oder als Zwischenstation, muss jeder selbst entscheiden. Aber eines steht fest: Darmstadt zieht an!