Ein Spaziergang am Fuße der vom Jugendstil geprägten Mathildenhöhe führt vorbei an unzähligen schmucken Anwesen, hinter deren kunstvoll gestalteten Toren und Zäunen man gerade noch einen Blick auf herrliche Gärten erspähen kann. Da überkommt manchen vielleicht die Lust, einfach eines der Tore zu öffnen und den Garten eines der Anwesen zu erkunden. Welch eine große Überraschung, plötzlich vor einer offenen Pforte zu stehen, die tatsächlich dazu einlädt, den Garten zu besuchen: „Today, welcome to our garden“, lesen wir, blicken auf die schöne, mit buntem Glas verzierte Haustür, die mannshohe, metallene Skulptur vor uns und schließlich uns gegenseitig an. Sollen wir …? Na klar!
Wir wagen uns durch das Törchen. Wohin sollen wir gehen? Nach links, in den Schatten, oder rechts, vorbei an der Sammlung lampionartiger Skulpturen? Als wir schließlich dem Weg aus grauen, runden Steinplatten zur Rechten folgen und uns vorsichtig an den wilden Ranken und Blüten der hohen Gräser und Sträucher vorbeiwinden, entdecken unsere suchenden Blicke zwischen den vielen Sträuchern und Bäumen allerlei Buntes, und nach wenigen Metern überschauen wir einen riesigen, wilden Garten voller Wasser, Kunst und geheimnisvoller Objekte. Was ist das für ein Ort? Wo sind wir hier, unweit des Design Zentrums, hineingeraten? Nichts ist mehr zu hören vom Rauschen und Lärmen der Stadt, stattdessen plätschert leise das Wasser – und Vögel zwitschern in der schwülen Abendluft.
Eine ungewöhnliche Sommerentdeckung
Nach einigen Metern lädt ein hölzerner, geschnitzter Stuhl vor einem sprudelnden Wasserspiel zum Verweilen ein, ein Stück weiter hinten lockt ein umrankter Hain und dahinter tun sich so viele Wege auf, dass man sich kaum entscheiden kann, wohin man gehen soll. So trennen wir uns, laufen umher, immer tiefer in den Garten hinein. Alles, zu dem nicht Ranken den Zugriff versperren, kann man berühren. Auf eine seltsame Weise schafft die so verwildert wirkende Natur hier ihre eigene Ordnung. All die bunte Kunst dazwischen passt seltsam gut hinein und man fragt sich: Was mag sie ausdrücken, diese seltsame rote Säule, die hinter den Hecken aus dem Boden wächst und bei näherem Hinsehen gar auf einer Insel im Wasser steht? Was stellen die seltsamen Trichter dar, durch welche die Teiche des Gartens mit Wasser gespeist werden?
„Today, welcome to our garden“
Als wir uns schließlich von der Säule abwenden und uns umdrehen, tut sich uns das Herz des Gartens auf – und auf einmal ist völlig klar, was zu tun ist und wohin wir wollen: Wir rennen los und springen auf die Trampoline, die dort wie selbstverständlich stehen. Im Auf und Ab verschwimmt der Garten in unserer Wahrnehmung: die vielen Brunnen und Skulpturen, die Bienenstöcke, die elegante Veranda und die verflochtene Pflanzenvielfalt. Für einen Moment können wir vergessen, wo wir sind.
Wir kommen zur Ruhe und denken daran, wie wir einer Einladung gefolgt sind in den öffentlichen Garten, den der Darmstädter Henry Nold seit acht Jahren zum Wohle der Allgemeinheit so fürsorglich hegt und pflegt. Im Kontrast zu der hoch stilisierten Etikette der Mathildenhöhe stellt in diesem Garten allein die Natur Regeln auf. Ein verwunschener, verborgener Ort, der darauf wartet, entdeckt und behutsam erkundet zu werden.