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Foto: Jan Ehlers

Der Exil-Darmstädter Yassin Taibi legt gerade eine atemberaubende Karriere hin. Zusammen mit seinem Partner Audio88 bildet er derzeit eines der erfolgreichsten HipHop-Duos Deutschlands und trat als Support für die Berliner K.I.Z. bereits in riesigen Hallen auf. Besonderes Markenzeichen: seine sehr markante Bariton-Stimme. Man kann im Internet mittlerweile hunderte Interviews, Berichte und Reviews über Yassin lesen. Daher macht es hier im Stadtkulturmagazin eher Sinn, erst mal über über seine Darmstädter Vergangenheit zu reden.

Du lebst mittlerweile in Berlin, bist aber in Darmstadt groß geworden. Von Geburt an Heiner?

Ja, 1985 im Alice-Hospital geboren. Meine Eltern kamen damals zum Studieren nach Darmstadt. Meine Mutter kommt ursprünglich aus Norddeutschland, mein Vater aus Algerien. Ich war als Schüler an der Goethe- und der Justus-Liebig-Schule und habe danach noch kurz an der TU Philosophie studiert. Aber eher so als Alibi. Die letzten Jahre in Darmstadt verbrachte ich meist im 603qm, weil ich da arbeitete, aber auch aktiv mitgestalten konnte. 2007 bin ich dann nach Berlin.

Wann begann Deine Leidenschaft für Musik?

Meine Eltern hatten mich früh gezwungen, Musikinstrumente zu spielen. Das hatte mich damals aber leider eher genervt. Das erste Fugees-Album fand ich krass – da habe ich auch erstmals HipHop als Genre wahrgenommen. Und dann kam das Rödelheim Hartreim Projekt aus Frankfurt und ich merkte, dass HipHop auch auf deutsch funktioniert. Das wurde dann schnell zur Leidenschaft. Mit 14 Jahren habe ich dann Plattenspieler und Mixer bekommen und immer eifrig Platten im Pentagon bei Thomas Hammann gekauft.

[Das P lächelt] Wieder mal mit Thomas Hammann am Beginn einer musikalischen Karriere. Hatten wir schon sehr oft hier im Heft.

Ja, es war vor allem cool, dass er einem nicht nur Platten empfahl, sondern auch begründete, warum und worauf man genau achten sollte. Da hörte man dann sofort viel mehr auf Details. Das hat mich sehr geprägt. Zum Beispiel Platten vom US-Label Def Jux, vor allem die „The Cold Vein“ von Cannibal Ox. Das Album hat mich wahrscheinlich am meisten geprägt. Ich habe auch früh schon Software zum Produzieren auf PC gehabt und übers Internet Rapper von sonst woher produziert. Mit 56k-Modem. Das hat immer sehr lang gedauert mit Mailen und so. Stundenlang. Verrückt, wie sich das mit der Zeit geändert hat. Mit Ditschter, einem Freund aus Kindergarten-Zeiten, habe ich dann 2003 ein Tape gemacht. Das war eigentlich das erste ernst gemeinte Projekt.

Wann kamst Du in Kontakt mit der hiesigen HipHop-Szene?

Es gab damals hier die „Stadtgeflüster“-Tapes [legendäre Cassetten-Sampler-Reihe, Anm. d. Red.] und da habe ich mitgeholfen, unter anderem mit dem Mastering. Ich kam dadurch in Kontakt mit El Ray, einem der ersten Rapper hier in Darmstadt, der bei mir dann Sachen aufnahm. So lernte ich Freunde wie Rapno und Soda kennen und war in der „Abgrund Records“-Crew [kleines HipHop-Underground-Label damals]. Wir waren dann so ein bisschen der Gegenpol zum Rest der Szene mit Crews wie ACSD [„All City Syndikat Darmstadt“] und Böse Zungen. Gab auch immer kleine Streitigkeiten: Man hat sich auf Partys böse angeguckt und gern mal Backpfeifen verteilt. [lacht] „Schellen“ heißt ja auch ein Song von uns aktuell. Da war ich aber glücklicherweise nie ernsthaft involviert.

Sagen nachher immer alle. Wart Ihr gut im Dissen?

Wenn wir Leute beleidigt hatten, kam oft nichts zurück … wahrscheinlich, weil wir Recht hatten [grinst]. Meist stritt man sich nur im Internet in Foren wie dacity.net, das der Manu H. betrieb. Ist wohl teils heute noch so. Aber heute beobachte ich das von außen und amüsiere mich eher darüber. Eigentlich ist das alles albern, wer jetzt der wahre King im überschaubaren Darmstadt ist. Berlin ist da auch nicht viel besser, nur eben viel größer und man kann sich aus dem Weg gehen. Manchmal ist das besser so.

Du warst damals auch sehr aktiv im 603qm und brachtest Underground-HipHop aus dem Umfeld von Anticon und Anti Pop Consortium ins Spiel.

Anticon und solche Sachen höre ich heute kaum noch. Das hat sich leider kaum weiterentwickelt. Rückblickend finde ich es aber cool, wie früh hier in Darmstadt und gerade im 603qm aktuelle Underground-Strömungen aufgespürt wurden. Das war sauwichtig für mich damals. Ich hoffe, das entwickelt sich hier wieder, wenn der Nachfolger vom 603qm aufmacht. Für bestimmte Genres ist es ja derzeit wohl sehr trostlos hier. Wenn ich mal in Darmstadt bin, heißt es leider oft: „Nix los hier, lass uns ins Cluster gehen.“

Da müssen wir als Stadtkulturmagazin natürlich energisch widersprechen. Aber für manche Bereiche hast Du schon nicht ganz Unrecht. War das einer der Gründe, nach Berlin zu gehen?

Teils ja. Ich kam hier einfach persönlich nicht weiter in Darmstadt. Das war generell so, Musik war da nur ein Symptom. Das war eine coole Zeit hier, gerade mit dem 603qm, aber irgendwie waren die Einflüsse für die eigene Persönlichkeitsentwicklung doch begrenzt. In Berlin brauchte ich dann aber auch eine ganze Weile. Allein, bis ich raus hatte, wie die öffentlichen Verkehrsmittel funktionierten. Und ich kannte echt kaum jemanden. Nur Kamal (Soda), der ja mit mir nach Berlin ging. Nach der ersten Euphorie waren die nächsten Monate ganz schön hart. Gerade jobmäßig. Berlin hat da kein Mitleid mit dir. Erst Verbindungen zu Rappern rund um Audio88 vermittelten mir das Gefühl, angekommen zu sein.

Und dann kam plötzlich der Erfolg. Hattest Du erwartet, dass es in Berlin so gut durchschlagen würde?

Nee, gar nicht. War nur die kleine Hoffnung, dass es besser klappt als in Darmstadt. Das wäre hier in Darmstadt trotz Manges, Olexesh und Mädness kaum möglich gewesen, weil man außerhalb erst viel später wahrgenommen wird. Dass es aber so durchschlägt, damit konnte keiner rechnen.

Wie entwickelte sich das?

Durch Kamal lernte ich Audio88 kennen. Relativ schnell war das erste Album fertig. Viele Auftritte, dann das zweite Album. Dann erst mal normaler Job und so. Vor zwei Jahren dann voller Fokus auf eine mögliche Karriere. Ich stand da vom Alter her kurz vor der 30 und viel später hätte das kaum noch Sinn gemacht. Und dann ging es plötzlich ganz schnell.

Der Durchbruch gelang letztes Jahr mit dem Album „Normaler Samt“. Gab es so einen Punkt, an dem Ihr gemerkt habt, das könnte was richtig Gutes werden?

Ja, schon. Wir produzierten ja monatelang vor uns rum und wussten nicht, ob das alles so krass wird. Dann spielten wir Leuten einige Songs vorab in der Rohfassung vor und die fanden die Stücke ziemlich geil. Geiler, als wir eigentlich glauben wollten. Aber das war schon ein Indikator. Und als wir die Stücke dann fertig produzierten, merkten auch wir, das könnte echt was werden. Zumindest besser als alles vorher. Ich will aber immer, dass musikalische Sachen zusammen passen, dass sie stimmig sind. Ich bin da sehr perfektionistisch. Wenn ich jetzt unser Album „Normaler Samt“ höre, ärgere ich mich über Fehler, die wir gemacht haben. Vielleicht ist das aber normal, wenn man sich entwickelt.

Eure ersten Veröffentlichungen vorher wurden ja noch als „Misanthropischer Metaebenen-HipHop“ verunglimpft.

Naja, passte schon. Klang am Anfang echt so. Anfangs hatten wir auch noch leicht unterschiedliche Meinungen, wie etwas zu klingen hat. Haben wir eigentlich noch bis heute. Das ist aber vielleicht sogar auch das Erfolgsrezept, weil wir uns dann immer gegenseitig herausfordern – musikalisch und inhaltlich. Unsere Rap- und Schreib-Stile waren und sind schon unterschiedlich, aber das macht es vielleicht so unberechenbar und spannend. Wir arbeiteten dann eng mit Künstlern wie Hiob, Morlockk Dilemma, Dexter und Torky Tork zusammen, die alle eine ähnliche Anti-Haltung zum aktuellen HipHop hatten. Das hat dann ein ganz neues Spektrum gehabt, weil Leute vom Juice-Magazin [einflussreiches HipHop-Magazin] oder bekannte Figuren wie Marcus Staiger und Falk Schacht das schon sehr früh gut fanden. Das war für uns erst mal surreal, aber ein krasser Motivationsschub.

Wie ist das gewesen auf einer Riesen-Tour als Support für K.I.Z., die mittlerweile die Jahrhunderthalle in Frankfurt ausverkaufen?

Da wir ja auch schon auf deren Album bei einem Track dabei waren, kannten uns die meisten. Das war von Vorteil. Daher kamen wir eigentlich ziemlich gut an. Und wir kennen die Jungs von K.I.Z. auch schon lange, das funktionierte also bestens.

Und wie geht es Dir mit diesem riesigen Sprung von kleinen Jugendclubs in große Hallen?

Komischerweise brauchte ich nur Sekunden, um mich daran zu gewöhnen. Ich dachte auch, dass es einige Shows lang dauert. Wenn man dann aber auf der Bühne steht und die ersten Strophen rappt, läuft es von allein. Fast schon ein bisschen schade, da ich dachte, dass man das krasser wahrnimmt. Aber die Angst war bei mir schnell weg. Und ich dachte mir: Wenn du dich verrappst, scheiß drauf. Man sieht auf der Bühne vor lauter Scheinwerfern auch gar nicht viel, erst später, wenn man sich Handyvideos von Fans anschaut, denkt man sich: Wow, das bin echt ich da oben vor zehntausend Menschen.

Im Juni kam das neue Audio88-und-Yassin-Album raus und Ihr geht im Herbst auf große Tour. Wie oft bist Du jetzt noch in Darmstadt?

Naja, nur noch selten, aber meine Eltern wohnen noch hier. Und natürlich viele Freunde von damals. Ich freue mich daher vor allem auf das Nonstock-Festival in Nonrod (Fischbachtal) im Odenwald und die beiden Konzerte in der Oetinger Villa im November [der 05.11. ist bereits ausverkauft, für den 06.11. gibt es noch Restkarten]. Und Darmstädter wie Mädness, Döll oder Phil Fill treffe ich auch oft in Berlin.

Und durch die Lilien ist ja mindestens einmal im Jahr ganz Darmstadt in Berlin. Wir besuchen Dich dann alle.

Oh Mist, dann muss ich meine Bude aufräumen.

 

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Cover: Normale Musik

Audio88 & Yassin

Neue Platte „Halleluja“ seit Juni erhältlich.

www.facebook.com/audio88yassin

 

Nonstock Farmer’s Edition-Festival

mit Feine Sahne Fischfilet, Audio88 & Yassin, Mädness & Döll, Giant Rooks, Damion Davis, Kafkas, Freiburg, Eau Rouge, 8Kids, Captain Capgras, Anorak, Pornophonique und vielen mehr.

Win! Win! Das P verlost 1 x 2 Festivaltickets.

Nonrod (Odenwald) | Fr, 19.08. + Sa, 20.08 | Festivalticket 20 € (plus Gebühren), Tagestickets 12 € (plus Gebühren)

www.nonstock.de