Foto: Jan Ehlers
Foto: Jan Ehlers

Das Papiertheater wurde nicht in Darmstadt erfunden. Allerdings war der Mann, der in Besitz der größten, jemals von einem Menschen zusammengetragenen Sammlung von Papiertheatern war, gebürtiger Heiner. Eben jener Walter Röhler widmete beinahe sein gesamtes Leben von 1911 bis 1974 winzigen Bühnen, Kulissen, Interieur sowie klitzekleinen Requisiten und Darstellern, die man früher in einer Art Schnittbogen gekauft hat, um sie eigenhändig auszuschneiden und zu theatralen Kunstwerken im Miniaturformat zusammenzukleben.

Der aus über 10.100 Spielbögen bestehende Nachlass, der nun zum größten Teil von Freiwilligen verwaltet wird, kann in der Darmstraße besichtigt werden. Die Auswahl an Papiertheatern reicht von niedlichen Klassikern für Kinder wie beispielsweise „Hänsel und Gretel“ bis hin zum echten Darmstädter Original, dem Datterich. Für alle Zugezogenen: In dem Mundart-Stück geht es um die Geschichte eines versoffenen, entlassenen Finanzbeamten namens Datterich, der – wie sollte es anders sein – ein waschechter Darmstädter Heiner ist. Eigentlich lässt sich in der so umfangreichen Röhlersammlung beinahe jeder Klassiker der damaligen Zeit in Form eines wirklichkeitsgetreuen Papiertheaters wiederfinden.

Walter Röhler Foto: Privat

Wer die Sammlung von Walter Röhler aufsucht, sollte dennoch nicht mit einem riesigen Museum mit imposanter Empfangshalle rechnen, sondern mit einer 40 Quadratmeter großen, eher bescheidenen Häuslichkeit – was keinesfalls bedeuten soll, dass die Sammlung nicht sehenswert sei. In den Fluren und Gängen der Ausstellung wird es zuweilen etwas eng, doch das tut der Faszination keinen Abbruch.

Schließlich hat es Walter Röhler auch ausdrücklich und genau so in seinem Testament geregelt: Seine Sammlung solle nicht etwa im Depot einer großen Kunsthalle, sondern in kleinen Räumen ausgestellt werden, in denen sich die Bühnen nicht verlieren. In leeren, riesigen Räumen würden sie in der Bedeutungslosigkeit verschwinden.

Trotz des passenden Ausstellungsortes: In der ersten Etage des Hauses in der Darmstraße 2 unweit des Großen Woog fristet man ein Nischendasein. Darüber macht sich dort niemand etwas vor. Die Mittel der Kulturförderung sind knapp und so lebt die Sammlung weiter dank ehrenamtlicher Mitarbeiter, die durch die Ausstellung führen und über ein Archiv wachen, in dem jeder Bogen in einer Datenbank katalogisiert ist. So hat diese improvisierte Exposition einen ganz eigenen Charme.

Genauso sind es Ehrenamtliche, die – präsentiert vom Nachbarschaftsheim e.V. – im Palais des Prinz Emil Gartens oder im Bessunger Forstmeisterhaus Papiertheater-Aufführungen geben. Die Art der Darstellung, der Interpretation ist dabei ganz dem Spieler überlassen: Ob er in verteilten Rollen und mit verstellter Stimme spricht, um das Theater zum Leben zu erwecken, oder Text und Musik vom Band kommen und er sich ganz den kleinen Figuren widmet. Zu erleben auch in diesem Winter – und am besten gemeinsam mit den Kleinen.

 

Kleine Geschichte des Papiertheaters

Die Bögen wurden ab Mitte des 19. Jahrhunderts in einem eigens entwickelten, komplexen Druckverfahren industriell hergestellt – aufgrund ihrer Beliebtheit im großen Stil. Die Szenerien aus stabilem Papier dienten als Heimtheater und Spielzeug, vor allem für die Kinder des damaligen Establishments. In Darmstadt beispielsweise residierte diese feine Gesellschaft unter anderem in den (teilweise heute noch erhaltenen) herrschaftlichen Jugendstilwohnungen in der Viktoriastraße, Pallaswiesenstraße oder Frankfurter Straße, im heutigen Johannesviertel.

 

Papiertheatersammlung Walter Röhler Darmstadt

Museum und Archiv in der Darmstraße 2 (unweit des Großen Woog)

betreut von Markus Allmann (hauptamtlich), Andreas Stützinger und Helmut Peschel (beide ehrenamtlich)

Öffnungszeiten und weitere Infos unter www.nbh-darmstadt.de/Papiertheater