Michael Hönig
Foto: Kim Epes

Als eine Abifete in einem Darmstädter Kellerclub auf der Kippe stand, weil er nicht behindertengerecht war, meinte der Barkeeper, der Rollstuhlfahrer des Abijahrgangs solle doch mal „über seinen Schatten springen“. Michael Hönig, stadtbekannt als „Mike“, der von Geburt an aufgrund eines Hüftschadens im Rollstuhl sitzt, fragte sich sogleich, wie er diesen Sprung wohl hinbekommen könnte.

Leider ist es mit Toleranz und dem Willen, so zu sein wie andere, nicht immer getan. Darmstadts Möglichkeiten der Abendgestaltung reduzieren sich rasch auf eine kleine Auswahl, wenn man im Rollstuhl auf der Suche nach ein paar Bierchen ist. Zwei elementare Grundvoraussetzungen stehen nämlich im Vordergrund: ebenerdiger Eingang und behindertengerechte Toilette. In den USA, wo Mike diesbezüglich sehr positive Erfahrungen gemacht hat, ist das in 95 Prozent der Fälle gegeben. In Darmstadt leider nicht, obwohl auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene das Behindertengleichstellungsgesetz gilt. Demnach müssen öffentliche Gebäude rollstuhlgerecht gebaut werden. Auf kommunaler Ebene ist dies aber nur relevant, wenn das Gebäude nach 1998 gebaut wurde.

Für Mike ist es ärgerlich, dass er nicht überall hinkommt, doch zumindest hat er Orte gefunden, an denen er sich wohl fühlt und als Rollstuhlfahrer gleichberechtigt ist. „Es liegt oft gar nicht an fehlender Toleranz oder Hilfsbereitschaft bei den Leuten, ganz im Gegenteil, aber sie denken die Sache oft nicht zu Ende“, erklärt der 41-Jährige das Dilemma. Freunde klopfen ihm freundschaftlich auf die Schulter und versprechen, dass sie ihm durch die Tür oder aufs Klo helfen. Aber genau da liegt die Crux: Die Selbstständigkeit steht für einen Behinderten an erster Stelle, er will nicht „getragen“ werden. Und außerdem: Was passiert in einer Panik- oder Fluchtsituation? Wer trägt ihn wieder hinaus? Mal ganz abgesehen von Versicherungs-Problemen, die so etwas mit sich brächte. Doch Mike hat sich nicht eingeigelt: Er kennt sich aus und hat sich seine eigene „Rolli-Kneipenlandschaft“ zusammengestellt. Wenn seine Freunde mal woanders hinmöchten, nimmt er das nicht gleich persönlich, denn die kleinen Eckkneipen und Cafés haben schließlich auch ihre Berechtigung.

„Zu Fuß“ kann der Darmstädter „Rolli“ genauso wenig gehen, wie er „über Schatten springen“ kann, doch mit Darmstadts „Verkehrssituation“ für Behinderte ist Mike recht zufrieden: „Ich kann Busse und Bahnen kostenfrei nutzen, in ganz Darmstadt verkehren Niederflurbusse und -bahnen, Behindertenparkplätze gibt es genügend.“ Mike wünscht sich allerdings von manch einem Darmstädter Mitbürger, er würde mal „über seinen Schatten springen“ und nicht faul den Behindertenparkplatz wählen, sondern weitersuchen. Denn von Nicht-Behinderten belegte Behindertenparkplätze sind für ihn sehr frustrierend. Für ihn ist das illegale Parken auf einem Behindertenparkplatz auch deshalb unverständlich, weil die Kosten für einen solchen Strafzettel so hoch sind, dass man dafür seinen Wagen tagelang in einem der teuren Darmstädter Parkhäuser parken könnte.

 

Übersicht über die Eignung Darmstädter Locations für Rollstuhlfahrer:

Rolli Grafik
Grafik: Rocky Beach Studio