Foto: Antipreneur
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Braucht man eine Leidcreme, Unglückskekse, Mini Crash Cars, eine Privatieruhr, ein Männermagazin mit dem Titel „Einseitig verliebt“ oder ein Kriegsquartett? Sicher. Nur, was die Leute auch wollen, wird produziert, sagt der Entrepreneur. Und der Antipreneur? Er antwortet das gleiche. Und doch gibt es einen entscheidenden Unterschied. Der Entrepreneur will verkaufen, der Antipreneur übt kreative Konsumkritik. Soweit klar? Nein?

Jacob Chromy ist Head of Process and Product Planning bei Antipreneur. Ein smarter, vor Ideen sprudelnder Typ, 30 Jahre alt und die letzten zwei Jahre damit beschäftigt gewesen, seine Version der Konsumkritik auszufeilen und ins Leben zu rufen. Für solche Menschen hat unsere Gesellschaft die Bezeichnung „Unternehmer- und Machertyp“ vorgesehen. Oberflächlich betrachtet trifft das eigentlich auch zu. Aber auch nur eigentlich, denn Kritiker wie Jacob imitieren die Techniken und Mechanismen unserer Leistungs- und Konsumgesellschaft und instrumentalisieren sie für ihre Zwecke, um die Menschheit über die Irrungen und Wirrungen dieser Welt aufzuklären. Ihren Protest äußern sie allerdings nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern subversiv mittels totaler Überhöhung. Überidentifikation nennt sich diese Form der Kommunikationsstrategie, die so weit geht, Studenten der New Yorker State University mit voller Ernsthaftigkeit vorzuschlagen, Kot der Ersten Welt zu recyceln, um daraus günstige Burger für die Dritte Welt zu produzieren. Pervers. Krank. Das stinkt doch! Tut es auch und zwar im doppelten Sinne. Die Gruppierung dahinter, zu finden unter www.theyesmen.org, ist seit 1999 aktiv. Mit ihrer gefälschten WTO- (World Trade Organization-) Webseite bekam „The Yes Men“ trotz vollkommen überzogener Aktionen immer wieder Einladungen realer Institutionen. Die beiden Köpfe Jacques Servin und Igor Vamos nutzen diese Rednerbühnen, um ihre durchgeknallten Gedanken publik zu machen.

Foto: Antipreneur
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Bei Jacob ist die Bühne der Online-Shop www.antipreneur.de, der seit Ende Februar im Netz ist. Erste Bilanz nach wenigen Wochen: bereits 33.000 Klicks, 60 von Usern eingereichte Slogans, 18 Produktideen. Es gibt also ein Echo. Und das ist auch das eigentliche Ziel: Einen Diskurs über die Rolle und den Sinn von Konsum anzuregen, der sich im Mitmachen vollzieht. So verbreitet sich die Idee von allein und man selbst wird Teil einer globalen Bewegung.

Im normalen Leben verdienen Jacob und seine rund 20 Mitstreiter ihre Brötchen im System. Auf die Frage nach seinem persönlichen Ziel fällt der Begriff „Socialpreneur“, quasi die Synthese aus Entrepreneur und Antipreneur: Ein erstrebenswertes Unternehmerideal, das statt finanziellem Profit gesellschaftlich-wertvolle Projekte im Fokus hat. Also nicht „Saufen für den Regenwald“, wie eine nationale Biermarke seine kommerziellen Ziele als Gutmenschtum verschleiert.

Ach ja, Jacob will irgendwann das „A“ – vom Apotheken-„A“ bis zum Anarchie-„A“ – „besetzen“. Deswegen findet sich auf jedem Artikel auch ein anderes „A“-Logo. Bis dahin werden die Antipreneure um den Mastermind, die selbstverständlich alle unentgeltlich arbeiten, noch viele neue absurde Produktideen erdenken und liebevoll gestalten. Der jüngste Coup ist die Waldbrandtapete, beworben als die „hitzeresistente Lösung für Leute, die Waldspaziergänge lieben, aber den Hitzetod fürchten“. Wer das Produkt unverzichtbar findet und auf „Kaufen“ klickt, wird überrascht sein … So viel sei verraten: Die Tapete versetzt einen in Feuer und Flamme. Einfach ausprobieren. Oder wie Jacob sagt: „Kaufimpuls auslösen, Dissonanz erzeugen, aktives Handeln bewirken.“ Ihr seid am Zug. Ihr könnt es ändern.

 

www.antipreneur.de