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Foto: Jan Ehlers

Seit 2013 vergibt der Förderkreis Hochzeitsturm e. V. alle zwei Jahre ein Turmschreiber-Stipendium. Im vergangenen November erhielt die Darmstädter Autorin Katja Behrens diesen Titel und die damit verbundenen 5.000 Euro. Aber was macht ein Turmschreiber überhaupt? Der Versuch einer Annäherung.

„Ohne Schreiben kann ich nicht leben“, umreißt Katja Behrens im Gespräch mit dem P die Bedeutung ihrer Arbeit. Der Begriff Berufung trifft es deshalb wohl besser. Behrens kann sich an eine Zeit vor der Schriftstellerei gar nicht mehr erinnern. „Ich habe schon immer geschrieben“, erzählt die 73-jährige Autorin über ihre Leidenschaft. Bevor sie von ihren Büchern leben konnte, hat sie als Übersetzerin gearbeitet. Anfang der sechziger Jahre übertrug sie die Drogenliteratur von William S. Burroughs ins Deutsche. Das war damals gar nicht so einfach, wie sie zurückblickend anmerkt: „Ich musste erst einmal ein Wort für ‚Junk‘ finden. Das gab’s damals ja so nicht in Deutschland.“ Um Heroin handelte es sich.

Danach, im Jahr 1973, kam sie nach Darmstadt zum Luchterhand Verlag, bei dem sie als Lektorin angestellt war. Doch das Schreiben eigener Erzählungen war damals schon ihre Passion, so dass sie sich Ende der siebziger Jahre entschied, freie Schriftstellerin zu werden. Katja Behrens hatte Glück: Eine Erzählung, die sie damals an die Frankfurter Allgemeine Zeitung geschickt hatte, wurde veröffentlicht. Danach konnte sie sich vor Angeboten von Verlagen gar nicht mehr retten.

Mittlerweile sind es über ein Dutzend Bücher in renommierten Verlagen, etliche Erzählungen und Aufsätze geworden. Es vergeht kein Tag, an dem sie nicht schreibt. „Wenn ich nur einen Tag nicht an einem Stoff arbeite, geht die innere Verbindung verloren“, erklärt sie. Das hat natürlich Konsequenzen für das eigene Leben: „Man muss in einer gewissen Weise doppelgleisig leben: einerseits der Alltag mit den Menschen und andererseits die Erzählung.“ Für Katja Behrens alles andere als eine Belastung. „Das Schreiben gibt mir sehr viel. Am Anfang weiß ich oft sehr wenig oder gar nichts über den Stoff und während des Schreibens lerne ich dann viel dazu. Auch weil man viel genauer sein muss als beim Sprechen. Manchmal verbringe ich mit einem Satz einen ganzen Tag“, so die Darmstädterin.

Ein literarisches Denkmal für Darmstadt

Auch ihrem Wohnort hat die Autorin mit ihrem „Roman von einem Feld“ ein literarisches Denkmal gesetzt. Das Buch gleicht einer Reise durch das Jahr auf dem Oberfeld. Die zwölf Kapitel behandeln jeweils einen Monat, darin wechselt sich die Jetztzeit mit historischen Betrachtungen ab, detaillierte Naturbeobachtungen werden mit Charakterzeichnungen unterschiedlicher Menschen angereichert. So ist es auch wenig verwunderlich, dass Behrens die weitläufige Rodungsinsel im Osten Darmstadts, gleich hinter ihrem Haus auf der Rosenhöhe, als Inspirationsquelle anführt. Natur und Naturbeziehungen sind in ihren Büchern wiederkehrende Themen. „Es ist großartig, wenn man für ein Buch Schnecken beobachten darf. Für dieses Buch war ich fünf Jahre lang immer wieder auf dem Oberfeld und habe Notizen gemacht, was wächst und welche Tiere sind da.“

Nun, als Turmschreiberin, sollten sich ihre Spaziergänge wohl auch auf die Mathildenhöhe und den Hochzeitsturm erstrecken. „Nein, ich gehe lieber über die Rosenhöhe“, antwortet Behrens ohne Zögern. Einen eigenen Raum zum Schreiben gäbe es – entgegen anders lautender Gerüchte – im „Fünf-Finger-Turm“ sowieso nicht. Auch werde ihr Buch, das im Rahmen des Turmschreiber-Stipendiums entsteht, nichts mit dem Wahrzeichen der Heiner zu tun haben. Sie sei keine Lohnschreiberin, betont sie.

Ein neues Buch ist unabhängig davon bereits fertiggestellt und soll im September dieses Jahres erscheinen. Auch hierin wird Darmstadt ein Thema sein. Es handelt von einem Roma, der Anfang der achtziger Jahre hier mit seiner Familie lebte und auf dessen Haus ein Bombenanschlag verübt wurde. Eine wahre Geschichte, in der die Verfolgung von Minderheiten eine Rolle spielt.

Katja Behrens kennt das aus eigener Erfahrung. Sie wurde 1942 als Tochter einer jüdischen Mutter geboren. Den Zweiten Weltkrieg überlebt hat sie nur knapp mit ihrer Mutter und Großmutter bei einem katholischen Pfarrer in Österreich. Das Judentum ist ihr wichtig und taucht auch immer wieder in ihren Geschichten und Büchern auf. „Ich fühle mich als Teil davon, bin aber nicht religiös. Ich sehe das eher als Schicksalsgemeinschaft und fühle mich sehr verbunden“, beschreibt sie die Bedeutung ihrer Herkunft.

Obwohl sie in Berlin zur Welt kam und in Wiesbaden aufwuchs, ist ihr Darmstadt mittlerweile zur Heimat geworden. Vor allem schätzt sie das Engagement der Stadt für die Literatur und sie liebt ihr Haus, das etwas versteckt auf der Rosenhöhe liegt, zwischen Natur und Stadt, wie sie zum Abschluss unseres Gesprächs betont. Und der Hochzeitsturm ist ja auch nur wenige Schritte entfernt.

 

Lesungen und Lesestoff

Ganz ohne Turm geht es dann doch nicht: Im Rahmen ihres Turmschreiber-Jahres wird Katja Behrens bei freiem Eintritt fünf Lesungen im Fürstenzimmer des Hochzeitsturms halten. Nächster Termin: Donnerstag, 10.03., um 19 Uhr aus „Roman von einem Feld“, weitere Infos unter: www.hochzeitsturm-darmstadt.eu

Aktuelle Bücher von Katja Behrens: „Adam und das Volk der Bäume“ (2013); „Roman von einem Feld“ (2007, neu aufgelegt 2016)

www.katja-behrens.de