Foto: Jan Nouki Ehlers
Foto: „Circus”

Das Verhältnis zwischen Weblogs und Print-Publikationen wird in aktuellen Diskussionen in Zeitschriften oder im Internet oft als Konkurrenzkampf dargestellt. Wie gut sich beide eigentlich vereinen lassen, zeigt der junge Verlag Herznote in Darmstadt. Blog und Print finden unter dem Dach eines neuen, erstmals am 14. September erscheinenden Bookazines – einer Mischform aus Buch und Magazin zu einem bestimmten Thema – zusammen. In den Kleinschen Höfen in der Erbacher Straße hat „Circus“ seine Manege gefunden.

Dank eines glücklichen Zufalls ist das Herznote-Team in dem Darmstädter Kreativpool gelandet. Denn obwohl die in der Annonce beschriebenen Voraussetzungen nicht ideal erschienen, gab man den Räumlichkeiten zwischen Hügel- und Elizabethenstraße eine Chance und nahm sich Zeit für eine Besichtigung. Vor Ort überzeugte die ruhige, angenehme Atmosphäre doch, und so zog der Herznote Verlag und die kurz zuvor gegründeten Circus-Redaktion im Februar dort ein.

Die Idee zur ersten Ausgabe des Circus mit dem Thema „Mode“ entstand aus der Kombination zweier Interessen heraus. Anke Schuhardt, Rebecca Sandbichler und Florian Siebeck studieren Online-Journalismus an der Hochschule Darmstadt. Die Liebe zum Internet, und eben auch zu Blogs, war also von Anfang an da. Außerdem begeistern sich alle drei für Mode und fanden so schnell Freude an den immer beliebter werdenden Mode-Blogs. Auch Mode-Magazine teilten ihre Begeisterung und widmeten verschiedenen Bloggern erste Beiträge. Große Blogs wie Thesartorialist.com oder Lesmads.de wurden schon in Maxi, Jolie, Glamour und ähnlichen Zeitschriften vorgestellt. Selbst zu Wort kamen sie dabei aber höchstens in Interviews.

Blogger in der Print-Manege

„Das wollen wir ändern!“ dachten sich die Studenten Anke, Rebecca und Florian und die Idee zu Circus war geboren. Denn hier schreiben nicht Redakteure, sondern Blogger. Die teilweise tägliche Auseinandersetzung mit Mode macht sie in den Augen der Circus-Gründer zu „absoluten Experten“. Ihr Zugang zum Thema Mode ist dabei häufig ein anderer als der von Redakteurinnen, die sich nach Anzeigenkunden, Auflage, Ressortleitung etc. richten müssen. „Blogger widmen sich den wirklich spannenden Themen“ sagt Anke Schuhardt, die für die Anzeigen- und Marketingleitung verantwortlich ist. Mit Circus möchte man neue Perspektiven auf ein bekanntes Thema liefern. Unabhängige, motivierte Blogger scheinen da die perfekten Schreiberlinge zu sein.

In der ersten Circus-Ausgabe geht es nicht um die üblichen Mode-Themen wie Trends, Designer oder Models. Stattdessen beschäftigen sich die mitwirkenden Blogger mit ungewöhnlichen Themen wie der Reaktion der Bekleidungsindustrie auf die konstante Gewichtszunahme der Bevölkerung oder der Hektik hinter den Kulissen einer Fashion-Show.

Insgesamt 50 Blogger aus aller Welt haben zur ersten Ausgabe von Circus beigetragen. Darunter bekannte Namen wie Shini-Park aus London (parkandcube.com) oder Newcomer wie Ervehea aus Berlin (ervehea.blogspot.com). Ihre Beiträge werden jeweils in ihrer Muttersprache und in Englisch gedruckt. Ist die Muttersprache Englisch, dann wird der Beitrag zusätzlich in Deutsch veröffentlicht.

Sprachliche und kulturelle Unterschiede

Die Kommunikation über E-Mail und Skype zwischen Redaktion in Darmstadt und Bloggern aus der ganzen Welt war nicht immer einfach. „Zwischen uns lagen nicht nur tausende Kilometer und viele Zeitzonen, sondern auch sprachliche und kulturelle Unterschiede“ erklärt Chefredakteurin Rebecca Sandbichler. Allen Widrigkeiten zum Trotz war das Circus-Redaktionsteam mit der Qualität der Artikel, Illustrationen und Fotostrecken sehr zufrieden. Besonders die Ernsthaftigkeit und Disziplin, mit der die Blogger an ihre Arbeiten heran gingen, überraschte die Redaktion fast ein wenig. Dass der Schreibstil sich von dem eines klassisch ausgebildeten Journalisten unterscheidet, erwarteten die Circus-Gründer. Sie sehen darin aber keinen Nachteil, denn „es stecken viel Emotion und Meinung, aber auch viele Fragen und kritische Gedanken in den meisten Texten“. So begründet Rebecca die bewusste Abgrenzung zu traditionellen Print-Publikation.

Monothematisch, zeitlos und wertvoll wie ein Buch

Von Magazinen wie Vogue oder Elle unterschiedet sich Circus auch optisch, als eine Mischung aus Buch und Magazin. Es ist fest gebunden, monothematisch, zeitlos und damit wertvoll wie ein Buch. Diese Qualität spiegelt sich natürlich auch im Preis wider. Mit 14 Euro liegt das Bookazine im oberen Preissegment des durchschnittlichen Kiosk-Sortiments. Circus ist dabei zur Hälfte durch Anzeigen finanziert. Trotz durchdachtem Businessplan und Erfahrungen, die das Herznote-Team schon mit vorherigen Veröffentlichungen wie „Nachts in Darmstadt“ und dem Studentenmagazin „darmspiegel“ machen konnte, gab es Schwierigkeiten beim Anzeigenverkauf. Denn über die Buchungen entscheiden Unternehmen meist ein Jahr im Voraus. Zwischen der Gründung der Circus-Redaktion und der Veröffentlichung der ersten Ausgabe liegen aber gerade einmal sieben Monate. „Da haben wir an einige verschlossene Türen geklopft“, berichtet Geschäftsführer Josef Mayerhofer. Die Auflage musste aufgrund der geringen Anzeigenbuchung von geplanten 50.000 auf 10.000 Ausgaben gekürzt werden.

Trotzdem bleibt das Circus-Team zuversichtlich, dass ihr Bookazine international auf positive Resonanz stößt. Mit der nächsten Ausgabe, die im März 2011 erscheint, soll die Auflage auf 35.000 erhöht werden. Dann geht es ums Reisen. Inga Schörmann, die stellvertretende Chefredakteurin, sagt: „Eine Heidenarbeit – aber ich freue mich drauf!“ Und genau von dieser Euphorie leben lesenswerte Publikationen. Egal ob online oder print.

 

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