Foto: Jan Ehlers

Tja. Das war für mich im letzten Monat ja mal ein Einstand nach Maß. In meiner ersten Kolumne für das P hatte ich gehadert, dass die Lilien des Jahrgangs 2016/17 im Gegensatz zu den Lilien von 2015/16 so gar keine Eigenschaften auf den Platz bringen. Und dann? Dann lassen sich die 98er von einem Last-Minute-Sieg gegen Schalke wach küssen und spielen wie befreit auf. Dass es dann für den Klassenerhalt schon zu spät war … geschenkt. Die Mannschaft trat im Saisonendspurt als Einheit auf, legte alte Tugenden an den Tag und überzeugte fußballerisch. So wurde es ein Abschied aus Liga 1, der Mut macht für die zukünftigen Aufgaben.

Aber: Das Gesicht der Mannschaft wird sich im Sommer verändern. Das war schon immer so. Selbst als die Lilien vor zwei Jahren die Bundesliga enterten, blieben nicht alle bei der Stange. Mit Leon Balogun, Hanno Behrens und Romain Brégerie gingen gleich drei Stützen des Teams. Dirk Schuster wog den Verlust mit den Verpflichtungen von Luca Caldirola, Slobodan Rajkovic, Peter Niemeyer, György Garics, Júnior Díaz, Konstantin Rausch und Mario Vrancic mehr als auf. Für Edeljoker Ronny König kam Sandro Wagner. Einige Drittligahelden rückten ins zweite Glied. Der Coach hatte beim Nachjustieren des Kaders ein gutes Händchen bewiesen. Wie sich zwölf Monate später herausstellen sollte, war das Team schlagkräftig genug, um die Klasse zu halten. Schuster hatte dabei mit den Standortnachteilen der Lilien kokettiert. Wer beim Anblick der Katakomben die Nase rümpfe, der könne gleich wieder gehen. Er brauche Typen, die bereit seien, sich in den Dienst der Mannschaft zu stellen und alles abzurufen. Selbst als zu Saisonbeginn nicht alle Planstellen geschlossen waren, zeigte er sich zuversichtlich. Irgendwo werde schon einer hinten runterfallen, den die Lilien gebrauchen könnten.

Wie anders stellte sich die Situation im vergangenen Sommer dar! Am Bölle setzte eine Fluktuation ein, die an die Wechselperiode 2006 erinnerte. Seinerzeit endete die Ära von Bruno Labbadia. Dessen Nachfolger Gino Lettieri baute einen Kader zusammen, der partout nicht funktionierte. Was folgte war ein ernüchternder Abstieg. Als mit Dirk Schuster im vergangenen Sommer der Vater der jüngsten Erfolge das Bölle verließ, fehlte dort ein Plan B. Nach einiger Bedenkzeit sollten Holger Fach und Norbert Meier das Erbe gemeinsam antreten. Ihnen mangelte es aber am nötigen Durchblick und vielleicht auch an den richtigen Kontakten in ihren Smartphones. Als sich erst einmal keine Neuzugänge finden wollten, wurde gar über Handschellen fabuliert, mit denen man eben niemand ans Bölle ketten könne. Die Hilfslosigkeit der beiden war mit Händen zu greifen.

Schlussendlich lotsten sie neben drei Torhütern elf neue Feldspieler ans Bölle. Der Mannschaft wirklich weiterhelfen konnten die wenigsten. An einige Namen erinnert man sich kaum noch. Victor Obinna, Roman Bezjak, Lázsló Kleinheisler und Änis Ben-Hatira verließen den SVD schon im Winter. Alexander Milosevic – unter Norbert Meier unumstrittener Stammspieler – spielte unter Frings nur anfänglich eine Rolle und dann überhaupt keine mehr. Noch vor Saisonende kehrte er den Lilien den Rücken. Denys Oliynyk blieb zwar bis zum Schluss, spielte aber nur wenige Minuten. Lediglich Toni Colak, Artem Fedetsky, Sven Schipplock, Leon Guwara und Immanuel Höhn kamen auch unter Torsten Frings sporadisch zum Zug. Keiner von ihnen schaffte es allerdings, nach 34 Spieltagen auch nur auf die Hälfte der möglichen Einsatzzeit zu kommen. Als die 98er gegen Saisonende so richtig in die Spur kamen, waren sie allesamt außen vor. Torsten Frings hatte eine Stammelf gefunden (im Gegensatz zu Meier), die drei Bundesligasiege in Folge einfuhr. In ihr standen ausschließlich Schuster- und Frings-Spieler.

Klar, jeder neue Coach setzt seine eigenen Ideen durch, Spieler inklusive. Natürlich auch Torsten Frings. Dennoch muss man dem Duo Fach/Meier in puncto Neuverpflichtungen ein schlechtes Zeugnis ausstellen. „Dass wir abgestiegen sind, das haben wir in der Hinserie verbockt“, stellte rückblickend der einzige Volltreffer der Meier-Ära fest: Keeper Michael Esser. Wobei … seine Verpflichtung dürfte eher Torwarttrainer Dimo Wache zuzuschreiben sein, der mit Daniel Heuer-Fernandes zugleich einen zweiten guten Fang machte. Da hatte einer seine Hausaufgaben gemacht!

Das Gleiche ist Torsten Frings und seinem Team zuzutrauen. Mit Wilson Kamavuaka, Patrick Banggaard, Terrence Boyd und Markus Steinhöfer verpflichteten sie immerhin schon im Winter Spieler, die den Gang in die 2. Liga mitmachen werden. Mit Kevin Großkreutz folgte im April die Bekanntgabe des nächsten Neuzugangs. Ein Spieler, den Torsten Frings aufgrund seines Namens ans Böllenfalltor locken konnte. Wie zuvor Sidney Sam und Hamit Altintop. Das stimmt positiv, denn Ähnliches war dem Duo Meier/Fach nicht gelungen. Hoffen wir also einfach mal, dass es in diesem Sommer wieder ein paar Volltreffer unter den Neuzugängen geben wird.

 

LIEBEEER ZWEITE LIGAAAA … !

Vom 28.07. bis 31.07. startet die Zweitligasaison 2017/18. Mit dabei: unsere Lilien! Testspiele und aktuelle Infos zu den 98ern unter: www.sv98.de

 

Matthias, der Kickschuh und die Lilien

Seit Ende 2011 schreibt Kickschuh-Blogger Matthias Kneifl über seine große Leidenschaft: den Fußball. Gerne greift er dabei besonders abseitige Geschichten auf. Kein Wunder also, dass der studierte Historiker und Redakteur zu Drittligazeiten begann, über die Lilien zu recherchieren und zu schreiben. Ein Resultat: das Taschenbuch „111 Gründe, den SV Darmstadt 98 zu lieben“, das im Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag erschienen ist. Seit Juli 2016 begleitet Matthias gemeinsam mit vier Mitstreitern die Lilien im Podcast „Hoch & Weit“. Genau der richtige Mann also für unsere „Unter Pappeln“-Rubrik!

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