Moralische Irrwege, irre Moral-Apostel

Unsere Theater-Tipps im April

Akrobatisches Schauspiel bei theaterINC | Foto: Sven Helge Czichy 

 

Das Auslöschen alter Identitäten im Staatstheater

The Importance of having an Identity: Die 72-jährige Erna führt ein beschauliches Leben. Jeden Morgen löst sie ihr ein Kreuzworträtsel, jede Woche kommt die abonnierte Fernsehzeitung und jeden Sonntag gibt es ein Stück Bienenstich in der Bäckerei Essig. Das Leben ist schön in Oggersheim und irgendwann, so träumt Erna, gewinnt sie beim Kreuzworträtsel den Hauptgewinn: eine Kreuzfahrt an die Adria. Einziger Haken: Erna ist erst 28, heißt Setareh und ist Migrantin. Warum? Schuld ist die Oggersheimer Bücherei: Setareh fiel Oscar Wildes Klassiker „Bunbury – The Importance of being Ernest“ in die Hände und seitdem glaubt sie fest daran, als Neugeborene am Bahnsteig ausgesetzt worden zu sein und eine andere Identität zu haben. Ein musikalischer Heimatabend, fast wie die „Lange Nacht der Schlager“, aber inklusiv und cooler.

Murau reist die Fäden ab: Franz-Josef Murau macht Schluss mit Wolfsegg – und diesmal endgültig. Wolfsegg ist der Ort seiner Kindheit und mit ihm verbindet er nichts. Nicht Gutes jedenfalls. Murau musste diesen Ort verlassen, um seine geistige Existenz zu retten. Doch nun muss er „back to Wolfsegg“. Ein Autounfall, bei dem seine Eltern und sein Bruder ums Lebens kommen, führt ihn zurück an den Ort seiner Kindheit. Für Murau ist’s an der Zeit, Wolfsegg für sich komplett zu vernichten. Sein Mittel der Wahl zur Auslöschung: schreiben.

„The Importance of being Erna“ Premiere am Fr, 12.4., um 19.30 Uhr in den Kammerspielen

„Auslöschung. Ein Zerfall“ am Sa, 13.4. + Fr, 19.4., jeweils um 19.30 Uhr in den Kammerspielen

staatstheater-darmstadt.de

 

Patriotismus im Witwenkleid

Ganz Bethulien wird belagert. Ganz Bethulien? Nein. Das Volk der ansässigen Hebräer leistet Widerstand gegen die Truppen des babylonischen Königs Nebukadnezar. Mit dabei ist die junge Witwe Judith. Sie wird umworben von Ephraim, doch an ihm und allen anderen Kerlen hat sie wenig Interesse. Nach dem Tod ihres Gatten hat sie den Männern abgeschworen. Umso mehr widmet sie sich ihrem Land, wird patriotisch und plant die Befreiung ihres Volkes. Größter Gegner ist dabei der tyrannische Feldherr Holofernes. Judith vertraut sich ihrer Dienerin Mirza an und offenbart ihr die Pläne zur Gegenwehr. Hebbels Tragödie beruht auf dem gleichnamigen Buch aus dem Alten Testament. Das Darmstädter „theater INC.“ hinterfragt in seiner Inszenierung Judiths Motive.

„Judith“ Wiederaufnahme am Do, 11.4. + Fr, 12.4., jeweils um 20 Uhr im Theater Moller Haus

theaterinc.de + theatermollerhaus.de

 

Ungeskriptet, bitte!

Das Darmstädter Improensemble „Alles auf Anfang“ betritt wieder die Bühne des Moller Hauses. Es entstehen kurze Szenen, die Spieler:innen improvisieren Geschichten und zeigen, dass Theater auch ohne vorgeschriebenes Drehbuch funktioniert. Von einem Moment auf den anderen werden mal komische, mal tragische, mal spießige Versionen der Gattung Mensch (Tier, Pflanze, Stein …) erschaffen. Der Hut wird zur Toilette, der Teller zum Hut und die Gabel zur Zahnbürste. Zarte romantische Bande werden geknüpft, überraschende Bühnentode gestorben. Zwei Darsteller:innen, die in der vorherigen Szene gemeinsam einen Mord aufklärten, können in der darauffolgenden bereits als Kommilitonen in der Bibliothek eine heimliche Affäre beginnen. Kreativ, lustig, energetisch!

„Alles auf Anfang Improshow“ am Sa, 13.4., um 20 Uhr im Theater Moller Haus

theatermollerhaus.de + allesaufanfang.eu

 

Von Scherbenhaufen und Hoffnungsschimmern

Drei Frauen stehen vor drei chaotischen Haufen, die sich ihre Leben nennen. Das Schicksal meint es nicht gut mit ihnen und dennoch kämpfen sie weiter. Griechischer Bürgerkrieg, Wirtschaftsmigration, kleinasiatische Katastrophe und eine Spirale aus Feindseligkeit und Ablehnung. Die Bedrohungsszenarien sind individuell. Eftichia, Maria und Despina leben an unterschiedlichen Orten, in unterschiedlichen Zeiten und kennen sich nicht. Doch die Schwierigkeiten ihres Lebens eint die Frauen in ihren individuellen Erlebnissen und machen ihr Erleben zu einem zeitlosen Phänomen. Entschlossen leisten sie Widerstand, nehmen ihr Schicksal in die Hand und kämpfen ums (Über-)Leben. Denn, was verdammt noch mal soll frau sonst tun?

„Bunte Frauen Theater“ Premiere am Do, 18.4. + Fr, 19.4., jeweils um 20.30 Uhr im Theater im Pädagog

paedagogtheater.de

 

Ja, nein, vielleicht!

Selbsthass und Anziehung sind eine ungute Mischung. Sie bringen magnetische Menschen-Konstellationen hervor, die alle in einen abgründigen Strudel reißen. Eva ist ein solcher Magnet. Milo liebt Eva und Finn liebt Milo. Eva liebt niemanden. Wer kann sie retten? Zur Auswahl stehen der gutmütige, alberne Finn mit der düsteren Vergangenheit, Milo, der sarkastische Beobachter, und eine betriebsblinde Polizistin. Hinzu kommen kunst- und sportfanatische Mitbewohner:innen. Wie soll die Polizistin hier das eigentliche Verbrechen erkennen? Wird schwer. Es ist die Sucht nach Leben, die die tiefsten Abgründe und höchsten Flüge der Menschen zum Vorschein bringt. Das Schauspielstudio inszeniert eine Tragikömodie mit bissigen Dialogen und Slapstick in einer comicartigen Pappwelt. Triggerwarnung: Suizid, Stück deshalb erst ab 12 Jahren geeignet.

„Sucht nach Leben“ Uraufführung am Fr, 26.4, um 20 Uhr im Theater Moller Haus

tud-schauspsielstudio.de + theatermollerhaus.de