Foto: Sabine Knauf
Foto: Sabine Knauf

Katharina Weimar ist 24 Jahre alt und wohnt in Darmstadt. 2011 bekam sie die Diagnose Zöliakie, eine chronische Erkrankung. Einzige Therapie: Lebenslanger Verzicht auf glutenhaltige Lebensmittel. Gluten ist ein Kleber-Eiweiß und in den meisten Getreidesorten enthalten. Kurze Zeit später wurden bei Katharina zusätzlich eine Fructose- und eine Histaminintoleranz diagnostiziert. Was das für sie im Alltag bedeutet, worauf sie verzichten muss und wie Darmstädter Restaurants mit den Unverträglichkeiten ihrer Gäste umgehen, das alles erzählt sie im Interview.

 

Was ist Zöliakie? Kannst Du das genauer erklären?

Zöliakie ist eine Autoimmunerkrankung, die bei Zufuhr von Gluten, das in Weizen, Roggen, Dinkel, Hafer und vielem mehr enthalten ist, die Darmzotten beschädigt. Das hat zur Folge, dass Nährstoffe nicht mehr aus dem Essen aufgenommen werden können und sogar das Krebsrisiko steigt. Die einzige Therapie ist deshalb eine komplett glutenfreie Ernährung.

Wie und wann wurde Zöliakie bei Dir festgestellt, welche Symptome hattest Du?

Ich wurde mit 16 oder 17 ins Krankenhaus eingeliefert, weil ich ein Magen-Medikament nicht vertragen habe. Ich hatte immer wieder Magen-Darm-Probleme. Also machten sie eine Magenspiegelung, aber letztlich hatte dort keiner Ahnung von der Krankheit. Dann hat man doch einen sogenannten Zottenschwund festgestellt. Es hieß dann, ich könne mir aussuchen, ob ich glutenfrei esse oder nicht. Daraufhin habe ich mich bei der Deutschen Zöliakie Gesellschaft [DZG, Anm. d. R.] angemeldet und glutenfreie Ernährung ausprobiert. Nach zwei Wochen war es mir zu blöd; ich redete mir ein, ich bräuchte die Ernährungsumstellung nicht. Aber dann kamen die Beschwerden wieder. In der Uni, von jetzt auf gleich, habe ich nichts mehr bei mir behalten. Für mich war klar: So kann es nicht weitergehen. Daraufhin wurde eine erneute Magenspiegelung gemacht, klares Ergebnis: Zöliakie.

Hast Du Dich selbst in das Thema reingearbeitet, oder hattest Du Hilfe?

Da war niemand, der gesagt hat: So oder so funktioniert es. Ich habe mir die Infos aus dem Internet – unter anderem unter www.dzg-online.de – rausgesucht und habe eine Ernährungsberatung aufgesucht. Man muss einfach viel selbst ausprobieren. Und dann habe ich Leute kennengelernt, die das gleiche Problem haben. So bekommt man wertvolle Tipps.

Darmstadt hat eine Selbsthilfegruppe für Menschen mit Zöliakie. Besucht Du sie?

Ich weiß, dass Darmstadt eine Gruppe hat, aber ich besuche sie nicht. Ich habe damals versucht, die Kontaktperson zu erreichen, doch sie antwortete nicht. [Eine P-Grafikerin hat positive Erfahrungen mit der Selbsthilfegruppe gemacht; Anm. d. Red.] Ich treffe mich privat aber mit anderen Betroffenen und wir kochen zusammen.

Im Vorgespräch hast Du erzählt, dass Du an einer Fructose- und eine Histaminintoleranz leidest. In wie weit schränkt Dich das zusätzlich ein?

Gestaltung: Katja Leitner
Gestaltung: Katja Leitner

Die Fructoseintoleranz bedeutet, dass ich nur sehr wenige Früchte essen kann. Zum Beispiel steckt in Äpfeln und Ananas sehr viel Fructose. Aber trotz allem kann ich die essen. Ich bekomme zwar Beschwerden, aber keine Schäden im Darm wie bei der Zöliakie. Bei der Histaminintoleranz sind die Auswirkungen ganz unterschiedlich. Magen-Darm-Beschwerden, aber auch Hautprobleme etwa, wenn ich Alkohol trinke. Auch bei Schokolade habe ich Probleme: vor allem Schwindel ist die Folge – und die Konzentrationsfähigkeit leidet auch.

Wie sieht Deine typische tägliche Ernährung aus?

Mein Brot backe ich selbst. Als Belag gibt es vorzugsweise Marmelade, die histaminarm gekocht ist. Wichtig ist, dass kein Gelierzucker drin ist. In der Mittagspause auf der Arbeit esse ich Salat. Und wenn ich abends heimkomme, koche ich mir meine richtige Mahlzeit. Meistens Kartoffeln oder Reis mit Gemüse.

Wo arbeitest Du und wie isst Du dort?

Ich bin IT Consultant bei Merck. Wir haben eine Kantine, in der täglich ungefähr 3.000 Essen zubereitet werden, aber der Kantinenchef sieht es nicht ein sein Essen zu kennzeichnen. Geschweige denn, mit mir in Kontakt zu treten um zu klären, was ich essen kann und was nicht. Deswegen gibt es für mich immer nur grünen Salat mit Olivenöl, Salz und Pfeffer. Jeden Tag das Gleiche. Mal gibt es ein paar Möhrchen dazu.

Was ist Dein Lieblingsessen?

„Glutinous Rice with Mango“. Das ist ein thailändisches Gericht. Der Klebreis wird für mehrere Stunden über einem Dampfbad gegart und dann zusammen geknetet mit Kokosmilch. Dazu frische thailändische Mango. Das muss ich allerdings immer selbst kochen. Das bekommt man hier sonst nicht.

Kannst Du überhaupt noch auswärts Essen gehen?

Ja, in Darmstadt im „Yang-Ji Sushi“ [in der Adelungstraße 11], im „Mare e Monti“ [Dornheimer Weg 72] oder Eis essen im „Coccola“ im Stadtzentrum. Oder auch im Restaurant „Sitte“ [Karlstraße 15], die haben sogar extra eine glutenfreie Karte. [Ein weiterer Tipp: das Mondo Daily in der Grafenstraße 31.]

Was musst Du beachten, wenn Du essen gehst?

Ich würde nie spontan irgendwo reingehen. Wenn wir mit den Kollegen essen gehen, rufe ich vorher an und kläre ab, ob sie was für mich haben. Dabei weise ich nochmal darauf hin, dass alles glutenfrei sein muss und mit nichts Glutenhaltigem in Berührung kommen darf. Zur Not habe ich immer eine Scheibe glutenfreies Brot dabei.

Wie gut hat sich Darmstadt auf Deine Bedürfnisse eingestellt?

Als ich hier nach Darmstadt gekommen bin, gab es keine Pizzeria und auch keinen Sushi-Laden mit glutenfreiem Essen. Beide haben sich sozusagen auf mich eingestellt. Ich glaube auch, dass das Sortiment größer geworden ist. Es wurde ein neuer Alnatura gebaut, der viele glutenfreie Lebensmittel im Sortiment hat. Ich versuche immer noch verzweifelt, bei Rewe die glutenfreien Maultaschen in das Sortiment zu kriegen, aber meine Mails und Gespräche haben noch nichts bewirkt. [Auch bei Tegut, Netto und Aldi gibt es glutenfreie Produkte; Anm. d. Red.]

Dein Geheimtipp in Darmstadt?

Das Ristorante Mare e Monti. Die machen mir meine eigene „Pizza Katharina“.

Wie hat sich Dein Einkaufsverhalten durch die Krankheit verändert?

Ich kaufe meist im Rewe, DM, Alnatura oder in Reformhäusern ein. Außerdem bestelle ich im Internet und backe selbst. Wenn ich in den Rewe gehe, dann ist mein Einkaufskorb viel kleiner als früher. Für glutenfreies Essen muss ich ungefähr 100 Euro mehr im Monat ausgeben.

Gibt es etwas, dass Du Dir von Supermärkten und Restaurants wünschst?

Einfach eine Liste, auf der steht, was genau im Essen drin ist und wie es in dem Restaurant zubereitet wurde. Oder sie müssen sagen, wenn etwas glutenfrei ist und es dann auch so kennzeichnen. Ich wünsche mir auch, dass die Supermärkte nicht einfach wieder Produkte aus dem Sortiment heraus nehmen, sondern, dass sie das Thema längerfristig verfolgen.

 

Interview: Anna Heiß + Sabine Knauf (Teilnehmerinnen am Semesterprojekt „So isst Darmstadt!“ an der Hochschule Darmstadt, Studiengang Onlinejournalismus in Kooperation mit dem P Stadtkulturmagazin)

 

Gestaltung: Katja Leitner
Gestaltung: Katja Leitner

Lebensmittelunverträglichkeiten

 

Histaminintoleranz

Abbaustörung in Folge oder als Nebenerscheinung von Allergien. Histamin ist ein biogenes Amin und bildet sich in Lebensmitteln, die lange reifen oder gelagert werden. Es ist enthalten unter anderem in Käse, Rotwein, Bier, geräuchertem Fleisch und Meeresfrüchten.

Häufigkeit: zirka 3 Prozent der EU-Bevölkerung, insbesondere Frauen

 

Fructoseintoleranz

Lebensmittelunverträglichkeit mit Symptomen von Magenbeschwerden bis zu Depression. Reaktion auf Fruchtzucker in Lebensmitteln. Enthalten in Äpfeln, Beeren und Wurzelgemüse oder verarbeitet in Brot.

Häufigkeit: nicht ganz exakt bezifferbar, mehrere „Gesundheitsportale“ im Internet sprechen von „rund 30 Prozent der westlichen Bevölkerung, wobei nur bei einem Drittel davon die Allergie ausbricht“.

 

Zöliakie (Sprue)

Autoimmunkrankheit mit lebenslangen chronischen Folgen

Häufigkeit: zirka 1:300

Zöliakie Selbsthilfegruppe Darmstadt/Südhessen: www.glutenfrei-suedhessen.de

Weitere Infos: www.dzg-online.de