Yellow Birds 2
Foto: Yellow Birds

Seit dem Frühjahr tauchen sie überall in Darmstadt auf. An den unterschiedlichsten Orten kleben kleine schmucke Aufkleber, die im gelben Farbton den Flug einer Taube abbilden. Noch ist ihre Zahl überschaubar, aber es werden stetig mehr – und man fragt sich: Was hat es mit diesen gelben Vögeln auf sich? Und warum kleben sie nur an bestimmten Orten? Die erste Frage können wir beantworten. Der zweiten Frage werdet Ihr durch einige Klicks selbst nachgehen können.

Hinter den geheimnisvollen gelben Vögeln verbirgt sich eine Gruppe von fünf Innenarchitektinnen, die sich durch das Studium kennenlernten und in kreativen Umfeldern wie dem Kulturprojekt Blumen oder der Bürogemeinschaft Hunderteinzig anzutreffen sind. Im Vorfeld des Architektursommers Rhein-Main 2011 und des Raumfestivals „stadt finden“ kamen Jule Bierlein, Jasmin Kalinkat, Céline Scherer, Katrin Walter und Lea Luckenbach auf die Idee, Darmstadt – abseits der offiziellen „Trampelpfade“ – neu zu entdecken und zu erschließen. Denn Besucher, Zugezogene und Alteingesessene haben jeder eine ganz persönliche Sicht auf diese Stadt. Die Idee zu den „Yellow Birds“ war geboren – als symbolhafte Markierungen für eine etwas andere Sichtweise auf Darmstadt.

„Leider hören wir immer wieder viel Negatives über unser Stadtbild. Nur, wer sich länger in Darmstadt aufhält, kennt die schönen Ecken, weiß, woher der Name kommt, kann die Orte genießen und findet die Stadt für sich.“ Diese Aussage findet sich auf der „Yellow Birds“-Facebook-Seite der Initiatorinnen, die als Web-Plattform der Aktion und damit als interaktiver Stadtführer dient.

 

P-Magazin: Seid Ihr als Initiatoren denn  „alteingesessene“ Darmstädter?

Lea: Eben gerade nicht. Wir sind alle Zugezogene und haben lange gebraucht, uns in Darmstadt heimisch zu fühlen. Es entspricht also genau unserer Erfahrung.

Céline: Die ersten Eindrücke von Darmstadt sind ja oft die obere Rheinstraße oder der Innenstadtkreis. Da will man am liebsten gleich wieder weg. Durch den Zweiten Weltkrieg sieht es eben nicht mehr überall aus wie zu Moller-Zeiten [Anm. der Redaktion: Georg Moller 1784-1852, Darmstädter Architekt und Stadtplaner].

Katrin: Erst nach und nach dringt man in die gemütlichen Stadtviertel mit den kleinen Gassen, Grünflä-chen, Waldstücken, Plätzen, Cafés und Bauwerken vor.

C: Mir war zum Beispiel vier Jahre lang nicht bewusst, wie viel wunderbare Waldgebiete es rings um Darmstadt gibt.

Jule: Je früher wir als neue Bewohner die schönen, oft eher abseits gelegenen Orte finden oder gezeigt bekommen, desto schneller fühlen wir uns heimisch hier. Die Yellow Birds sollen dabei helfen. Wichtig ist natürlich, dass nicht allein wir die Orte festlegen, sondern alle Darmstadt entdecken und weitergeben sollen. Wir haben dafür mehr als 5.000 Aufkleber in Umlauf gebracht.

 

„Zeige Dein Darmstadt auch anderen!“

Das Prinzip ist denkbar einfach: Die „Yellow Birds“ an besonderen Orten aufkleben, fotografieren und – versehen mit einer kurzen Begründung – auf der Pinnwand der Facebook-Seite der Aktion posten. An sechs Orten hängen in der Stadt kleine Kästen mit den Aufklebern und einem „Glücksbrunnenschlitz“ für eine freiwillige Spende: Café Lotte (Woogviertel), Café Godot (Bessungen), Vinocentral (am Hauptbahnhof), Café Apero (Innenstadt), Café Schwarz-Weiß (Martinsviertel), Galerie Earlstreet (Johannesviertel).

K [schmunzelt]: Zur Unkostendeckung. Alle, die was reinwerfen, können sich was wünschen. Wir glauben fest daran, dass alles in Erfüllung geht.

L: Und seit Neuestem gibt es dort auch kostenlose Buttons mit den gelben Tauben – quasi als Erkennungszeichen für Gleichgesinnte.

 

Warum eigentlich gelbe Tauben als Symbol?

C: Gelb als markante Farbe des Architektursommers. Und Tauben, da die sich immer die schönen, geruhsamen Orte aussuchen. Kaum hat sich eine niedergelassen, folgen weitere. Wie eine Art Social-Networking. So soll es mit den Aufklebern bestenfalls auch funktionieren. Zeige Dein Darmstadt auch anderen!

Die Anzahl der Foto-Postings auf der Facebook-Seite steigt stetig, die Bilder werden bereits in stadtteilbezogenen Alben zusammengefasst. Zum Ende desJahres ist sogar ein Stadtführer der besten Postings im Druckformat geplant. Eine Flickr-Seite und ein Blog sind ebenfalls angedacht.

Seht Ihr nicht die Gefahr, dass zu viele „Yellow Birds“ die Idee verwässern oder für eher fragwürdige Orte  missbraucht werden könnten?

J: Wir hoffen da ein bisschen auf gemeinschaftliche Verantwortung und Kontrolle. Die Aufkleber lassen sich rückstandslos entfernen.

C: Zur Not drucken wir „Black Birds“-Aufkleber, mit denen wir die ungerechtfertigten Fälle überkleben. Es wäre dann auch ein Anreiz, die „Black Birds“-Orte so zu verschönern, dass „Yellow Birds“ draus werden. Der Friedensplatz wäre so ein Beispiel.

K: Letztlich machen die Menschen aber Darmstadt aus. Das Projekt lebt vor allem davon, was die Bewohner daraus machen.

 

Der Architektursommer ist vorbei, aber die Vögel fliegen weiter. Und „Darmstadt aus der Vogelperspektive“ bekommt eine ganz neue Bedeutung. Mittlerweile sind die ersten „Yellow Birds“ auch in Dortmund, Basel und Istanbul aufgetaucht. Sie gehören wohl zur Gattung der Zugvögel.

 

Mehr Infos zur Aktion auf Facebook