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Foto: NSA-Spion-Schutzbund

Kaum aus dem Auto gesprungen, erspähe ich Daniel Bangert. In seinem weißen „Team Edward“-Shirt (mit einem Portrait des Whistleblowers Snowden) sitzt er auf einer Parkbank am Rande des Griesheimer Marktplatzes. Während er auf mich wartete, hat er sich ein Eis geholt. Mein erster Eindruck: Der Mann ist entspannt wie eh und je. Nach dem Interview weiß ich: Der Medien-Hype vom Sommer 2013 ist zwar schon lange verglüht, Bangert ist aber immer noch mit Feuereifer bei seiner Sache. Damals ging er als „NSA-Spion-Beobachter“ durch die Weltpresse.

Nach wie vor spaziert Daniel Bangert mit Freunden und Sympathisanten jeden Samstag zur US-Einrichtung „Dagger Complex“, die auf der Gemarkungsgrenze zwischen Darmstadt und Griesheim liegt. Hier sind sowohl das European Cryptologic Center als auch das European Security Operations Center der US Army untergebracht. Für Bangert und seine Mitstreiter bilden diese Institutionen zusammen die Europazentrale des US-amerikanischen Geheimdienstes. Auch das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ konstatiert im Juni 2014: „Der Dagger-Komplex ist mittlerweile die größte und wichtigste Außenstelle der NSA in Europa.“

Ursprünglich wollte der 29 Jahre alte Griesheimer nur einmal nachschauen, was dort, unweit seines Wohnortes, vor sich geht. Da er keine Lust hatte, völlig alleine durch den Spargelacker zu trotten, versuchte er, seine zumeist nicht sonderlich politischen Freunde zum Mitmachen zu motivieren. Er erstellte auf Facebook eine öffentliche Veranstaltung, fügte beim Texten eine gute Portion Witz und Ironie hinzu und lud alle seine Freunde ein.

„Spione beobachten“ als Facebook-Event

„NSA-Spion Schutzbund e.V. lädt zum Entdecken und Beobachten ein“, so die Einladung zum ersten Spaziergang. Am zweiten Tag nach Erstellung kommentiert einer seiner Freunde: „Meinst Du, die NSA liest schon mit?“ Am dritten Tag antwortet Bangert: „Ich warte noch auf den Vorabbesuch.“ Den sollte er am fünften Tag bekommen. Es läutet an der Tür. Zu Besuch: der Staatsschutz. Nach der Stippvisite wendet sich Bangert an die Medien. Am darauffolgenden Samstag treffen sich etwa 50 Menschen in Griesheim und spazieren in Richtung Dagger Complex. Auf dem Weg sammelt der Zug noch etwa 30 Personen ein, so dass man letzten Endes einen stattlichen Sommerspaziergang veranstaltet hatte.

Beim Ordnungsamt musste Bangert den Spaziergang als „Versammlung“ anmelden. Der Staatsschutz hatte ihn darauf hingewiesen, dass er dies laut Versammlungsgesetz tun müsse. Erfolglos erklärte er den Beamten, dass seine Veranstaltung gar keine Versammlung oder Demonstration sei: „Das ist eher so, als würde ich meine Leute auf den Bolzplatz bestellen zum Kicken. Versammlungsgesetz hin oder her – das sind dann auch mehr als drei und ebenfalls unter freiem Himmel.“ Eine Woche später wird wieder spaziert. Diesmal – nach einem bundesweiten Medienhype – mit rund 500 Teilnehmern.

Plötzlich wollen auch Journalisten aus New York und Russland Interviews von Daniel Bangert, auch in der ARD-Polittalksendung „Überzeugt uns!“ ist er zu Gast. Heute, knapp zwei Jahre später, ist der Gegenspionage-Aktivist, der darauf gehofft hatte, dass seine Aktion zum Selbstläufer werde, nicht mehr so präsent in den Medien. Dennoch wird jeden Samstag weiterspaziert, ein harter Kern von drei bis acht Leuten konnte gehalten werden. Und auch mit drei bis acht Leuten lassen sich nach wie vor Helikoptereinsätze der Polizei provozieren. Auf Nachfrage, warum ein solcher Aufwand betrieben werde, um die Beobachterbeobachter beim Beobachten zu beobachten, antwortete die Polizei, dass der Hubschrauber an jenem Tag zu jener Uhrzeit rein zufällig über dem Areal gekreist sei.

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Foto: NSA-Spion-Schutzbund
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Foto: NSA-Spion-Schutzbund

Die Aktionen des „NSA Spion-Schutzbundes“ seien übrigens nicht alle auf seinem Mist gewachsen, betont Bangert. Er beziehe viel kreativen Input über seine Freunde. Auf einen dieser Freunde ist Bangert besonders stolz. Dieser sei durch ihn „vom Katzenbildteiler zum politisierten Menschen“ geworden. Vor ein paar Monaten musste er sich anhören, dass er und seine Leute Müll hinterließen – für Bangert ein gefundenes Fressen: Seitdem leiht er sich beim Sicherheitspersonal des Dagger Complex Schaufel und Besen, um dort den Hof zu fegen. „Ich geh da halt hin und geh denen auf die Nerven“, grinst der Spion-Beobachter. Auf die Frage, was er vom geplanten Umzug der Einrichtungen nach Wiesbaden halte und ob er dann hinterherzöge, antwortet Bangert: „Ich glaube nicht, dass alle Einrichtungen nach Wiesbaden verlegt werden. Bisher ist meines Wissens auch nur der Umzug der 66th Military Intelligence Brigade geplant. Außerdem braucht die NSA auch externe Festplatten.“

Dass einer, der die Privatsphäre retten will, Facebook dafür nutzt, erscheint auf den ersten Blick widersinnig. Darauf angesprochen entgegnet Bangert: „Ich nutze Facebook auf eine andere Art als die meisten Leute – als gezieltes Informationsmedium ohne Katzenbilder.“ Außerdem könne man mit Facebook die Geheimdienste leicht auf sich aufmerksam machen. So suchte Bangert neulich auf Facebook nach einer Zentrifuge, um Uran anzureichern. Einer seiner Freunde bot bereitwillig seine Waschmaschine an. 1.200 Umdrehungen die Minute. So versucht er die Geheimdienste und ihre Maschinen zum Sammeln seiner Daten zu verführen. Diese verstehen keine Ironie. Die Menschen, die das, was herausgefiltert wurde, auswerten müssen, wohl schon. Niemand weiß, wie viele Kopfschüttler unter den Geheimdienstlern schon auf Daniel Bangerts Konto gegangen sind.

Occupy Wallstreet als Einstieg

Politisch aktiv war Daniel Bangert nicht immer. „Bei der vorletzten Bundestagswahl war ich wählen, weil meine Oma mich dazu angehalten hat“, erinnert er sich. Der eigentliche Politisierungsprozess habe bei ihm begonnen, „als ich mich mit dem Geldsystem beschäftigt habe. Das war für mich der Auslöser, mich aktiv einzubringen.“ Dann kam die Occupy-Bewegung auf: „Occupy Wallstreet habe ich verfolgt und erfahren, dass es in Deutschland ähnliche Aktionen geben sollte. Zuerst wollte ich zur Occupy-Demo nach Berlin fahren“, erinnert sich Bangert, „aber dann hat sich Occupy Frankfurt gegründet.“ Zu dieser Zeit arbeitete er noch im Gebäude der Europäischen Zentralbank in Frankfurt als Heizungsbauer. „Einen Tag vor der Demo habe ich meinen Bollerwagen beladen, dort dann das dritte oder vierte Zelt aufgebaut und zehn Monate im Occupy-Camp verbracht.“ Praktisch: „Vom Camp aus hatte ich nur fünf Minuten Weg zur Arbeit. Und ich konnte die Infrastruktur des Gebäudes nutzen, da dort auch ein Hotel untergebracht ist, in dem ich duschen, Zähne putzen und meine Wäsche waschen konnte.“

Auf der Arbeit wird er wiederholt auf sein Engagement im Occupy-Camp angesprochen. Immer wieder kommt es zu kontroversen Gesprächen mit der Geschäftsleitung, „aber ich lasse mich nicht unter Druck setzen“. Plötzlich befindet die Geschäftsleitung Bangerts Position als zu gefährlich für ihn, da er unter einer Schlafkrankheit leidet. Er wird an den Frankfurter Flughafen versetzt, bis es auch dort zu gefährlich wird wegen seinerNarkolepsie. Daniel Bangert wird zeitweise von der Arbeit freigestellt, bis letzten Endes die Kündigung droht. Daraufhin nimmt er sich einen Anwalt. Nach einem halben Jahr erstreitet er eine Abfindung und eine Umschulung. Zum Fachinformatiker.

 

Wolle spazieren gehen?

Der NSA-Spion-Schutzbund trifft sich jeden Samstag um 15 Uhr auf dem Griesheimer Markplatz. Der Spaziergang zum Dagger Complex beginnt für gewöhnlich zwischen 15.30 und 16 Uhr.

Viele weitere Infos, Videos, Links und ein Spaziergang-Tagebuch online auf www.nsassb.de und www.facebook.com/NsaSpionSchutzbund

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