Grafik: Rocky Beach Studio
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Endlich wieder großer Fußball in Darmstadt. Hurra! Selbst in der „Sportschau“ kamen die „Lilien“ schon vor. Darmstadt kennt nun auch der letzte Wendeverlierer in der Uckermark, und dafür ist es jeder städtische Schulden-Euro wert, erlassen zu werden. Noch ist freilich nicht ganz klar, was herauskommen soll für die Stadt, wenn die „Lilien“ bei einer wöchentlichen Fußballfernsehsendedauer von gefühlten zwanzig Stunden ab und an mit 180 Sekunden im Vorprogramm vertreten sind. Touristen aus der Uckermark vielleicht?

Doch wir wollen ja nicht alles immer nur schlecht reden, denn der Aufstieg in die 3. Liga hat für die Darmstädter bisher wunderbare Erlebnisse gebracht. Vom Auftaktspiel gegen Osnabrück bleibt die schöne Aufforderung der Polizei in ewiger Erinnerung, als nervöse Fangruppen zur Räson gebracht wurden mit dem Hinweis: „Treten Sie zurück von der Polizeikette, sonst wird der Hund eingesetzt.“ DER Hund. Gerne hätte man dieses sagenhafte Tier gesehen. Aber das war nicht nötig, denn allein die Androhung genügte, dass wieder Ruhe rund ums Marathontor einkehrte.

Beim Spiel Zwei in Aalen war eines total uninteressant: das Spiel. Vielmehr holten sich Daniel Werner, Markus Kiendorf und Sven Strobel an diesem Tag den Wanderpokal für herausragenden Faneinsatz ab. Rund 200 Kilometer waren sie von Darmstadt bis ins Schwäbische gelaufen. Übernachtung im Heuschober, Blasen an den Füßen, die erst an Weihnachten abgeheilt sind und Gaststätten, die Namen tragen wie „Zum Deutschen Reich“ zeugen von einer Abenteuerreise, über die noch lange zu sprechen sein wird.

Bis nach Sandhausen zu laufen, hätte sich hingegen kaum gelohnt. Dritter Spieltag, wieder kein Sieg, und so schlecht gespielt wie lange nicht mehr. Auch das ist egal, denn oft bleibt nicht das Erlebte in Erinnerung, sondern die Erzählungen darüber. Denn der schönste Fußballtext dieses Sommers wurde eindeutig für das Internetportal „Sportwoche online“ erstellt: „SVS´knickt beim 2:0-Sieg die Lilien, ohne zu blühen“. Was als Überschrift schon vielversprechend beginnt, sollte dann Zeile für Zeile umso mehr glitzern und funkeln. „Nach einem starken Intermezzo von SVS-Zerberus Daniel Ischdonat, der die Wikileaks in seiner Abwehr mehrfach – unter anderem gegen Sascha Amstätter und Marcus Steegmann – ausbügeln muss, heißt es erneut: Gestatten, Schulz! Dieses Mal haut der große Blonde einen langen Ball aus der eigenen Gefahrenzone Richtung 98er Beziehungskiste.“ Zerbebus? Wikileaks? Beziehungskiste?

„Bezeichnend, dass der einzige Darmstädter Torschuss nach dem Wechsel, vom eingewechselten Daniele Toch mutig abgefeuert, nicht einmal die von „Old Shatterhand“ Daniel Ischdonat wie ein Augapfel gehütete Beziehungskiste trifft und einen halben Meter über die Latte zischt (80.).“ Augapfel? Old Shatterhand? Beziehungskiste! „Die immer mehr dahin welkenden Zierpflanzen aus Darmstadt beherrschen zwar das grüne Zentrum im Mittelfeld, vermögen es aber im zweiten Durchgang nicht, die nun sattelfeste SVS-Defensive zu fordern, geschweige denn ernsthaft in Verlegenheit zu bringen.“ Welke Zierpflanzen, die das grüne Zentrum beherrschen?

Die Konsequenz: „Sandhausen bastelt weiter emsig am Bau der Kurpfälzer Mauer, ohne allzu sehr ans Schießen zu denken.“

Endlich wieder großer Fußball.