Foto: Jan Ehlers
Foto: Jan Ehlers

Der Name Uppercut ist seit den frühen Neunzigern kaum noch aus dem Darmstädter Nachtleben wegzudenken. Jeder Darmstädter und jede Darmstädterin, der oder die sich im weitesten Sinne für Bassmusik interessiert, war schon mal auf einer Party des seit 1992 existenten Uppercut Soundsystem. Aber für Außenstehende stellt sich oft die Frage, was das derzeit aus Florian Hierer (auch Labelchef von „Kehlkopf Aufnahmen“) und Elmar Compes (als DJ auch als Riot bekannt) bestehende Uppercut überhaupt ist: ein DJ-Team, ein klassisches Reggae-Soundsystem oder ein „Veranstaltungs-Ding“? Die beiden entspannt-sympathischen und fußballaffinen Umdievierziger klären auf – es ist im Grunde all das zusammen: Sie veranstalten Partys und Konzerte und legen dort dann auch auf, wobei das DJ-Team ein offenes ist. Ein musikalischer Swingerclub sozusagen. Da dieser in Genres wie Dancehall, Ragga, Jungle, Garage, Dubstep und Drum’n’Bass zuhause ist, lag es nahe, im Hörspiel an die Wurzeln zu gehen: HipHop und Reggae.

 

Marteria „Bengalische Tiger“

Der Rostocker Rapper ist ja mittlerweile knietief im Mainstream angekommen und ganz dicke mit Campino und Konsorten, hat aber als Marsimoto sein erstes Album 2006 auf dem Darmstädter Label „Magnum 12“ rausgebracht, das eng mit Florians Kehlkopf Aufnahmen verbandelt ist.

Florian: Ach ja, zu Marteria sag‘ ich nichts. Das ist ein absolut geiles Projekt, von vorne bis hinten perfekt durchproduziert, da passt alles!

Elmar: Das ist das Vorzeigeprojekt des deutschen, aber immer noch coolen HipHop.

Interessant finde ich, dass Ihr von einem „Projekt“ sprecht.

F: Ja, das ist ein Projekt, da arbeiten 40 bis 50 Leute dran. Das ist nicht mehr die Band mit vier Leuten, die da vorne steht und sich alles allein ausdenkt.

E: Wenn mein Sohn Marteria hören würde, hätte ich nichts dagegen.

 

Max Romeo „Chase The Devil“

1976er-Reggae-Klassiker, der als Vorlage für Prodigys Riesenhit „Outta Space“ diente.

[F singt sofort mit.]

E: Supergeiler Klassiker, der wurde schon total oft abgespult, in allen möglichen Versionen.

F: Es gibt sogar ’ne Dubstep-Version davon.

E: Das ist für den DJ ein Sure Shot, der geht bei jedem Publikum.

Vielleicht wegen seiner religiösen Botschaft? Immerhin soll ja der Teufel nach „outer space“ geschossen werden.

F: Glaub‘ ich nicht. Aber viele können sich damit identifizieren: Der Text ist recht einfach und jeder hat jemanden, den er gern in den Weltraum schießen würde.

E: Leider geht durch diesen Riesenhit der Rest seines Backkatalogs unter. Ich hab Max Romeo vor ein paar Jahren mal in der Centralstation gesehen, das war gut … sehr solide.

 

Elvis Costello & The Roots „Walk Us Uptown“

Die Roots um den Drummer Questlove und den Rapper Black Thought sind eine der wichtigsten HipHop-Bands, derzeit auch in der Jimmy-Fallon-Late-Night-Show aktiv. „Walk Us Uptown“ wurde zusammen mit dem britischen Songwriter-Altmeister Costello für das letztjährige „Wise Up Ghost“-Album aufgenommen.

E: Hört sich ein bisschen nach den Specials [führende Band des englischen Ska-Revivals um 1979, Anm. d. Red.] an. Ist das aus der Zeit?

Nein, das ist ganz neu.

F: Gorillaz oder so? Würd‘ ich nie auflegen!

E: Ich find’s ganz gut.

F: Ich könnt‘ mir nicht vorstellen, wo das laufen sollte.

E: Vielleicht Mike Skinner [dessen Projekt The Streets vor ein paar Jahren ganz groß war, der aber der Musik abgeschworen hat]?

F: Michael Jackson?

Nein. Es ist eine Kollaboration eines britischen Sängers und einer US-Band, die man nicht unbedingt zusammenbringen würde.

F: Heino und Sepultura? Ich weiß es nicht!

Die Band ist in letzter Zeit sehr beschäftigt als Hausband bei einer Late-Night-Show.

F: The Roots? Ja? Die neuen Roots-Sachen hab ich gar nicht mehr gehört, muss ich sagen. Die ersten vier Alben waren richtig geil, aber dann hab ich’s verloren. Mein Sound hat sich geändert.

E: Sie sind ja auch irgendwie experimenteller geworden. Ich war mal auf einem Roots-Konzert in der Centralstation und bin schon vor dem Ende gegangen … hat mir einfach nicht gefallen, obwohl ich mich sehr drauf gefreut hatte.

F: Das Problem ist, dass man die Texte von Black Thought nur verstehen kann, wenn man supergut Englisch kann und die entsprechenden Codes kennt.

 

Dread At The Controls (Mikey Dread & The Clash) „Rockers Galore … UK Tour“

1980 hatten The Clash auf ihrer UK-Tour offenbar so viel Spaß mit ihrem jamaikanischen Produzenten und Gastmusiker Mikey Dread, dass sie ihn auf der B-Seite ihrer „Bankrobber“-Single unverkennbar darüber toasten ließen.

F: Tja, Elmar, da musst Du ran. Klingt für mich nach mittags um drei aufm Reggae Allstar Yard.

E: Ist aber was Englisches oder? Bist Du sicher, dass das ein Jamaikaner ist, der da toastet?

Ja. Es ist eine englische Band mit jamaikanischem Toaster.

E: Was weiß ich? Die Sex Pistols?

Nahe dran, es sind The Clash mit Mikey Dread.

E: Die kenn‘ ich beide nicht so supergut.

 

 

Absolute Beginner feat. Bo 2003, Dendemann, Falkadelic, Ferris MC, Illo and Samy Deluxe „K2“

Deutschrap-Gipfeltreffen anno 1999.

F: Ach, Beginner.

Ihr habt neulich mit zwei Dritteln der Beginner zusammen aufgelegt. Wie war’s?

F: Hammerhart. Der Mad ist ein asozial geiler DJ. Der versteht es einfach auch perfekt, die Leute zum Durchdrehen zu bringen. Ich stand auf der Bühne und hab fast geheult, weil ich’s so geil fand.

Die machen gar nicht so viel derzeit, oder täuscht der Eindruck?

F: Der Denjo macht ein Album und sucht ein Label dafür. Und die Beginner? Sie wollen eben gute Sachen rausbringen, das dauert dann seine Zeit. Ihre Messlatte ist ja sehr hoch.

E: Ich hab früher fast nie Deutschrap gehört, aber Beginner fand ich immer super. Auf ein Samy-Deluxe-Konzert würde ich dagegen vermutlich nicht gehen.

F: Im Kesselhaus haben die mal vor 50 Leuten gespielt. „Hammerhart“ kann man als DJ auch heute noch spielen. Beginner gehört zu einer von, hmmm … vielleicht viereinhalb Deutschrap-Gruppen, die bei uns auch gelaufen sind.

 

Shy FX & T-Power „Shake Ur Body“

Britisches Jungle- und Drum’n’Bass-Urgestein, hier mit einem poppigeren 2001er Hit.

E: Seeeehr gut! Absoluter Don! Lieblingsproduzent.

Sofort erkannt?

E: Ja, logisch. Es ist auch eins seiner wenigen Lieder, die Charterfolg hatten in England. Das ist eins meiner absoluten Lieblingslieder, weil es ein R’n’B-Feeling hat, aber auch ziemlich hart ist. Wie hieß denn dieses erfolgreiche D’n’B-Lied, das in England in den Charts war? „I Hide You“ oder so was? [Was weiß denn ich? Die Diskografie von Shy FX ist übersät mit Weißlabel-Pressungen mit Namen wie „The Shit“ oder „Nasty“, aber ein „I Hide You“ konnte ich nicht finden.]

F: Die meisten Leute wissen ja gar nicht, was wir mit Uppercut für Drum’n’Bass-Feste gefeiert haben.

E: Wir hatten Storm da [eine Hälfte des weiblichen Drum’n’Bass-DJ-Duos Kemistry & Storm]. Im Kesselhaus haben wir ganz frühen Jungle und später dann Drum’n’Bass gespielt. Mal gucken, ob das mal wiederkommt. Ich komm gerade vom Notting Hill Carnival, da rasten die Leute komplett auf solche Sachen aus. Und Shy FX ist der Grandfather von allem.

 

Adolf Noise „Eure Reime sind Schweine (regelrechte Schweine)“

Der Ex-Fischmobber DJ Koze, inzwischen „Echo“-prämiert, produzierte 2001 mit seiner dunklen Künstlerseite Adolf Noise den ultimativen Battlerap: „Deine Reime sind Schweine, meine Reime sind feine Reime!“

E [lacht]: Max Goldt? Kenn‘ ich, davon gibt’s auch verschiedene Versionen, oder?

F: Das ist Musik, die hör ich mir an, wenn ich nachmittags in London beim Steakessen bin – da packt der Elmar immer solche Sachen aus.

Das ist Adolf Noise beziehungsweise DJ Koze.

E: Ach, so spricht der sich aus? Ich dachte immer DJ Kotze? Nee, das ist Max Goldt, das kannst Du bei Youtube gucken. Ich weiß nicht, ob’s Max Goldt zuerst gemacht hat oder DJ Kotze. Ich find‘ Max Goldts Gedicht fast besser als den Song.

Die Youtube-Version von Max Goldts Gedicht wird rausgesucht: … Elmar amüsiert sich prächtig!

E: Also Hausaufgabe: Von wem ist das Original? [Die Hausaufgaben hat mir Florian dankenswerterweise abgenommen: Tatsächlich stammen Text und Musik von DJ Koze.]

 

Dendemann „Metapher Than Leather“

Ein weiteres Deutsch-HipHop-Urgestein: Der Ex-Eins-Zwo-Rapper hat 2010 mit „Vom Vintage verweht“ ein rockisches Comeback-Album rausgebracht.

F [leicht gelangweilt]: Dendemann…

Klingst jetzt nicht so begeistert…

F: Na, der ist schon cool, aber irgendwie … ich weiß auch nicht.

E: Geht mir ähnlich. Aber ich glaube, mir gefällt auch das Jan-Delay-Rockalbum nicht.

Dendemann macht es hier aber, anders als Jan Delay, eher wie die frühen Beastie Boys, oder?

F: Ja, die sind aber von Rick Rubin produziert worden, das hatte dann schon eine andere Power.
Habt Ihr eine abschließende Botschaft an die P-Leser?

E: Unser großes Ding ist es, die DJ-Kultur wachzuhalten. In den Zeiten von Spotify, in der alle Musik verfügbar ist, ist für viele nicht mehr erkennbar, was dahinter steht, welche Entscheidungen dahinter stehen, warum ein DJ welche Stücke in welcher Reihenfolge spielt und wie das alles zusammenhängt. Es gibt auch immer weniger Stätten in Darmstadt, die so etwas anbieten. Also DJing und nicht nur die Aneinanderreihung von kommerziellen Stücken. Früher kamen die Leute auch mal an und fragten den DJ, was das für ein geiles Stück ist, das gerade läuft. Heute kommen sie und sagen, dass er gefälligst ein Stück von ihrem Smartphone spielen soll.

F: Und die Leute sollten auch verstehen, dass eine gute Party auch Geld kostet. Alle beschweren sich, dass nichts los ist, haben aber ein Problem damit, zwei Euro Eintritt zu bezahlen.

E: Es ist wichtig, dass Kultur Geld kostet – und auch Geld kosten sollte.
Fazit: Da bleibt nur zu sagen: Wo sie recht haben, haben sie recht! Nehmt es Euch zu Herzen, liebe Leser!

 

Uppercut for life!

Uppercut sind im Oktober zweimal als Veranstalter und DJs aktiv:

 

„Zehn Jahre, zehn DJs (10th Anniversary Special)“

„Strictly Vinyl“ mit: Lukas Lehmann (1990-1999, Deutsch HipHop), Thomas Hammann (1980-1989, Electro, Breakdance), Emre (1983-1992, HipHop), Phonk D (1970-1980, Disco), DJ Konni (1988-1998, Techno), Tosh (1990-1999, HipHop), General Motors (1998-2007, Dancehall), Jessica Coates (1980-1989, SynthPop), Sascha Ciminiera und Samuel Maasho (Acid House)

Weststadtcafé (Mainzer Straße 106) | Do, 02.10. | 23 Uhr | 5 Euro

 

It’s A Bassline Ting!

Uppercut Soundsystem & New Sound Order

Weststadtcafé (Mainzer Straße 106) | Fr, 31.10. | 22 Uhr | 5 Euro

 

www.uppercut.de