Dating
Illustration: Martina Hillemann

Mit dem Smartphone in der Hand ziehe ich los, um die Männerwelt zu erobern. Jedoch nicht ohne den Hinweis meiner Mutter zu beachten: „Kind, treff Dich bloß net bei denen zu Hause.“ Also geht es in die hiesigen Bars, Cafés, Restaurants und Kneipen. Was ich da so erlebe? Lest und lernt aus meinen Erfahrungen und entdeckt, was unsere Stadt zum Thema Dating, Flirt und Gin Tonic zu bieten hat.

Weiblich, 23, 1 Meter 67, pragmatische Smartphone-Besitzerin sucht … Ja, was suche ich eigentlich? Nichts. Ich nutze. Gelegenheiten. Aber ein Mann, der antworten würde, wäre für den Anfang gar nicht mal so schlecht. So finde ich mich an einem frühen Samstagabend in meinem Zimmer wieder, das Handy in Reichweite. Geplant ist ein Date mit Mr. Business, der sich nach einem Geschäftsessen auf ein Getränk mit mir treffen möchte. Einzig die Uhrzeit und der genaue Treffpunkt fehlen mir noch zu meinem Wochenend-Glück.

Bing. Er? Nein, es ist meine beste Freundin, die mich dazu animieren möchte, meine Wartezeit ins Salon Latino unweit des Darmstädter Hauptbahnhofs zu verlegen, mit ihr. Ich und Salsa? Entlockt mir nur einen gelangweilten Augenaufschlag. Bis auf die Grundschritte des Cha-Cha-Cha sind meine tänzerischen Fähigkeiten nicht besonders ausgeprägt. Sie überzeugt mich schließlich mit dem Argument, dass ich ordentlich angezogen ja viel schneller zu meinem Date könnte. Nun gut, wenn er noch wichtige internationale Geschäfte tätigen muss (andere Gründe für die fehlenden Infos fallen mir natürlich nicht ein), kann ich auch Spaß beim Warten haben.

Immer noch ziemlich lustlos lande ich also vor dem Eingang des Salon Latino. Besagte Freundin ist schon dort und spricht auf mein angekratztes Selbstwertgefühl ein wie auf einen kranken Hund. Und als ob sie ihn bestellt hätte, steht in diesem Moment ein dunkelhaariger Mann im Eingang, der mich eindeutig zweideutig angrinst. So schnell, wie er grinste, so schnell ist er jedoch auch wieder im Club verschwunden.

Nach alter 603qm-Manier bleibe ich noch etwas vor der Tür – wissen wir doch alle: Die besten Abende finden vor dem Club statt. Natürlich nicht nur, weil ich befürchte, drinnen bei den lauten Salsa-Beats mein Handy nicht zu hören. Es dauert vor dem Salon Latino generell nicht lange, um mit heißblütigen Tänzern wenigstens schon einmal ins Gespräch zu kommen. So finden wir uns schnell in einer sprachlich lustigen „Erasmus meets Salsa“-Konversation wieder. Mit einem der jungen Tänzer wird die Unterhaltung sogar sehr schnell sehr sympathisch – und es dauert nicht lange, bis er meine Nummer erfragt. Huch, stimmt, man kann auch noch analog Typen kennenlernen. Eine lustige Retro-Erfahrung war das, sag ich Euch.

Dank trockener Kehle und mit dem beschwingenden Gefühl einer neuen Nummer in meinem Adressbuch bekomme ich den Club dann aber doch noch von innen zu Gesicht: lässig an die Bar gelehnt, nicht ansatzweise im Sinn, es den Menschen auf der Tanzfläche gleich zu tun. Da taucht plötzlich Mann Nummer Eins, das grinsende Gesicht, vor mir auf. Geschickt stellt er mein Getränk zur Seite und zieht mich auf die Tanzfläche. Ich bete zum DJ-Gott, dass jetzt bitte ein Cha-Cha-Cha ertönen möge. Ich glaube, der Fehler an meiner Bitte war jedoch, dass ich den Takt auch dann nicht wirklich erkannt hätte. Aber es funktioniert auch so. Und wie es funktioniert! Mädels, schenkt Euch die Tanzkurse und sucht Euch einfach einen Mann, der führen kann. So bewege ich mich also zu etlichen körperbetonten Beats. Nach einigen Umdrehungen brauche ich jedoch mal eine Verschnaufpause. Hatte ich Verschnaufpause gesagt? So schnell, wie er tanzte, so schnell spürte ich seine Zunge in meinem Mund.

Bing! Mr. Business! „Wo bist Du? Wir können uns jetzt treffen.“ Es ist 00 Uhr 30! Mit einem Grinsen auf den frisch geküssten Lippen und dem Gewinn von mittlerweile zwei Nummern entlasse ich ihn mit zwei hübschen blauen Häkchen („App geöffnet, wahrscheinlich gelesen“) in die Nacht und entschwinde wieder mit meinem guten Küsser, ähm Verzeihung, Tänzer in der tanzenden Menge. Tja, liebe Männer, lasst eine Darmstädterin eben niemals warten.