Grafik: Rocky Beach Studio
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Also, lieber Herr Kessler, Sie machen das ja soweit ganz gut als Präsident der „Lilien“. Solide Buchführung. Verein schreibt Gewinn. Hurra.

Nur mit Verständnis für und Umgang mit einem Derby will es noch nicht so recht klappen. Gefühlte acht Wochen vor dem Spiel gegen Kickers Offenbach haben die „Lilien“ damit begonnen, den Kartenvorverkauf für dieses Match zu bewerben in einer Art und Weise, als gäbe es kein Morgen mehr. Aus gutem Grund, denn für beide Vereine ist dieses Derby das Salz in der Drittligasuppe, für Darmstadt vielleicht noch mehr als für Offenbach. Das Spiel hat etwas Bitzelndes, es sorgt für alle Risiken und Nebenwirkungen, die Derbys eben außergewöhnlich machen, weil diese Spiele in ihrer kaum zu erklärenden Rivalität eben den Rest von traditionellem Fußballcharme bieten, den der glattpolierte Profisport dieser Tage verloren hat.

Auf diesem Ticket, lieber Herr Kessler, sind Sie ja schon auch gereist, als Sie wie wild für dieses Spiel trommelten. Hat sich ja auch gelohnt, die Bude war ausverkauft. Doch was Sie daraus gemacht haben, entspricht etwa dem Verhalten eines Gastgebers, der Freunden eine wilde Party verspricht – dann aber als Getränk nur „Staatlich Fachinger“ serviert, mit der Begründung: „Man kann ja auch ohne Alkohol fröhlich sein.“

Glauben Sie ernsthaft, lieber Herr Kessler, dass Präsidenten und Trainer von Celtic Glasgow und den Glasgow Rangers vor ihrem Match („The firm“ genannt) händeübereinanderlegend für ein Bild im Lokalblatt posieren, als hätten sie soeben die Friedenskonferenz von Jalta beendet? Nach dem Motto: Wir feiern jetzt ein ganz dolles „Fußballfest“ (Höllenwort), aber finden den Gegner natürlich auch ganz doll und haben ihn lieb. Und weil wir das machen, sind die Fans auch ganz lieb zueinander und strecken sich nicht gegenseitig die Zungen raus. Der Glasgower Fußballfreund, egal, ob grün oder blau, hätte hier höflich nachgehorcht, ob sich noch alle Latten am Zaun befänden.

Mag ja sein, dass solche Inszenierungen auch dem neuen Darmstädter Oberpolizisten Bernd Denninger geschuldet sind, dem als Wyatt Earp vom Woog schon der Finger am Pfeffersprayabzug zuckt, wenn jemand ein Stück Kaugummipapier fallen lässt. Unwahrhaftig ist dieses Geschmuse trotzdem. Und es wird von einem normalen Fan sowieso nicht ernst genommen.

Denn ein Derby muss aushalten, dass die besondere Nachbarschaftsrivalität gelebt wird. Die Kunst ist halt, die Balance zu finden zwischen herzlicher Antipathie – und abstoßender Aggressivität. Wenn die Darmstädter „Ultras“ Anti-Offenbach-T-Shirts verkaufen, dann ist das fanspezifische Pose, aber niemals Aufruf zur Gewalt. Und deswegen braucht das „Lilien“-Präsidium nicht in Hysterie zu verfallen und Angst um den guten Ruf des Vereins haben.

Jörg Dillmann hat es ganz gut zusammengefasst in seinem Aufruf vor dem Derby, mangelhafte Rechtschreibung hin oder her: „Das ich keinen Sinn darin sehe, Menschen nur auf die Glocke zu hauen, weil sie andere Vereinsfarben haben oder aus ner anderen Stadt sind“, schrieb der „Uffbasse“-Chef. „Entwickelt Fantasie beim Wettbewerb wer die besseren Fans und Ultras sind. Spass und Ulk kann mehr, nachhaltiger und öffentlicher wirken, wie sinnlose Randale. So könnt ihr euch beweisen und das Derby zu ner runden Sache machen.“

Dass das Derby 0:0 ausging, ist die gerechte Strafe für den ganzen Krampf vorneweg. Alle können es zum Rückspiel nur besser machen.