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Foto: Thomas Hobein

Jeder kennt den Wein, der im Urlaub so toll war und zu Hause auf der Couch nur noch enttäuscht. Der Grund liegt nicht im Wein, sondern in uns. Denn alles um uns herum verändert unsere Geschmacks-Wahrnehmung. Ganz besonders aber beeinflussen uns Farbe und Licht. Um das eindrucksvoll zu demonstrieren, haben uns die Lichtgestalter Rosa Erdmann und Christoph Pullmann nach Zwingenberg zu einer ganz besonderen Weinprobe eingeladen.

Wir sind skeptisch, als wir unter zwei futuristisch anmutenden Deckenleuchten Platz nehmen. Diese Lampen sind Prototypen, deren Licht sich aus sieben Leuchtdioden zusammensetzt. Mittels einer Software kann man damit nahezu jede denkbare Lichtfarbe und Farbtemperatur erzeugen. Sie sind die eigentlichen Stars des Abends – natürlich neben den drei Weinen, die Johannes Bürkle vom örtlichen Weingut Simon-Bürkle präsentiert. Die Runde der Probanden ist gespannt. Und dann geht es los.

Gewürztraminer, 2013, trocken ausgebaut

Wir beginnen die Probe bei einer Farbtemperatur von 3.200 Kelvin, das ist eine angenehme warm-weiße, gewohnte Innenraumbeleuchtung. Der feine Gewürztraminer überzeugt durch sein raffiniertes Wechselspiel zwischen Säure und Süße. In der Nase hinterlässt er einen etwas exotischen Duft.

Dann taucht Christoph den Raum in ein tiefes Rot. Es folgt das erste Aha-Erlebnis. Der Wein riecht ganz anders – nicht mehr so fruchtig, dafür süßer. Und er schmeckt auch süßer. Dann aber auch saurer. Irgendwie ist alles intensiver, jedoch nicht besser.

Yves-Klein-Blau ist die nächste Farbe. Dem Wein bekommt das gar nicht. Er riecht und schmeckt flacher – wie abgestanden. Dann wird der Raum gritzegrün – und der Wein bitter.

Das Licht hat jetzt 2.700 Kelvin, das entspricht dem sehr warmen Licht handelsüblicher Glühlampen, also auch dem Licht in vielen Weinstuben. Der Gewürztraminer präsentiert sich mit voller Wirkung: Geruch und Geschmack sind intensiver. Zusätzlich fällt uns eine leichte Bitternote auf.

7.000 Kelvin (pralle Sonne am Strand) färben Raum und Teilnehmer leicht blau. Der Wein flacht ab, das Aroma verliert deutlich an Intensität.

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Foto: Thomas Hobein

Granit, Riesling trocken, 2014

Wieder starten wir bei 3.200 Kelvin und erleben einen frischen, fruchtigen Riesling mit einer leichten mineralischen Note, die sich das Gewächs aus dem Granit holt, auf dem es wächst.

Wir fragen uns, wie der Wein in schummrigen Weinstuben schmecken mag. Also reguliert Lichtgestalter Christoph die Lampen wieder auf 2.700 Kelvin. Das Licht wird wieder wärmer, der Wein verliert seine Frische und seine Säure.

Am Strand passiert das Gegenteil. Der Riesling erscheint uns viel spritziger, ja, sauer. Seine fruchtige Note dagegen bleibt auf der Strecke.

Die knalligen monochromen Farben lassen wir in dieser Runde aus.

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Foto: Thomas Hobein

Pan, Rotwein trocken, Barrique, 2011

Dieser Rotwein ist eine ausgesprochen großartige, nicht zu schwere Komposition aus Cabernet-Sauvignon und Spätburgunder. Nachdem wir ihn bei 3.200 Kelvin kennen und schätzen gelernt haben, geht die Lichtorgel an – diesmal in der Reihenfolge Blau, Rot, Grün.

Blau lässt uns den Geruch als sauer empfinden, einige meinen, das Holz des Fasses zu schmecken. Rot zaubert den Geschmack des Cuvées einfach weg. Er riecht jetzt stark nach Alkohol, fast wie ein Cognac.

In grünem Licht verliert der Rotwein an Säure, wird weicher und ein wenig bitter.

Nach kurzer Rückbesinnung in warm-weißem Licht (ja, es ist noch der tolle Rotwein von eben) gehen die Glühlampen mit 2.700 Kelvin an. Der Wein riecht lecker und intensiver. Ich meine auch, dass er bitterer wird.

Dann besuchen wir das letzte Mal mit unserem Wein den Strand. Bei 7.000 Kelvin verliert der edle Tropfen alles, was ihn ausmacht und er wird bitter, also diesmal wirklich.

 

Fazit

Ich war skeptisch. Und ich glaube auch jetzt noch, dass einige Ergebnisse der Versuchssituation in der Gruppe geschuldet sind. Aber dennoch bin ich überzeugt, dass Licht unsere Wahrnehmung verändert und damit eben auch das, was wir riechen und schmecken. Winzer Johannes Bürkle probiert seine Weine jedenfalls bei Tageslicht, wenn es um diffizile Beurteilungen geht – und nicht mehr wie früher im Weinkeller unter Leuchtstoffröhren. Und ich? Ich werde auch weiterhin Wein aus dem Urlaub mitbringen und auf der Couch entkorken. Aber mit ganz anderen Erwartungen.

 

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Foto: Jan Ehlers

Endlich! Gutes.

Noch mehr bunte Weinverkostung findet Ihr unter www.endlichgutes.de – genau wie weitere kulinarische Abenteuer im Odenwald und an der Bergstraße.

Auch künftig werden die „Endlich! Gutes.“-Blogger Michael Frank, Thomas Hobein und Wolfgang Merkle regelmäßig einen Abstecher zum Gedruckten machen und Euch in P-gerechter Art und Weise Episoden ihrer kulinarischen Abenteuer präsentieren.