wrede_Zahn
Grafik: Rocky Beach Studio

Der Zahn schmerzt. In Frankreich unbehandelt, da die dortige Ärzteschaft mit Umgangsformen aufwartet wie ihre WM-Equipe. Vom Druckschmerz unter dem „F1“ oder wie er sich nennt, der Schurke, zweiter Backenzahn von den Schneidern aus gezählt, links. Er macht mir zwar nicht so lange Ärger wie die Frau, aber im Gegensatz zu Eva Hermann ist er ernst zu nehmen.

Mein Leibzahnarzt ist im Urlaub, als ich zurückkehre. Seine Urlaubsvertretung verschreibt mir Antibiotika und ich leiere ihr 600er Ibuprofen aus dem Rücken, da, so meine Arbeitskollegen unabgesprochen behauptend, „die 400er nix taugen“. Wusste ich persönlich noch nicht. Normalerweise sind mir Zahnschmerzen fremd, aber diesmal sehe ich aus wie Timmy der Hamster, zumindest im Profil. Als mir auf der Fährfahrt Dover – Calais selbst das in den Vortagen noch schmerzlindernde Umspülen des Zahns mit Vodka nichts mehr half, suchte ich direkt den nächsten Zahnarzt im Hafenstädtchen auf.

Dort sagte man mir – besser: versuchte man, mir mitzuteilen – dass ich dort keine Hilfe zu erwarten habe. Ich hatte mir mit einem „Je mal aux dents“ freundlich versucht, Gehör zu verschaffen, sprach von einem „grande hole“. Die sprachen aber kein Englisch! Ich hab ja so meine Vorurteile gegen Franzosen, von wegen nie ins Ausland müssen wegen Stränden und Gebirgen zur Genüge im eigenen Land. Aber hier, am uralten Schnittpunkt englischer und französischer Interessen und Menschen? Ich solle doch im Krankenhaus um Hilfe bitten, das kam da raus, offensichtliche Verachtung des hypokratischen Eides!

Wie im Kühlschrank aufbewahrte Erdnussbutter zog sich unsere 300 Kilometer lange Reise über das Toastbrot der Autobahnen Frankreichs und Belgiens. Dann … plötzlich: Aachen! Direkt raus an der Ausfahrt, Bundespolizei fragen, wo der nächste Zahnarzt zu finden ist. Der erste Beamte verweist auf die Telefonauskunft, der Kollege hat Mitleid und erklärt meiner Frau den Weg zum nahegelegenen Zahnmedizinzentrum. Dort wird endlich aufgebohrt und der Druck in meterhohen Eiterschwällen entladen – ähnlich derer, die Frau Hermann immer akustisch ausscheidet. Wenn das Leben eine Daily Soap wäre, so gehört so eine Alte bestimmt dazu, im echten Leben ist sie eine Schande – menschenverachtend wie sie ist. In der Daily Soap würde sie allerdings irgendwann rausgeschrieben und ihr Charakter in die Luft gejagt! Doch das ist auch schon so ziemlich das einzige, was ich dieser Frau nicht wünsche. Ob man später wird sagen können „Bei Eva war nicht alles schlecht“? Ich denke: Wer das ausspricht, ist fragwürdig.